Riga - die kühnste Gründung im Osten.

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Riga - die kühnste Gründung im Osten.

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Baltenland - Eckpfeiler des Abendlandes.
Was wissen wir voneinander ? Folge 5 / Deutschbalten.

Als im Spätherbst des Jahres 1939 die Volksgruppe der Deutsch-Balten umge-
siedelt wurde und vornehmlich im Raum von Posen und Westpreußen eine neue
Heimat finden sollte, wurde an die Kinder einer Schule eines Kreisstädtchens
im Gebiet um Posen die Aufforderung gerichtet, einen Aufsatz über die Balten,
ihre Geschichte und ihre Bedeutung zu schreiben. Im Heft eines kleinen Mäd-
chens fand sich bei der Durchsicht der Arbeiten dabei folgende Aufzeichnung:

„Vor siebenhundert Jahren sind die Balten ausgezogen, um das Gebiet an der
nördlichen Ostsee zu kolonisieren. Gestern Nachmittag um ½ 4 Uhr sind sie
unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt“.

Soweit das kleine Mädchen und ihr in lapidarer Kürze wiedergegebenes Wissen
um die Balten. Wir sind weit davon entfernt, dem kleinen Mädchen wegen
seiner Unkenntnis einen Vorwurf zu machen, denn uns will scheinen, daß
diese Unkenntnis viel weiter verbreitet ist, auch in klugen Köpfen, und sich
nicht auf die kleinen Mädchen einer Volksschule im Posenschen beschränkt.

Der berühmt gewordene Satz in einem inländischen Flugblatt aus der Zeit der
großen Russennot und den Tagen der Kämpfe gegen den Moskowiter am Ausgang
des 16. Jahrhunderts, „es möchte kein verlassener Volks auf dieser Welt erfunden
werden, als wir armen Livländer" kennzeichnet die baltische Situation zu allen
Zeiten auf charakteristische Weise.

Denn so war es, als am Ausgang des 12. Jahrhunderts die ersten Deutschen das
Land an der Dünamündung aufsegelten. Ob es Bremer Kaufleute waren, wie eine
Legende zu berichten weiß, ob es Männer aus Lübeck, aus Westfaeln oder
Niedersachsen waren, die als erste ihren Fuß auf jenes Land setzten, das
durch sie in den abendländischen Kulturkreis einbezogen ward, das ist von
nur untergeordneter Bedeutung.

Es fehlte den Deutschen im baltischen Raum, dem nachmaligen Staatsgebiet der
Republiken Estland und Lettland, die Landverbindung zum Mutterland. Als
mächtige Barriere lag Litauen zwischen dem Reich und seiner Kolonie. Dem
deutschen Bauern aber erschien der Seeweg als Wagnis. So blieb das Baltentum
bis in unsere Tage hinein das, was es durch die Jahrhunderte gewesen war:
eine dünne Oberschicht über andersnationalen Völkern, oder, um es mit
Siegfried Vegesack zu sagen: Herren ohne Heer. Diese Isolierung hat mehr als
nur einmal zu kritischen Situationen geführt, und die Unkenntnis über Leben,
Leistung und Leiden der Deutschen im baltischen Raum hat im deutschen
Mutterland noch in gar nicht so ferner Vergangenheit so weit geführt, daß
man von Deutschrussen sprach, wenn man die Balten meinte, und sich wunderte,
wenn man sie ein fehlerfreies Deutsch sprechen hörte. Noch Manfred Kyber, der
große baltische Dichter und Denker, vor fünfundzwanzig Jahren verstorben, hat
es erleben müssen, daß man ihn, während des ersten Weltkrieges, in Berlin als
russischen Staatsangehörigen einem Zivilinternierten gleich behandelte und ihn
zwang, sich regelmäßig auf dem Polizeirevier zu melden.

