Servus - als Berufsbezeichnung ?

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Servus - als Berufsbezeichnung ?

Beitragvon -sd- » 14.01.2021, 19:18

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Am 12.01.2021 schrieb Sonja Gehrmann via OW-Preussen-L:

Im Kirchenbuch Eckersdorf fällt mir heute der Begriff SERVUS auf.
Bei einigen Taufpaten vor 1800 steht dabei, daß als Stand Servus
eingetragen wurde. Google übersetzt mir den Begriff als SKLAVE.
Ist das wirklich so, waren das Sklaven ? Wie muß ich mir das
vorstellen, von wem sind sie Sklaven ? Auch bei einem meiner
Vorfahren steht Servus dabei.


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Nils Kowalewski [ foerster.owp@gmail.com ] schrieb:

Die Bedeutung servus als Sklave findet man zwar so im Stowasser,
sie paßt aber nicht direkt zu den angesprochenen Kirchenbucheinträgen.

In den preußischen bzw. ost-elbischen Gebieten kann der Begriff "servus"
gelegentlich als Leibeigener übersetzt werden (die Leibeigenschaft
war erst zwischen 1807 und 1810 sukzessive durch die Stein-Hardenberg'
schen-Reformen abgeschafft worden).

In anderen Gegenden kannst Du servus mit Knecht, Knappe, Diener oder
auch Beamter ("losungi servus") übersetzen.

Quelle: Wilhelm Weidker/Paul Grun: Latein für den Sippenforscher,
Görlitz 1939, S. 157.

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Gerne kannst Du meinen Text für die Seite AHNEN-NAVI benutzen. Nils

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Natürlich hat der Begriff mehrere Bedeutungen. Hier würde ich aber die
alte Bezeichnung für "Diener, Sklave" sehen wollen.
servare=dienen u.a. --> dt. servieren

Hubert
http://www.hubert-woelky.de

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Ich stimme zu, daß das Wort Servus der lateinischen Sprache angehört und daher
früher nur mit Sklave, später Diener übersetzt wurde. Lateinische Übersetzungen
in anderen Sprachen kann jedoch nicht immer so wörtlich übersetzt werden, sondern
es muß immer auch einen Sinn ergeben. Sollte mit 'Servus' der Beruf gemeint sein,
würde es bei uns heute z.B. ein Landarbeiter (damals Ackerknecht) usw. sein. Ich
habe jedoch Latein in der Schule gelernt und uns wurde beigebracht, daß servus
auch bei Übersetzungen mit "ich bin Dein Diener" oder "zu Deinen Diensten" über-
setzt wird und finde, daß es bei einer Taufe als Begrüßung paßt. Oder werden in
diesem Kirchenbuch die verschiedenen Stände auch lateinisch aufgeführt ? Dann
könnte es sich um einen Diener oder auch um einen Knecht handeln. Ist dies nicht
der Fall, würde ich aufgrund der Tatsache (Taufe) meinen, daß das Wort „servus“
frei mit "Diener des Täuflings" als ein Willkommensgruß zu übersetzen ist, zumal
ich nicht weiß, im welchem Jahr diese Taufe stattfand. Es ist heute völlig unwichtig,
was das Wort einer längst (fast) toten Sprache einmal bedeutete. Wichtig wäre, zu
wissen, was der Kirchenbuchschreiber mit der lateinischen Übersetzung servus beab-
sichtigte, wenn die anderen Stände nicht auf Lateinisch im Buch stehen.

Auch der Papst wird als Diener Gottes bezeichnet: Servus Dei. Er selbst bezeichnet
sich auf Deutsch als Diener, "der Diener Gottes“.

Ein jeder muß nun selbst entscheiden. Wir werden es wahrscheinlich nur mit dem
Kirchenbuch klären können.

Renate Bruhn, Kiel

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Ich bin damit einverstanden. Renate Bruhn

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Eine Hilfe bei ähnlichen Fragestellungen bietet das GenWiki von Compgen:

http://genwiki.genealogy.net/Lesen_von_Kirchenbuchdaten

Unter 1.12 Berufsangaben findet man unter "Servus" die Erklärung "Diener, Knecht".

Freya Rosan

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Leibeigen / Leibeigenschaft / Erbuntertan.

Obwohl in manchen historischen Perioden und in manchen Regionen die
Situation eines Leibeigenen der eines Sklaven nahe kam, gibt es zwischen
beiden doch deutliche Unterschiede:

Die Pflichten eines Leibeigenen gegenüber seinem Herren waren klar
definiert und begrenzt. Ein Leibeigener durfte Besitz (ausser Immobilien)
haben. Der Herr hatte auch Pflichten gegenüber dem Leibeigenen (Schutz).

In Deutschland und Europa war der Status von Leibeigenen in den ver-
schiedenen Gebieten sehr unterschiedlich. In Pommern, Ostpreußen
und Mecklenburg herrschten die strengsten Formen der Leibeigenschaft
in Deutschland. Im deutschen Südwesten hatten Leibeigene mehr Rechte.
So konnte nach einer Quelle (die mir leider entfallen ist) angeblich ein
leibeigener Bauer sogar landtagsfähig sein (was aber wohl noch zu über-
prüfen wäre). Der Besitzanspruch an Sklaven dagegen war total.

In Pommern (Preußen) wurde die Leibeigenschaft 1807 abgeschafft.
Bis zu einem gewissen Grad eine moderne Form der Leibeigenschaft
waren die landwirtschaftlichen Kollektivwirtschaften (Kolchosen),
so auch im kommunistischen Pommern.

Die Sklaverei wurde in den Südstaaten der USA erst 1861 abgeschafft.
Moderne Formen der Sklaverei existieren bis in unsere Zeit (z.B. Zwangs-
arbeit von nach dem Krieg verschleppten Pommern in der Sowjetunion,
auch die "Verdingkinder" in der Schweiz und im deutschen Allgäu bis
Mitte des 20. Jahrhunderts muß man wohl in vielen Fällen als de facto
Sklaven anschauen).

Deutsche Synonyme (allerdings heute ungebräuchliche) für "Leibeigener"
sind "Eigener, Eigenbehöriger, Halseigener, Bluteigener, Gutseigener,
Eigenarmer" (Quelle: Brockhaus 1838). "Höriger" und "Erbuntertan"
kommen "Leibeigener" zwar nahe, unterscheiden sich jedoch in der
Bindung der Pflichten.

Im Englischen findet man mehrere noch gebräuchliche Begriffe:
bond-man, bond-serf, bond-slave, adscript serf ...

Heinz Radde
http://grosstuchen.cwsurf.de/
http://memorials.cwsurf.de/

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Natürlich bin ich einverstanden. Heinz Radde
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