Wir wurden von der 'GUSTLOFF' gerettet !

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Wir wurden von der 'GUSTLOFF' gerettet !

Beitragvon -sd- » 08.12.2016, 16:52

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"Wir wurden von der 'GUSTLOFF' gerettet !" Eine Mutter sah nur ihre Kinder
Ein Augenzeugenbericht vom Untergang des Flüchtlingsschiffes.

In der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945 sank in der Ostsee auf der Höhe
von Stolpmünde, etwa zwanzig Seemeilen von der Küste entfernt, nach drei
Torpedotreffern eines sowjetischen U-Bootes der 26.000-Tonnen-Dampfer
'Wilhelm Gustloff'. Er nahm etwa 4.500 Flüchtlinge aus Ost- und Westpreußen
sowie Verwundete aus Wehrmachtslazaretten mit sich in die Tiefe. Nur wenige
hundert Menschen überlebten diesen grauenhaften Schiffsuntergang.

In Oldenburg lebt eine aus Elbing stammende Mutter mit ihren drei Kindern,
die eine der wenigen Überlebenden der Gustloff-Katastrophe ist.

Schon die überstürzte, kopflose Evakuierung aus Elbing am 24. Januar 1945
mit dem anschließenden Fluchtweg bis Danzig war für eine Mutter mit drei
kleinen Kindern von kaum zwei, drei und fünf Jahren eine Kette von Sorgen
und Schrecken. Aber noch gab man sich einer selbsttrügerischen Hoffnung und
einem fadenscheinigen Sicherheitsgefühl hin, weil man noch nicht begreifen
konnte, was hier an der Weichsel begann.

Zum ersten Mal ließ der nächtliche Fliegerangriff auf Danzig am 26./27. Januar
1945 die Kinder unruhig werden, und das mütterliche Bangen wurde noch
verstärkt durch die Ungewißheit um das Schicksal des wenige Tage zuvor
einberufenen Ehemannes. Quälende Unruhe trieb weiter, nach Gotenhafen, wo
bergende Schiffe abgehen sollten. Zehntausende hofften auf sie. Es schien
aussichtslos für eine Frau, die brodelnde, gärende Menschenmasse, die bei
Schneesturm und Eiseskälte die Kaianlagen füllte, zu überwinden, geschweige
denn auf eines der wenigen Schiffe zu gelangen. Aber das Elendshäufchen der
frierenden, weinenden Kinder ließ Soldaten aufmerksam werden, und ehe die
Mutter noch ihr Glück begriffen hatte, war sie am Sonntagnachmittag auf
der 'Gustloff' eingeschifft, die zwei Tage vor ihrer Abfahrt noch keineswegs
überbelegt schien.

Kabine 14 nahm Mutter und Kinder auf, umgab sie trostlos mit Sauberkeit und
Wärme. Eine werdende Mutter war die Kabinengenossin. Die Frauen fühlten
sich geborgen in der Ordnung des Schiffslebens. Sie sahen nicht viel von der
wachsenden Überfüllung mit neuen Fahrgästen. Die Lautsprecherdurchsagen in
den Decks und auf den Gängen über das Verhalten der Fahrgäste bei Alarm -
Anlegen der Schwimmwesten und bekleidet schlafen - waren wohl ein wenig
unheimlich und ließen bange Ahnungen aufsteigen. Aber die Mehrzahl der
Menschen um sie her war glücklich, einen Schiffsplatz erobert zu haben und
gab sich betont sorglos. Das beruhigte wiederum.

