Menschen – Wege – Schicksale.

Menschen – Wege – Schicksale.

Beitragvon -sd- » 17.06.2016, 10:59

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Menschen – Wege – Schicksale.
Spätaussiedler aus Nord-Ostpreußen.
Berliner Landsleute bereiteten Begrüßungsfeier.


"Kinder, Ihr wißt nicht, wie gut Ihr es habt !", das waren die ersten Worte
des Ehepaares Kl., das dieser Tage (1956 !!) aus dem Norden Ostpreußens,
von der litauischen Grenze her, nach West-Berlin gekommen ist. Die Ehe-
leute erhielten von den Sowjets offiziell die Genehmigung, nach Deutsch-
land auszusiedeln. Was sie aus dem Norden Ostpreußens berichten, ist er-
schütternd. Als Landarbeiter lebten beide ohne Entlohnung in Krakischken,
nachdem vorher Herr Kl. für 10,-- Rubel pro Monat Chausseearbeiten in
Wilpischken verrichtet hatte. Die Litauer leben "in Saus und Braus", berich-
teten sie, und das Verhältnis zu den wenigen Deutschen, die an der Grenze
leben, ist sehr schlecht. Nach wie vor bemühen sich die sowjetischen
Kommissare, in den einzelnen Orten die Bauern zu "Selbstverpflichtungen"
für den Eintritt in die Kolchose zu zwingen. Herr Kl. weigerte sich, der
Kolchose beizutreten und ging als Holzfäller in die Wälder. Er hat erlebt,
daß sibirische Wölfe, die man wieder fast überall in Nord-Ostpreußen findet,
die Wälder verließen und in die Dörfer kamen. Für das Roden von 5 ha
fünfzehnjährigen Baumbestandes — die Arbeit eines halben Jahres — zahlen
die Russen im Allgemeinen 200,-- Rubel. Er als Deutscher bekam dafür nur
50,-- Rubel. Wer nicht arbeiten kann/ kommt in die "Pracherei" eine Art
Altersheim von größter Primitivität.

Die Eheleute Kl. werden das Leid der vergangenen zehn Jahre nicht mehr
aus ihrer Erinnerung streichen können. Sie sind glücklich, daßsie jetzt in
der Bundesrepublik sind und sie wünschen von ganzem Herzen, daß sich
die Hoffnung der noch in Nord-Ostpreußen verbliebenen Deutschen auf eine
baldige Aussiedlung auch erfüllen möge.

Quelle: Ostpreußen-Warte, April 1956

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Moskau siedelt 600.000 Russen in Ostpreußen an.
Transporte aus dem Donezbecken und der Ukraine in Königsberg –
Krampfhafte Versuche zur Eingliederung – Starke sowjetische Garnison.


Nachdem der russische Fünfjahresplan in Kraft getreten ist, zeichnen sich
in Nordostpreußen die ersten Veränderungen ab. Es ist kein Geheimnis, daß
die Kleinstädte und Dörfer dort sehr dünn besiedelt sind. Etwa 400 Ortschaf-
ten weisen kaum 100 Einwohner auf. Deshalb hat man sich dazu entschlossen,
weitere 600.000 Russen anzusiedeln. In jedem Jahr sollen 120.000
Freiwillige angeworben werden. Ein deutscher Maschinenbauingenieur,
der kürzlich aus dem sowjetisch besetzten Raum zurückkehrte, berichtet
darüber.

Anfang dieses Jahres (1956 !!) sind die ersten zwei Transporte mit je 1.000
Einwohnern aus dem Donez-Becken und der Urkraine in Königsberg eingetrof-
fen. Weitere sollen folgen. Aus der Verschiedenartigkeit der hier angesiedel-
ten Volksgruppen ist zu schließen, daß die Russen auf weite Sicht planen.
Sie wollen hier einen neuen Volksstamm heranwachsen lassen. Die
'Kaliningradskaja Oblast' soll ein fester Bestandteil des russischen Staats
werden.

