Sorgenkind Sanssouci.

Informationen im Zusammenhang mit der ehemaligen 'Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)' und späteren DDR.
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Sorgenkind Sanssouci.

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Sorgenkind Sanssouci.

Sanssouci, das Rokoko-Kleinod im Park von Potsdam, in dem der große Preußenkönig Friedrich
Tage "ohne Sorgen" verbrachte (und das auch zu seinem Sterbeort wurde) macht den SED-
Gewaltigen von Potsdam und Berlin große Sorgen. Nicht die Tatsache stört sie, daß das von
Knobelsdorff erbaute Schlößchen vor den Toren des Mekkas aller Preußen die Katastrophentage
des Jahres 1945 überlebt hat. Obwohl sie das Schloß und seine historische Bedeutung als einen
ideologischen Fremdkörper empfinden müssen und sicher nichts dagegen hätten, wenn es in
Trümmern läge und verrotte wie andere steinerne Merkmale des friederizianischen Preußens in
Potsdam und Berlin.

Es sind die Fremdenführer, die der Parteileitung Kopfzerbrechen bereiten. Trotz aller Schulung
will und will es ihnen nicht gelingen, auf der Parteilinie über die eindeutige geschichtliche Ver-
gangenheit Sanssoucis und damit Potsdams hinweg zu balancieren, wenn sie den Touristen das
Schloß, seine Entstehung und die Art seines Erbauers erläutern.

Ohne Zimperlichkeit, was jede Art von Beseitigung angeht, hätte es die SED eigentlich leicht,
diesem offenbar staatsgefährdenden Umstand ein Ende zu machen, indem Sanssouci schlicht-
weg geschlossen wird. Doch die Einnahmen aus den Eintritts- und Führungsgebühren spielen im
zuständigen Kapitel des Staats-Etats keine kleine Rolle. Denn wer aus Ost oder West, in das sonst
sehr wesenlos gewordene dahindämmernde Potsdam verschlagen wird, der pilgert nach Sanssouci.
Das Offizielle Organ der SED, die 'Berliner Zeitung', fordert daher wetternd, es müsse jetzt endlich
mal durchgegriffen und vor allem "Form und Inhalt der Führungen durch Sanssouci" von Grund auf
reformiert werden. Wie — darüber schwieg sich die Zeitung allerdings aus. Es blieb bei der Rüge
allein. Kein Wunder. Es gibt nun mal auf der Welt gewisse Dinge, denen man mit parteilichen
Formulierungskunststückchen und Dialektik nicht beikommt. Besonders dann, wenn ein Genie sie
geschaffen hat, dem Schönheit und Humanitas mehr waren als die Staatsmacht, die der Herr von
Sanssouci nur als ein Mittel zum Wohl seines Volkes übte.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, April 1959

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