Trotz aller Leiden und aller Unterdrückung durch den Panslawismus und die
Russifizierungstendenzen des Zarenreichs, dem der baltische Raum angehörte,
seit Schweden, das mit Polen nach dem Niedergang des Deutschen Ordens das
Land innegehabt hatte, im Nordischen Kriege Peter I. unterlegen war, hat das
baltische Deutschtum seine Position zu wahren gewußt. Carl Schirren, ein
baltischer Historiker, der im Jahre 1869 dem Panslawismus seine berühmte
'Livländische Antwort' entgegengeschleudert hat, bringt dies in eben dieser
Schrift zum Ausdruck, wenn er sagt:

"Feststehen, das wird unsere Aktion; ausharren, das soll die Summe unserer
Politik sein. Verlieren wir dabei das rechtmäßige Erbe, welches unsere Väter
uns hinterlassen, so haben wir es wenigstens nicht feige verraten, und die
Ehre gerettet, ist alles gerettet“.
„Wir fangen dann wieder von vorne an und machen es unter veränderten
Verhältnissen und mit veränderten Aufgaben im Wesentlichen doch wieder so
wie die Väter, als sie vor mehr denn siebenhundert Jahren inmitten der
Schweden, der Dänen, der Litauer und Russen Fuß fassten und der
abendländischen Christenheit eine Vormauer bildeten unter Bedrängnissen und
Leiden, welche sie alle überstanden, wie die Geschichte meldet“.

Die Zahl großer Söhne, die das Baltentum hervorgebracht hat, ist bei einer
Gesamtzahl, die der Bevölkerung einer mittleren Großstadt entspricht,
erstaunlich. Balten stellten nicht nur dem russischen Zarenreich in großer
Zahl Gelehrte, Forschungsreisende, Entdecker und Heerführer, ihr Anteil an
der Erforschung und Europäisierung Russlands war so beachtlich, dass selbst
die Sowjetunion immer wieder auch heute noch auf die Leistungen dieser
Männer sich beruft, wobei sie jedoch nicht verfehlt, den Weltumsegler Adam
von Krusenstern, den Anatomen Carl Ernst von Baer, den Südpolforscher Baron
Fabian Bellinghausen als Russen, den Befehlshaber der Befreiungsarmee gegen
Napoleon, Feldmarschall Fürst Michael Barclay de Tolly, der übrigens im
Jahre 1818 auf der Reise in die böhmischen Bäder im Forsthaus Stieleitschen
bei Insterburg gestorben ist, als „russischen" General zu bezeichnen.

In zunehmendem Maße vor allem seit der Russifizierung des Baltenlandes in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Balten auch im deutschen
Mutterlande sichtbar, wo sich zunächst baltische Professoren die
Universitäten zu erobern begannen, um in jüngster Zeit durch die baltischen
Dichter und Schriftsteller abgelöst zu werden. Die Namen von Adolf von
Harnack, des Begründers der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, und von Reinhold
Seeberg, der beiden großen Theologen, sind nicht weniger bekannt als die der
Philosophen Graf Hermann Keyserling und Nicolai Hartmann, des Mediziners
Ernst von Bergmann, des Chemikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, des
Indologen Leopold von Schroeder, des Afrikaforschers Georg Schweinfurth, des
Malers Eduard von Gebhardt, der Historiker Johannes Haller und Theodor
Schiemann, des Biologen Jacob Baron Uexküll oder der Margarethe von
Wrangells, die als Botanikerin als erste deutsche Frau eine ordentliche
Professur bekleidet hat.

Die Reihe der Dichter und Schriftsteller, als deren Vorläufer Goethes
Jugendfreund Jacob Michael Reinhold Lenz genannt sei, beginnt recht
eigentlich erst mit dem vor vierzig Jahren verstorbenen Grafen Eduard
Keyserling, der als Vorläufer aller jener Balten anzusehen ist, die in
zunehmendem Maße seit dem Ende des ersten Weltkrieges sich in Deutschland
einen guten Namen gemacht haben. Monika Hunnius und Mia Munier-Wroblewski
gehören ebenso hierher wie Manfred Kyber und Werner Bergengruen, Sigismund
von Radecki und Frank Thiess, Otto von Taube und Siegfried von Vegesack.
Selbst Ina Seidel, deren Mutter Baltin war, und Hermann Hesse, Sohn eines
baltischen Vaters, dürfen in diesem Zusammenhang genannt werden.