Die Neusiedler sind mit der geschichtlichen Vergangenheit kaum vertraut. Für
sie ist es 'altes russisches Land', das durch die Erfolge des Zweiten Weltkriegs
der Heimat zurückgegeben wurde. Während man in der ersten Zeit vorwiegend
bewährten Frontsoldaten einen Existenzaufbau ermöglichte, ist man jetzt dazu
übergegangen, größtenteils junge Menschen beiderlei Geschlechts anzulocken.
In vielen Sowjetrepubliken gibt es Anwerbungsstellen, die eine rege Tätigkeit
entwickeln.

Viele russische Zeitungen sind in die Propaganda-Aktion zur Besiedelung
Ostpreußens eingeschaltet. Der Transport wird kostenlos durchgeführt. In
Königsberg befindet sich ein sogenanntes Ansiedlungsamt, das den Umsied-
lern jegliche Hilfe gewährt und ihnen auch den neuen Wohnort zuweist. Jedem
Neubürger wird die Übereignung einer eigenen Scholle außerhalb des sonst
üblichen Kolchossystems zugesichert. Man verspricht auch, Landmaschinen und
Geräte zu liefern.

Wie den Aussagen der russischen Beamten zu entnehmen ist, sind die freiwil-
ligen Meldungen spärlich. Viele arbeitsscheue Elemente sind inzwischen nach
Ostpreußen eingeströmt, weil sie sich hier ein schönes Leben erhofften. Als
die russische Verwaltung scharfe Kontrollen durchführte, waren viele dieser
Siedler in ihre Heimat zurückgewandert.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß die russischen Behörden, falls die Freiwilligen-
aktion scheitern sollte, Zwangsansiedlungen durchführen werden.
Vor zwei Jahren war schon einmal davon die Rede, daß jede Republik sich
verpflichten sollte, einen bestimmten Prozentsatz von Neubürgern zu stellen.

Die nach Ostpreußen abgeordneten russischen Beamten bekommen monatlich
250 Rubel "Westzulage", weil sie sich für drei Jahre verpflichten mußten.
Sie lassen sich nur ungern nach Ostpreußen versetzen. Man hat deshalb ver-
schiedene Vergünstigungen geschaffen, um den Eingliederungsprozeß voran-
zutreiben. Denjenigen Beamten, die in Nordostpreußen bleiben und ihre
Familien nachholen möchten, winken Beförderungen und viele finanzielle
Vorteile.

Es ist nicht unbekannt geblieben, daß in Nordostpreußen starke sowjetische
Garnisonen bestehen. Neuerdings werden auch russische Rekruten in den
Kasernen von Labiau, Pillau und Wehlau ausgebildet. Als Nachschubstützpunkt
gelten Fischhausen und Schloßberg.

Über den deutschen Bevölkerungsanteil dürfte es schwer sein, zuverlässige
Angaben zu machen. Nach russischen Zeitungsmeldungen ergeben sich in den
wichtigsten nordostpreußischen Städten folgende Bevölkerungszahlen
:

Königsberg: 1939: 312.164; 1956: 212.000
Tilsit: 1939: 58.648; 1967: 40.000
Insterburg: 1939: 48.711; 1956: 29.000
Gumbinnen: 1939: 22.181; 1956: 14.200
Ragnit: 1939: 10.061; 1956: 4.100
Schloßberg: 1939: 5.833; 1956: 3.900
Labiau: 1939: 6.527; 1956: 3.900
Cranz: 1939: 5.079; 1956: 2.200

Wie hoch der Anteil der Deutschen an diesen Einwohnerzahlen ist, läßt sich
schwer feststellen. Hans Schellenberg

Quelle: Ostpreußen-Warte, Mai 1956

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Königsberg. In Nordostpreußen bestehen bekanntlich starke sowjetische
Garnisonen. Neuerdings werden auch russische Rekruten in den Kasernen
von Labiau, Pillau und Wehlau ausgebildet.

Quelle: Ostpreußen-Warte, Mai 1956

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