Als die 'Wilhelm Gustloff' am Spätnachmittag des 30. Januar 1945 auslief,
befanden sich über 5.500 Personen an Bord. Frau Sch. hatte Ihre Kinder ange-
kleidet auf den Schwimmwesten in eine Koje gelegt; sie selbst hatte sich
auf einem Sofa ausgestreckt. Ohne Unruhe lauschte sie auf das gleichmäßige
Geräusch der Maschinen. Kurz nach 21 Uhr ging ein dumpfer Schlag durch das
Schiff, und das Licht erlosch. Sekunden später folgte ein zweiter Einschlag,
und auf den Gängen war Lärm zu hören. Instinktiv war die Mutter aufge-
sprungen, hatte mit fliegenden Händen ihre Kleinen hochgerissen und
brachte deren Kleidung in Ordnung, griff schon nach Mantel und Decken,
ehe noch der dritte Einschlag spürbar war. In dem anschwellenden Lärm auf
den unteren Decks stürzte sie auf den Gang, in dem vom Luftdruck zersplit-
terte Scherben und abgerissene Gegenstände lagen. Das Licht brannte wieder.
Der Boden neigte sich leicht, sie stolperte oft, ehe sie die Treppe erreichten.
Mit dem Kleinsten auf dem Arm, die anderen Kinder an der Hand, folgte die
Mutter nur dem Trieb, an Deck zu gelangen.

Sie waren unter den ersten Fahrgästen auf dem Bootsdeck. Leicht legte sich
das Schiff nach Backbord. Es war für die Frau schwierig, auf den vereisten
Planken zur erhöhten Steuerbordreling zu gelangen. Mehrfach stürzte sie,
zerschlug sich die Knie. Ein Wunder, daß die Kinder nicht weinten. Jetzt
stand sie mit ihnen an der Reling. Ein junges Mädchen war neben ihr und half
ihr bei den Kleinen, die zu jammern begannen. Der Kleinste hatte die Schuhe
verloren, die Mäntel der anderen waren zu ordnen. Hinter ihnen aber begann
die Hölle zu toben.

Menschen in wahnwitzigem Schrecken drängten und schrien. Halbbekleidet, mit
irren Augen, schreiend, tobend, einer den andern mit Gewalt zurückdrängend.
Frauen, Kinder, Soldaten, Verwundete mit blutigen, abgerissenen Verbänden
nahm ihr Blick wahr. Ein brüllender Mann mit verzerrtem Gesicht suchte sie
von der Reling fortzureißen. Sie spürte nicht die Anstrengung, mit der sie sich
um das Gestänge klammerte. Sie war ruhig, seltsam und unwirklich ruhig und
sah nur auf den Kleinen, der sich verängstigt an sie schmiegte, auf die Kinder,
die ihr Körper schützte. — Waren es Minuten ? — Da hing das Boot vor ihnen
frei in den Davits. Kommandos suchten durchzudringen. Das Heulen der angst-
gepeinigten Masse um sie, ihr Schlagen, Drängen, Beißen vernahm sie kaum.
Sie reichte einem der Männer im Boot ihren kleinen Erwin hinüber, andere
Hände packten Jutta und Gert, dann war sie selbst im Boot, neben den Kindern.
Wie sie diese auf dem Bootsboden eingehüllt hatte, blieb ihr immer unklar.
Aber deutlich hörte sie das scharrende Geräusch, mit dem das Rettungsboot
an der Bordwand entlang schleifte. Die Schlagseite zwang die Männer, mit
aller Kraft das hinabgleitende Boot vom Schiffsrumpf abzudrücken.

Sie schwammen ! Trieben fort vom dunklen Schiff. Es war starker Seegang,
und das Schlingern des Bootes war ihr unangenehm. Sie hielt die Kinder um-
schlungen und sah nach der 'Gustloff', an deren geneigter Wand Menschen
klebten wie Käfer. An Tauen ließen sie sich herab, schwammen im eisigen
Wasser. Und über diesem, nur in verworrenen Einzelbildern in ihrem Gedächt-
nis haftenden Eindruck lag eine Wolke von schrillem, durchdringendem
Geschrei, das der Sturm zerriß, stiegen vom Vorschiff Leuchtkugeln in den
Himmel ohne Sterne.