Wer als Balte in einem ostpreußischen Blatt schreibt, darf natürlich auch an
den Beziehungen zwischen Ostpreußen und dem Baltenland nicht vorübergehen.
Dass diese Beziehungen sehr eng waren, dürfte nicht unbekannt sein, wobei
insbesondere Königsberg mit seiner Universität einen wichtigen
Anziehungspunkt für die Balten bildete. Kein Geringerer als Immanuel Kant
hat mit zahlreichen Balten in Verbindung gestanden, sei es, dass man ihn
bat, Hauslehrer für baltische Herrenhöfe zu vermitteln, sei es, sich
studierender Balten in Königsberg anzunehmen. Allein in den Jahren 1710 -
1765 haben nicht weniger als rund 180 Balten in Königsberg studiert, und
erst mit der Gründung der baltischen Landesuniversität Dorpat im Jahre 1802
ist ihre Zahl naturgemäß zurückgegangen. Dass ein Bruder Kants Pastor in
Kurland und „Balte" wurde, sei nur am Ende vermerkt, ebenso die Tatsache,
dass Johann Gottfried Herder von 1764 - 1769 als Lehrer und Pastor in Riga
gewirkt hat, wo auch andere Königsberger von Rang und Namen eine Stätte des
Wirkens gefunden hatten.

Aus jüngster Zeit aber stammt die Äußerung eines Mannes über die Balten, mit
der wir unsere Betrachtung abschließen wollen. Die Stimme, die wir hier zu
Wort kommen lassen wollen, ist am 9. Januar 1958 verstummt, als mit dem Tode
von Paul Fechter das deutsche Geistesleben unserer Tage ein herber Verlust
traf. Wenige Monate nur ist es her, seit Paul Fechter für den Schreiber
dieser Zeilen einen Aufsatz unter dem Titel „Balten" schrieb. Hier heißt es:


Im Grunde genommen muss man aus dem deutschen Osten stammen, um wenigstens
ein bisschen über die Balten mitsprechen zu können. Die Menschen der
preußischen Landschaft empfanden, was do oben ‚in Kurland', die Ostseeküste
entlang bis beinahe nach Petersburg oder mindestens bis zum Peipussee
hauste, als Nachbarn, und zwar als nähere Nachbarn fast, als die Menschen im
Reich. Die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts waren ja die letzten
Zeiten eines noch natürlichen Verbindungsgefühls, für die das Land das
Trennende, verbindend nur das Wasser war. Die Nachbarstädte von Danzig,
Elbing, Königsberg hießen Kopenhagen, Stockholm, Riga, Dorpat, Reval: Kant
verlegte seine erste große Kritik bei Hartknoch in Riga, Herder tat später
das gleiche. Das Baltikum lag dem deutschen Osten darum so nahe, weil man
zur See nach Dorpat, nach Mitau, nach Riga konnte — Berlin war darum so
weit, weil kein Dampfer dorthin fuhr. Die baltische Welt war für den
deutschen Osten eine Nachbarwelt. Wir empfanden schon in jungen Jahren die
Balten als Nachbarn, sogar als Verwandte. Sie waren im Grunde aus demselben
Holz wie unsere Dönhoffs und Dohnas, Fahrenscheidts und Etzdorfs und wie sie
sonst noch hießen: sie saßen auf ihrem eignen Grund und Boden; ihnen war
aufgegeben die Sorge für den kleinen Mann — sie waren Herren. Herren ohne
Heer — das war der Kern der baltischen Tragödie...“

„Man hat schon früh festgestellt, dass das Baltikum darum so wichtig für das
Reich und seine Menschen war, weil dort im Umkreis der deutschen
Adelsfamilien und ebenso im deutschen Bürgertum der Städte die eigentliche
geistige Tradition des alten Deutschland der Goethe- und Humboldt- und
Hegelzeit ungetrübt durch liberalistische und technische und Gründerzeiten
fortgelebt hatte. Wenn man einmal zusammenträgt, was die Welt des Reichs bis
in die letzten Jahrzehnte von den Männern und Frauen des Baltikums empfangen
hat, es ist schon ein erstaunlicher und beinahe ein bisschen beschämender
Reichtum, der sich dort ausgewirkt und dem Reich das einst vom Westen her
Mitgenommene wieder zurückerstattet hat“.

