Noch über 340.000 Menschen in mehr als 2.500 Lagern.

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Noch über 340.000 Menschen in mehr als 2.500 Lagern.

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Noch über 340.000 Menschen in mehr als 2.500 Lagern
in der Bundesrepublik untergebracht
.

Von Oberregierungsrat Dr. Lothar Wieland,
Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte

Auch heute noch sind in der Bundesrepublik über 340.000 Menschen in mehr als 2.500 Lagern
untergebracht. Die Unterhaltung dieser Lager obliegt als Kriegsfolge zum weitaus größten Teil
dem Bund. Neben diesen - wie sie vor allem in Süddeutschland genannt werden - staatlichen
Lagern finden wir überall noch lagerähnliche Massenunterkünfte, Elendsquartiere in Baracken
und Bunkern, die aus mancherlei Gründen nicht in den vom Gesetz für die hoheitliche Betreu-
ung festgelegten Rahmen passen, von Gemeinden und Betrieben unterhalten werden und die
Zahl der Lagerinsassen noch beträchtlich erhöhen. Davon abgesehen sind die baulichen und
hygienischen Verhältnisse gerade dieser Notunterkünfte in den meisten Fällen weitaus schlim-
mer als die der staatlich geleiteten Lager.

Es sollte nicht übersehen werden, daß sich seit den Jahren der Vertreibung vieles zum Besseren
gewendet hat. Umsiedlung, Wohnungsbau, Arbeitsplatzbeschaffung, berufliche Eingliederung
und nicht zuletzt die Selbsthilfe der vitalen Elemente haben nach der Währungsreform, wenn
auch nicht die Zahl der Lager, so doch die Zahl der Lagerinsassen beträchtlich gesenkt. Eine
fühlbare Besserung war in den Jahren nach 1950 durch planmäßige staatliche, vorwiegend
von der Initiative der Länder, getragene Maßnahmen zur Auflösung von Lagern zu verzeich-
nen. Nur wenige Beispiele mögen dies veranschaulichen: Schleswig-Holstein konnte die Zahl
der Lager vom 1. April 1950 bis zum 1. Januar 1954 von 728 auf 541, und die der Lager-
insassen von rd. 124.000 auf rd. 70.000 verringern. In Bayern ließ sich der damalige Staats-
sekretär für Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge und jetzige Bundesminister
Professor Dr. Oberländer die Lagerräumung besonders angelegen sein. So sind hier von
562 Lagern mit rd. 106.000 Insassen im Jahre 1949 heute nur noch 161 Lager mit rd.
33.000 Bewohnern vorhanden. Auch vom Bund wurde diese Entwicklung - wenn wir hier von
der finanziellen Beteiligung des Bundes an der Umsiedlung und dem sozialen Wohnungsbau
absehen - im Jahre 1952 durch Bereitstellung von Darlehen und Zuschüssen für den Bau von
Wohnungen für Lagerinsassen gefördert. Auf eine weitere Zahl sei hingewiesen: Seit der
Volkszählung vom 13. September 1950 sind bis zum 1. April 1954 wiederum 568.589 Ver-
triebene und 686.925 Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone, also insgesamt
1,25 Millionen Personen in die Bundesrepublik gekommen. Die Zahl der Lagerinsassen
aber hat sich nur um 66. 000 (5 v.H.) erhöht.

Die weitverbreitete Annahme, daß die heutigen Lager durchweg der Unterbringung von
Vertriebenen dienen, ist daher in dieser Verallgemeinerung unzutreffend. Unter den zu
Ende des Jahres 1953 gezählten rd. 338.000 Insassen von Durchgangs- und Wohnlagern
(die Grenzdurchgangs- und Auswanderungslager können hier und in unserer Besprechung
überhaupt als durchaus anders zu beurteilende Institutionen völlig außer Betracht bleiben,
während die nicht obrigkeitlich geleiteten „Lager" zahlenmäßig kaum jemals eindeutig
erfaßt werden können) befanden sich nur rd. 188.000 Vertriebene, 67.000 Evakuierte
und aus der Sowjetzone Zugewanderte. Dazu kommen 39.000 heimatlose Ausländer,
während sich hinter dem Rest von rd. 44.000 Personen eine kaum einheitlich deutbare,
sicherlich stark differenzierte Gruppe von Menschen verbirgt.