Ein paarmal trieben Schlauchboote vorbei, gefüllt mit dunklen Menschenknäueln.
Für Augenblicke glaubte sie auch entfernt ein zweites Rettungsboot zu sehen.
Sie hörte Kinderstimmen aus dem Wasser jammervoll nach der Mutter rufen,
sah Menschen auf ihr Boot zuschwimmen, Hände, die nach dem Bootsrand griffen
und sich wieder lösten. Vor ihr zogen sie einige ins Boot. Ein Mann rückte von
einer wassertriefenden Person ab und zog eine Decke um sich. Gurgelnde Hilfe-
schreie der sich an den Bootsleinen Haltenden erstarben. Für lange Zeit war ihr
Auge gebannt von zwei Händen, deren Finger in den Bootsrand gekrallt waren,
seltsam verbogene Hände. "Nur ein Riemen an Bord", hörte sie einen Mann sagen.
Da wußte sie, daß ihr Boot nicht rudern konnte, doch es berührte sie nicht.

Was empfand sie überhaupt ? — Hatte sie Furcht ? — In jenen Stunden des
Grauens wußte sie es nicht, weiß es auch heute noch nicht. — Ganz sicher
hat sie schon an der Reling kein Bewußtsein einer drohenden Gefahr gehabt,
hatte es auch im Boot nicht. In ihr war eine Stille, ein Abgewendetsein von
allen Todesschauern umher, daß sie sich selbst fremd erschien. In ihr waren
alle Sinne gespannt, als ob sie jeden Moment handeln müsse. Sie hatte vom
Augenblick des Einschlags nur dem inneren Drange gehorcht, mechanisch,
instinktiv, hatte nur alle Gedanken auf die Kinder gerichtet und nicht
Todesschrecken, Grausen, Eiseskälte und Nässe gefühlt.

Da lagen die Kinder eng aneinander, ruhig schlafend unter den Decken, fern
allem tausendfachen Tod umher und ihm doch noch so nahe. Da sie die Kinder
geborgen wußte, fühlte sie auch wieder das Schlingern und Stampfen des
treibenden Bootes physisch unangenehm, bis zur Übelkeit.

Wie lange sie trieben, eine oder mehrere Stunden ? — In der Frau war kein
Empfinden dafür, selbst die Zahl der Bootsinsassen, 25 oder 35, ist ihr nie
deutlich geworden. Auf der "Gustloff" brannten plötzlich wieder die Lichter.
Zugleich hörte sie ein Krachen — Wasserbomben, die nach dem U-Boot geworfen
wurden - und die von diesen Explosionen sich dem Boot mitteilenden
Erschütterungen ließen sie ein erstes Schreckgefühl empfinden.

Unauslöschlich, mit fotografischer Genauigkeit haben sich die letzten Augen-
blicke des untergehenden Schiffes in die Seele dieser Frau gegraben. Sie sah
die "Wilhelm Gustloff" sich zur Seite neigen, dreimal heulte schaurig ihr Nebel-
horn, dann ging sie kenternd, mit emporreckendem Bug unter. Auf der Spitze
noch einige Menschen, die die Wellen fortspülten. Ein Wasserschwall, und
nichts mehr als Stille und Dunkelheit.

Im Boot fiel selten ein gedämpftes Wort. Die zusammengekauerten Gestalten
bewegten sich kaum. Als der erste Scheinwerfer aufblitzte, — kein anderes
Schiff hatten sie bisher bemerkt —, riefen sie im Chor um Hilfe.

Die Kinder schliefen zu Füßen ihrer Mutter, friedlich und warm. Sie hatten,
aus dem Schlaf gerissen, die letzten Stunden nur schlaftrunken, wie im
Traume durchlebt und wußten nichts von Gefahr und Tod.

Im grauenden Morgen war ein Torpedoboot dicht neben ihnen. Auch ein zweites
Boot von der "Gustloff" ruderte heran. Es war beschwerlich und nicht gefahrlos,
bei dem schweren Seegang die Schiffbrüchigen zu bergen. Frau Sch. hielt nach-
einander ihre drei Kinder den sich entgegenreckenden Händen hin, wußte sie
nun ganz in Sicherheit. Stand selbst auf den eisglatten Decksplatten. Als sie im
Mannschaftslogis Wärme, Fürsorge, menschliches Bemühen fühlte, wich auch
die Starre von ihr, kam die Reaktion als schwerer Ausbruch aller zurückgedräng-
ten Gefühle. Das war entsetzlich, aber auch wie erlösend.