„Es ist wichtig, dass dieser zweite östliche Kraftquell des deutschen Lebens
auch im Westen ebenso wenig vergessen wird, wie der erste noch auf deutschem
Boden gelegene — der des deutschen, des preußischen Ostens. Beide, Kurland,
das Baltikum wie die Ordenswelt Preußens stammen aus der gleichen großen
Zeit des alten Reichs, aus der Zeit der Stauffer: kaum fünfundzwanzig Jahre
trennen den Zug der Schwertbrüder und den des Deutschen Ordens. Es gilt
beider Erbe den Jüngeren ungeschwächt weiterzureichen; dabei aber sind die
Balten selber seit je die besten Helfer gewesen und werden es bleiben“.

Erik Thomson

..

Riga, St. Petri und Schwarzhäupterhaus.

„Schwarzhäupter" — dieses eigenartige Wort mag geheimes Gruseln dort
erzeugen, wo man den europäischen Osten und mit ihm Riga, 1201 von Deutschen
an der Düna gegründete Stadt, weniger kennt. Es klingt beinahe nach düsterer
Geheimorganisation. Aber nichts von solchen Gedanken träfe zu!
„Schwarzhäupter" nannte sich eine Vereinigung von Junggesellen, die als
Kaufleute und Handelsherren mit Fleiß und Fähigkeit zum Wohl und Wachstum
ihrer Heimat, der Stadt Riga, beitrugen. Und ihr „Schwarzhäupterhaus" war
eigentlich weiter nichts als das, was man heute ein Clubhaus nennen würde.
Hier kam man zusammen zur ernsten Beratung wie zu frohem Tun.
Das im 14. Jahrhundert entstandene, im 17. Jahrhundert baulich veränderte
„Schwarzhäupterhaus" zu Riga ist ein steinerner Zeuge mittelalterlicher
deutscher Baukunst, der nicht nur in Osteuropa Ansehen genoss. Die Fassade
wurde gegen Ende des 2. Weltkrieges total zerstört.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, Februar 1958

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Rote Schwerter und Kreuze in Riga. Die kühnste Gründung im Osten.
Des Bischofs Kriegsschiffe in der Düna. Die Stadt der Schwertbrüder.


Als Riga 1207 das deutsche Lehensrecht beantragte und erhielt, war es erst
sechs Jahre alt und bestand aus Holzhäusern, wie zuerst alle deutschen
Kolonisationsorte im Osten. Doch es war sich seiner kommenden großen
Bedeutung von der ersten Stunde an bewusst. Sieben Jahre vorher war eine
Flotte von 23 bewaffneten Schiffen in der Dünamündung erschienen. Ihr
Befehlshaber, Bischof Albert, ein niedersächsischer Adliger, bezeichnete
einen noch unbebauten Ort als Standort einer deutschen Ansiedlung. Im
Sommer darauf wurde hier die Erbauung Rigas begonnen. Der sichere Blick
des Kolonisators hatte sofort einen Platz gefunden, der seither geschichts-
trächtiger Schlüsselpunkt des baltischen Raumes geblieben ist.

Unter allen Gründungen der Deutschen im Osten war Riga die kühnste.
Keine andere entstand auf einer von Menschen bis dahin unbewohnten
Stelle. Und es war ein mehr als wagemutiger Entschluß der Niedersachsen,
Westfalen und Lübecker, sich tausend Kilometer entfernt vom einzigen
Ostseehafen des Reiches Lübeck anzusetzen, unter Überspringung ganz
unerschlossener Gebiete wie Preußens und des kriegerischen Litauens.
Erst eine Generation später begann der Deutsche Orden vom Hause Marien
die Inbesitznahme des Preußenlandes. So war Riga noch kaum vier Jahre alt
und eben befestigt, als es den ersten Ansturm der Litauer zu bestehen hatte
und bestand.