Diese übersichtliche Gliederung darf nicht dazu verleiten, eine Homogenität der Bewoh-
nerschaft der heutigen Wohnlager anzunehmen. Die soziale Struktur in den einzelnen
Lagern ist sehr unterschiedlich und von zahlreichen zufälligen, vor allem örtlich beding-
ten Umständen abhängig. So finden wir neben Lagern mit vorwiegend arbeitsfähigen
und berufstätigen Erwerbspersonen solche in Gebieten mit struktureller Arbeitslosigkeit
und dementsprechender hoher Zahl ohne Arbeit und Verdienst dahinvegetierender
Menschen; in anderen wieder liegt der Anteil nicht mehr erwerbstätiger, mit ihrem
Unterhalt auf Renten und Pensionen angewiesener Personen weit über dem Durchschnitt;
manchmal bevölkern verhältnismäßig viele alleinstehende Personen das Lager, in ande-
ren wieder fällt die hohe Zahl auswärts arbeitender Ernährer auf, so daß von einer
echten Familiengemeinschaft nicht mehr gesprochen werden kann.

Ein besonderer, zudem auch fiskalisch bedeutsamer Umstand kam dem Entschluß, ener-
gische Schritte in der Lagerauflösung zu unternehmen, sehr zustatten. Länger als ihrer
höchsten Lebensdauer angemessen in Benutzung, drohen viele Lagerbaracken und Behelfs-
bauten buchstäblich auseinanderzufallen. Sie weiterhin noch von Menschen bewohnen zu
lassen, ist nicht nur unzumutbar, sondern einfach technisch nicht mehr möglich. Sie durch
Neubauten gleichen Charakters zu ersetzen, wäre aus sozialpolitischen Gründen abzulehnen,
wirtschaftlich aber - den chronischen Geldmangel unserer öffentlichen Haushalte in Rech-
nung gestellt - nur dann verständlich, wenn es sich um eine besonders billige Maßnahme
handelte. Daß Baracken jedoch im Grunde nicht billig, ja sogar besonders kostspielig sind,
erhellt eindeutig aus der Tatsache, daß auch die Instandsetzung der verfaulenden Baracken
einen unwahrscheinlich hohen, zudem sehr unwirtschaftlichen Aufwand erfordert.

Die Überlegung, einen Teil der für Lagerzwecke im Bundeshaushalt bereitgestellten Mittel
nicht mehr für Einrichtungen von höchst zweifelhaftem Wert, sondern weitaus produktiver
für den Bau von Wohnungen zu verwenden, lag dem Vorschlag des Bundesvertriebenen-
ministers zu Grunde, zunächst 30 Millionen DM für die wohnungsmäßige Unterbringung
von etwa 30.000 Lagerbewohnern zu verwenden; ein Vorschlag, dem der Bundesfinanz-
minister in der Erwartung entsprechender Ersparnisse bei Lagererhaltung zustimmte.
Es wird nun Sache der beteiligten Stellen (auch die Mitwirkung der Verbände der freien
Wohlfahrtspflege ist vorgesehen) sein, möglichst unbelastet von einem starren und daher
für die gegebenen besonderen Verhältnisse nicht brauchbaren Schema ein Programm nicht
nur zu entwickeln, sondern auch in einem Tempo durchzuführen, das vielleicht nicht den
Gepflogenheiten, aber umso mehr dem einmaligen Charakter der gestellten Aufgabe ent-
spricht.

Quelle: OSTPREUSSISCHE NACHRICHTEN, Folge 9, September 1954

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