In Kolberg gelandet, mit der notwendigsten Bekleidung versehen, auf den
weiteren Weg nach Westen gebracht, verklang die Erregung der Schreckens-
nacht in dem Totentanz der letzten Kriegsereignisse bald. — Gottlob, die Kinder
hatten keinen Schaden gelitten. Nicht einmal eine Erkältung behielten sie
zurück.

Gnadenreich hatte eine höhere Macht Mutter und Kinder bewahrt. Vier Menschen
waren von der 'Gustloff'-Katastrophe gnädig errettet. Vier von den wenigen
hundert Geretteten. Wer spricht heute noch von ihnen ? Wer überdenkt die
grauenvolle Tragik nicht nur der 4.500 Opfer dieses einen Schiffsuntergangs,
sondern der mindestens 20.000 Menschen, die mit den Flüchtlingsschiffen aus
Ost- und Westpreußen vor fünf Jahren untergingen ?

Dr. Max Krause

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Am 10. Februar 1945 ging, ebenfalls vor der pommerschen Küste, 'General
Steuben' unter, etwa 2.700 Menschen ertranken. Die größte Katastrophe war
der Untergang der 'Goya' vor Pommern am 17. April 1945; von 7.000 Menschen,
die sich an Bord befanden, konnten nur 170 gerettet werden.

Wir bitten Überlebende dieser beiden Katastrophen, ihre Anschriften
mitzuteilen der Schriftleitung von 'WIR OSTPREUßEN'
(24a) Hamburg-Bahrenfeld, Schließfach 20.

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Die Rettung über See. 2,2 Millionen Menschen brachten Handels-
und Kriegsmarine 1945 aus dem deutschen Osten in Sicherheit
.

Von Herbert G. Marzian, Göttingen.

Wenn in diesen Wochen die Gedanken immer wieder zu den Geschehnissen
vor zehn Jahren in den deutschen Ostgebieten zurückwandern, dann kommt
auch das große Hilfswerk in Erinnerung, in welchem Matrosen der Handels-
und Kriegsmarine in tapferem und unermüdlichem Einsatz etwa 2,2 Millionen
Menschen – Zivilbevölkerung und Soldaten – das Leben retteten. Während es
sich bei den Transporten aus den baltischen Häfen um Teile der dort abge-
schnittenen Truppen handelte, wurden in Pillau, den Häfen der Danziger
Bucht und der ostpommerschen Küste vorwiegend die sich dort stauenden
Flüchtlinge aufgenommen und nach westlichen Ostseehäfen der deutschen
Küste oder Dänemarks gebracht. Die beteiligten Einheiten der Kriegsmarine
– meist Zerstörer, Torpedoboote, Minensuchboote, Prähme usw. – nahmen
Zivilbevölkerung an Bord und brachten diese in kürzeren Fahrten wenigstens
in noch sichere Häfen. In ständigem Pendelverkehr fuhren Schiffe aller
Größenklassen der Handelsmarine zwischen Ost und West, unter ihnen
Dampfer so bekannter Reedereien wie Norddeutscher Lloyd aus Bremen,
Hapag aus Hamburg, aber natürlich auch vieler anderer Reedereien aus
Bremen, Hamburg, Kiel, Rostock, Wismar, Stettin und Königsberg. Die Ver-
schiffungen mußten häufig bei Fliegerangriffen und auch Artilleriebeschuß
durchgeführt werden.