Rote Schwerter und rote Kreuze auf den Mänteln trugen die Ritter des Schwert-
brüderordens, den Bischof Albert sogleich nach der Gründung seiner Stadt zum
Schutz der livländischen Erwerbungen ins Leben rief. Für ihn und die Ritter
galt vom ersten Tage, daß die Annahme der christlichen Taufe, die sie in Liv-
land betrieben, gleichbedeutend war mit der Anerkennung deutscher politischer
Oberhoheit. In der damaligen Anschauung war diese Koppelung, die wir heute
nicht mehr kennen, eine nicht nur von den Deutschen ausgeübte Selbstverständ-
lichkeit. Die Ritterschaft ganz Europas ist im Heiligen Lande nicht anders verfah-
ren.

Dem Recht nach hat der Schwertbrüderorden nur dreißig Jahre bestanden. Er
erlitt 1236 in Schaulen eine lebensgefährliche Niederlage durch die Litauer.
1237 fertigte Papst Gregor zu Viterbo eine Urkunde aus — in der geschwungenen,
eleganten Schrift damaliger Kanzleien italienischen Stiles — durch die er den
Schwertbrüderorden mit dem Deutschen Ritterorden vereinigte. Wäre diese
Verschmelzung glatt von statten gegangen, so könnte man heute die 720.
Wiederkehr eines glücklichen Tages in der nordostdeutschen Geschichte feiern.
So aber wurde daraus eher ein Tag des Unheils. Zwischen den Deutschrittern,
den Schwertbrüdern und dem Rigaer Erzbischof brannten Generationen lang
Probleme, von denen der Norden widerhallte und die es nicht zu einem wirkungs-
vollen gemeinsamen Vorgehen der deutschen Gründungen kommen ließen.
Als später das Rittertum in Preußen seinen Todeskampf gegen Polen und
Litauen focht, blieben die Livländer beiseite. Dafür überlebte ihre Ritterschaft
den Untergang des preußischen Ordensreiches ... und fiel im 17. Jahrhundert
den Stürmen eines neuen Reichs allein zum Opfer, den Angriffen des Reichs
Moskau.

Die Stadt Riga jedoch überstand alle Umwälzungen in unbeirrbarer Lebenskraft.
Papst, Kaiser und später der Zar bestätigen immer wieder aufs Neue ihre Privi-
legien — und ihr Deutschtum. Hier hatte ein genialer Städtegründer einen Ort
gefunden, der die Lebenslinien eines weiten Raumes ganz zwangsläufig an sich
zog. Vom ersten Jahrzehnt ihres Bestehens an wurde die Stadt Riga zum Nadelöhr,
durch das der Rußlandhandel des ganzen Landes an Düna und oberem Dnjepr
hindurchlief — und so ist es heute noch und wieder.

Ende 1915 verließ Wilhelm von Bulmerincq, das letzte deutsche Stadtoberhaupt
von Riga, seine Stadt — ausgewiesen. In Sibirien, später in Finnland, zuletzt in
Stettin hat er unermüdlich für seine Landsleute gewirkt. Aber Rigas deutsche
Geschichte war und blieb ununterbrochen. Die Zeit der bis dahin kaum bekannten
nationalen Verhetzungen hatte im ersten Weltkrieg begonnen. Das Dritte Reich,
das gerade im Osten für die Geltung des Deutschtums zu streben vorgab, zog den
vorläufigen Schlußstrich. Seither ertragen die Völker der baltischen Familie die
bittere Erfahrung, daß die nationale Zersplitterung der kleinen Völker in unserem
Jahrhundert gerade in die Tyrannis der Großen führt.

In Westdeutschland, in Amerika, zu Zehntausenden auch in Skandinavien warten
die deutschen Balten darauf, was das weitere Schicksal ihrer Heimat, der
Gründung ihrer Vorfahren, sein wird. (VDA)

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, April 1958

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