Option für die deutsche Reichsangehörigkeit.

Wie der Versailler Vertrag vom 28.06.1919 die Welt veränderte.
Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Neuordnung Europas.
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-sd-
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Option für die deutsche Reichsangehörigkeit.

Beitrag von -sd- »

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Nach Artikel 91 des Versailler Vertrags wird die polnische Staatsangehörigkeit
der deutschen Einwohner der an Polen abzutretenden Gebiete (Provinzen Posen
und Westpreußen) unter Verlust der Reichsdeutschen erworben. Lehnt Polen
den Antrag auf die polnische Staatsangehörigkeit ab, was häufig geschah, wurde
die Person staatenlos. Um demnach den Betroffenen die Möglichkeit zu geben,
nach "freier Willkür" sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, wurde
sowohl im Friedensvertrag für die Bevölkerung der abgetretenen Gebiete das
Recht zur Option für den Staat, der sie bisher angehörte eingeräumt. Absatz 3
des Artikels 91 lautet: 'Zwei Jahre lang nach Inkrafttreten des gegenwärtigen
Vertrags sind die über 18 Jahre alten deutschen Reichsangehörigen, die in
einem der als Bestandteile Polens anerkannten Gebiete ihren Wohnsitz haben,
berechtigt, für die deutsche Reichsangehörigkeit zu optieren.'

Da der Versailler Vertrag am 10. Januar 1920 ratifiziert worden war, lief die
Optionsfrist bis zum 10. Januar 1922.

Quelle: Hermann Rauschning
'Die Abwanderung der Deutschen aus Westpreußen und Posen nach dem
Ersten Weltkrieg. (1930).' Im Nachdruck herausgegeben von Wolfgang Kessler
(1988).

Am 9. Januar 1922 ist die Option für die deutsche Staatsangehörigkeit
von meinem Großvater, bis 1920 wohnhaft in Strelno, Kreis Hohensalza,
Provinz Bromberg, beim Regierungspräsidenten in Frankfurt a.O. eingegangen.
Er wohnte mit seiner Familie bereits seit zwei Jahren in Kirchhain N.L..

Peter Christel

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Wegen der Textübernahme angefragt.
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Re: Option für die deutsche Reichsangehörigkeit.

Beitrag von -sd- »

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Was passierte mit Deutschen, die nach 1919 im Kreis Gnesen blieben
als die Gegend polnisch wurde ? Behielten die ihre deutschen Namen
oder wurden die in polnische Schreibweise geändert ?



Etliche zogen nach Deutschland, weil sie nicht unter polnischer
Herrschaft leben wollten.

-

Entscheidend war nicht der Besitz, sondern die Staatsangehörigkeit.
Wollten sie die deutsche Staatsangehörigkeit behalten, dann haben
sie für Deutschland optiert und mußten Polen verlassen. Andernfalls
erhielten sie die polnische Staatsangehörigkeit.

Es gab auch noch andere Gründe für Ausweisungen. Wenn der Land-
besitz nach 1908 erworben wurde, mußten sie ebenfalls ausreisen.
Im Jahre 1908 trat ein Enteignungsgesetz in Kraft. Polnische Grund-
besitzer konnten gegen Entschädigung enteignet werden.

Gerda Matzke

Wer für das Deutsche Reich optierte, d. h. nicht die polnische
Staatsangehörigkeit annehmen wollte, mußte Polen verlassen.
Alle anderen wurden automatisch polnische Staatsbürger.

Ferner wurden Bauern ausgewiesen, die nach Inkrafttreten
des Enteignungsgesetzes im Jahr 1908 dort gesiedelt hatten.
Polen konnten gegen eine Entschädigung enteignet werden.
Das Enteignungsgesetz soll aber nur sehr selten angewandt
worden sein.

Staatsbedienstete hatten ihren Arbeitsplatz für polnische
Staatsbürger zu räumen, nachdem diese eingearbeitet waren.

Gerda Matzke

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05.08.2014

Wer sich mit der Materie weiter befassen möchte, dem empfehle ich das
1988 von Wolfgang Kessler neu herausgegebene Buch von Hermann
Rauschning 'Die Abwanderung der Deutschen aus Westpreußen und
Polen nach dem ersten Weltkrieg', ( Untertitel: "Ein Beitrag zur Geschichte
der deutsch-polnischen Beziehungen 1919 -1929
und "Die Entdeutschung Westpreußens und Posens" ). Berlin 1988.

Gerhard Huß

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Die Option für die deutsche Staatsangehörigkeit war im Versailler Vertrag
geregelt http://www.versailler-vertrag.de/vv3a.htm#38 und hier in Artikel
91. Das heißt, daß alle Einwohner in denen von Deutschland an Polen ab-
zutretenden Gebieten automatisch polnische Staatsbürger wurden, es sei
denn, sie nahmen die im Versailler Vertrag festgelegte Option an, die deut-
sche Staatsangehörigkeit zu wählen.

Es steht also nichts im Versailler Vertrag, daß sie die Republik Polen zu
verlassen hatten. Es gab aber später ein polnisches Gesetz hierzu, das
genau dies festschrieb. Die Optanten für Deutschland hatten Polen bis
1925 zu verlassen. Leider habe ich keine Quellenangabe zu diesem Gesetz,
lediglich meine Erinnerung.

Aus den verschiedensten Gründen haben nicht alle dieses Gesetz befolgt.
Es gab nach 1925 dann einen Vertrag zwischen Deutschland und Polen,
nach denen Optanten für Deutschland weiter in Polen bleiben konnten.
Auch hierfür habe ich keine Quelle.

Es fand in der Provinz Posen keine Volksabstimmung statt wie oft fälsch-
licherweise behauptet wird. Volksabstimmungen gab es nur in Oberschlesien
und in Teilen von Ost- und Westpreußen.

Einwohner von Posen konnten auch nicht für Polen optieren, denn man
war ja automatisch polnische Staatsbürger. Für Polen konnte man nur
optieren, wenn man im Deutschen Reich in den Grenzen nach 1920 lebte.

Peter Pankau

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