Allein über den Hafen Pillau wurden in der Zeit vom 25. Januar bis Ende
April – am 25. April fiel der Hafen in sowjetische Hand – etwa 451 000
Menschen gerettet. Dabei mußten die Seetransporte etwa drei Wochen
im Monat März eingestellt werden, da die verfügbare Tonnage in den
Danziger Häfen, die vom Feinde bedrohter waren, benötigt wurde. Außer-
dem setzte die Marine mit Prähmen von Pillau nach Neutief über der
Frischen Nehrung im gleichen Zeitraum noch 180.000 bis 200.000 Menschen
über, welche dann die schmale Nehrung bis in den Danziger Raum hinunter-
zogen, von wo sie den bis Anfang März passierbaren Landweg nach Westen
benutzten oder mit einem Schiff abtransportiert werden konnten. Viele
von ihnen wurden aber in Ostpommern von den vorbrechenden sowjeti-
schen Panzerspitzen überrollt oder abgeschnitten, woraufhin eine teil-
weise Rückwanderung in den noch freien Danziger Raum einsetzte.

Hier in Danzig, Gdingen, der Weichselmündung und auf Hela, befand sich in
den Märzwochen knapp eine halbe Million Menschen. Täglich legten Schiffe ab,
aber immer neue Flüchtlingsströme kamen hinzu. Von Ende Januar bis Ende
April wurden 900.000 Menschen über See abtransportiert (in dieser Zahl sind
die Abtransporte aus ostpommerschen Häfen, welche aber nur einen kleineren
Prozentsatz ausmachten, einbegriffen). Als am 22. März die Landverbindung
zwischen Danzig und Gdingen durch einen sowjetischen Vorstoß abgeschnitten
war, konnte unter dem Artillerieschutz des schweren Kreuzers 'Prinz Eugen'
das Rettungswerk aus Gdingen noch einige Tage lang fortgesetzt werden.

Nach dem Fall von Danzig und Gdingen Ende März blieb bis zur Kapitulation
noch die Halbinsel Hela letzter Verladepunkt für Flüchtlingstransporte. Von
Oxhöft bei Gdingen, von Schiewenhorst an der Weichselmündung, aber auch aus
Kahlberg und Pillau trafen unablässig Kähne und Prähme mit Flüchtlingen ein:
Im März waren es über 100.000, im April stieg der Abtransport auf 265.000
Menschen. Trotz schwerer Luftangriffe und auch Artilleriebeschuß wurden
allein im April 387.000 Menschen abtransportiert. Am 6. Mai verließen die
letzten Schiffe mit über 40.000 Soldaten und Flüchtlingen Hela. Am Tage der
Kapitulation befanden sich noch 60 000 Menschen – vorwiegend Soldaten – auf
der Halbinsel
.

Unter den ostpommerschen Häfen sei noch das historische Kolberg genannt, in
dem sich am 7. März, als die Stadt beiderseits eingeschlossen wurde, noch etwa
80.000 Menschen befanden. Der hartnäckige Widerstand der Besatzung ermög-
lichte es, daß bis zum Fall der Stadt am 18. März insgesamt 70.000 Menschen
über See abtransportiert werden konnten.

Aber diese große Transportaktion mußte mit schweren Verlusten an Menschen
und Schiffen bezahlt werden. Der Name 'Wilhelm Gustloff' ist ein Symbol
geworden für den erbarmungslosen Kampf der gegen diese Schiffe mit U-Booten
und aus der Luft geführt wurde. Insgesamt gingen 73 Schiffe mit 330 269 BRT
verloren. Die Zahl der dabei ums Leben gekommenen Flüchtlinge läßt sich
nicht mehr angeben. Allein bei dem Untergang der vor Stolpmünde am
30. Januar 1945 von einem sowjetischen U-Boot torpedierten 'Wilhelm Gustloff'
waren es über 5.000 Menschen. Der Lloyd-Dampfer 'Steuben' nahm am 10. Februar
1945 fast an derselben Stelle etwa 3.000 Menschen in die Tiefe, und das
Motorschiff 'Goya' riß am 16. April 1945 – ebenfalls vor Stolpmünde torpediert
– fast 7.000 Menschen in den Wassertod. So waren es vor Stolpmünde drei
Schiffe mit 47.144 BRT, in der Danziger Bucht 21 Schiffe mit 48.555 BRT.

Allein in der ersten Maiwoche, als die Kapitulation sich schon abzeichnete
und sogar teilweise bereits eingeleitet war, wurden in der Kieler Bucht,
im Fehmarn-Sund und dem Großen Belt noch weitere 16 Schiffe mit 80.134
BRT durch alliierte Luftangriffe versenkt, unter ihnen auch Schiffe, welche
KZ-Häftlinge nach Westen transportierten. Noch nach der Kapitulation
versenkte ein sowjetisches Flugzeug die 'Lieselotte Friedrich' am 9. Mai
1945 vor Bornholm, die mit Flüchtlingen überladen war.

Im Inferno der letzten Kriegswochen haben so zielbewusst und pflichttreu
handelnde Matrosen und Offiziere Millionen Menschen das Leben gerettet.
Wie wir heute wissen, hatte der in der ersten Maiwoche durchgeführte Versuch
des Großadmiral Dönitz, vorerst nur Teilkapitulationen der militärischen
Verbände gegenüber dem wesentlichen Gegner zu erreichen, vor allem das Ziel,
Zeit zu gewinnen, damit so viele Flüchtlinge aus dem Osten wie möglich zu
Lande oder über See die dem deutschen Oberkommando bekannte zukünftige
Demarkationslinie zwischen der sowjetischen und den westlichen Zonen
überschreiten könnten. In seiner Rundfunkansprache am 1. Mai sagte der
Großadmiral: "Meine erste Aufgabe ist es, deutsche Menschen vor der Ver-
nichtung durch den vordrängenden bolschewistischen Feind zu retten.“ Und
der am 7. Mai an alle Befehlshaber abgesetzte Funkspruch, welcher die
Benachrichtigung von der Gesamtkapitulation enthielt, wies in seinem letzten
Absatz die Befehlshaber in Kurland und Ostpreußen an, bis zum Eintritt der
Waffenruhe alle Möglichkeiten zum Abtransport über See unter äußerster
Anspannung aller Kräfte auszunutzen. Durch diese Maßnahmen konnten – nach
Schätzungen – noch in der ersten Maiwoche etwa 2,5 Millionen der Zivil-
bevölkerung und mehr als 400.000 Soldaten westliche Linien erreichen.

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13.500 Tote in den Dünen bei Baltijsk / Pillau.

Einer der größten Soldatenfriedhöfe auf dem Gebiet des früheren Ostpreußen
liegt in den Dünen bei Baltijsk / Pillau. 13.500 Tote des Zweiten Weltkriegs,
unter ihnen auch viele Opfer der Schiffskatastrophe der 'Wilhelm Gustloff',
haben dort ihre letzte Ruhestätte gefunden.

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Folge 39 vom 24.09.1955

Wilhelm Gustloff gehoben. Noch Hunderte von Leichen im Wrack.

Das Wrack des ehemaligen deutschen Passagierschiffes 'Wilhelm Gustloff',
wurde von Marine- und Bergungskommandos gehoben. Es soll auf Grund
gesetzt und in Swinemünde abgewrackt werden.

Diese knappe Meldung findet man in der polnischen Fachzeitung für Binnen-
schiffahrt, Zagluga na Odrze. Das schlamm- und algenbedeckte Wrack des
einstigen deutschen Urlaubsschiffes sei nach monatelangen schwierigen
Bergungsversuchen endlich aus den Fluten der Ostsee aufgetaucht. Dabei
habe man festgestellt, daß die Meldungen der Taucher stimmten, wonach
sich im Schiffsinneren der 'Wilhelm Gustloff', noch unzählige Leichen, wahr-
scheinlich mehrere hundert, befänden.

Das erschütternde Schicksal der 'Wilhelm Gustloff', mit der bekanntlich in
der furchtbaren Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945, vor nunmehr über
zehn Jahren, auch unzählige ostpreußische Landsleute den Tod fanden,
ist im Ostpreußenblatt mehrfach eingehend geschildert worden. Die Zahl
der ostdeutschen Heimatvertriebenen, verwundeten Soldaten, Frauen,
Kinder, Mütter und Greise, die sich in jener Nacht an Bord des über 25.000
BRT großen einstigen Urlaubsschiffes und späteren Transporters befanden,
konnte nie genau ermittelt werden. Die Schätzungen schwanken zwischen
4.500 und über 6.000 Menschen. Nur etwa achthundert Personen haben
nach der Katastrophe Platz in den wenigen Rettungsbooten gefunden und
jene Nacht des Grauens überlebt.

Wie glücklich waren inmitten alles furchtbaren Geschehens doch die
Fünf- bis Sechstausend gewesen, die in Gotenhafen doch noch ein Plätz-
chen auf diesem mächtigen Transportschiff erhielten. 'Wilhelm Gustloff',
lief, wie eine Überlebende in unserem Blatt fünf Jahre nach dem Unglück
schilderte, am Spätnachmittag des 30. Januar 1945 aus. Kinder und Frauen
legten sich, während das mächtige Schiff auf dem Wege um die Halbinsel
Hela die freie See gewann, auf Anordnung des Kommandos mit Schwimm-
westen in die Kojen. Zwischen Rixhöft und Stolpmünde wartete bereits
ein sowjetisches U-Boot auf das Schiff der Vertriebenen; es wurde später
festgestellt, daß etwa um 21:16 Uhr abends von diesem Boot die drei
Torpedos auf das völlig wehrlose und ohne Geleit fahrende Schiff gelöst
wurden. Es herrschte in diesem Augenblick eisiger Wintersturm, und auf
einen Schlag ging das Licht aus. Grauenvolle Szenen haben sich auf dem
todgeweihten Schiff abgespielt. Während sich die 'Gustloff', schon sehr
bald nach der Backbordseite neigte, drängten sich auf den Decks angst-
erfüllte, schreiende Menschen. Nur sehr wenige hatten das Glück, doch
noch bis zu den Rettungsbooten vorzudringen. Viele andere haben das
Schiffsinnere überhaupt nicht mehr verlassen können, und auch von den
übrigen wurden Ungezählte noch das Opfer der eisigen See.

Am 10. Februar 1945 ging bekanntlich auch noch der Lloyddampfer
'General Steuben' mit über dreitausend Menschen in die Tiefe, und nahezu
siebentausend ostdeutsche Landsleute und Soldaten fanden am 16. April
1945 ebenfalls vor Stolpmünde nach einer Torpedierung den Tod in der
Ostsee auf dem Motorschiff 'Goya'.

Noch eine ganze Anzahl weiterer Schiffe mit Vertriebenen sind durch sow-
jetische U-Boote und Flugzeuge in jenen Monaten vernichtet worden. Über
2,2 Millionen Menschen aus Ostpreußen und den anderen deutschen Ost-
gebieten hat bekanntlich die deutsche Kriegs- und Handelsmarine in uner-
müdlichem Einsatz und unter den schwierigsten Verhältnissen doch noch
in Sicherheit bringen können.

In der Folge 15 vom 5. November 1950 konnten wir seinerzeit in 'Wir Ost-
preußen' eine Reihe von Namen der Opfer der 'Wilhelm Gustloff',
bekanntgeben, die, insgesamt handelte es sich um 123 Personen, von der
Kriegsmarine nach Pillau gebracht und dort in einem Massengrab auf dem
Friedhof in Pillau I zur letzten Ruhe gebettet worden sind. Auch unter
diesen Toten befanden sich Ostpreußen.

Wie die Trybuna Ludu, das Blatt der polnischen Kommunisten in Warschau,
aus Stettin berichtet, wurde in der Stettiner Bucht die Hälfte des Wracks
eines versenkten Transportschiffes nach monatelangen Vorarbeiten gehoben.
Das Wrackstück, das etwa fünftausend Tonnen Schrott ergibt, wurde nach
Swinemünde transportiert, wo es zerlegt und von wo der gewonnene Schrott
an polnische Hüttenbetriebe weitergeleitet wird. Eine ähnliche Meldung hat
auch die Polnische Nachrichtenagentur gebracht.

Es ist anzunehmen, daß es sich bei diesem Wrack um die 'Wilhelm Gustloff'
handelt, doch müssen erst weitere Nachrichten abgewartet werden.

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