Zur Geschichte des Dorfes Bürgerwalde, Kreis Braunsberg.

Zur Geschichte des Dorfes Bürgerwalde, Kreis Braunsberg.

Beitragvon -sd- » 10.03.2021, 18:22

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Zur Geschichte des Dorfes Bürgerwalde.

Zwischen hügelige Aecker und Wiesen und Wälder hingestreut,
liegt das Dörfchen Bürgerwalde im äußersten Zipfel des Kreises
Braunsberg, der heute praktisch schon zum Heilsberger Dreieck
gehört.

Die Gründung des Dorfes geht ins 14. Jahrhundert zurück. Im Jahr
1346 verlieh Bischof Hermann von Prag der Stadt Wormditt den
sog. Bogenwald, und in ihm setzte der Magistrat noch im selben
Jahrhundert siedlungswillige Bürger an, die der Stadt zur Zins-
zahlung und zu Scharwerksdiensten verpflichtet waren. Diesem
Stadtdorf Bürgerwalde verlieh Bischof Franz KUHSCHMALZ i. J.
1428 15 reichlich vermessene Hufen der ehemaligen Ortschaft
Schönheide, wofür jährlich für die Hufe eine halbe Mark Zins ge-
zahlt und ein Viertel Holz geschlagen und aufgesetzt werden sollte.

Das kleine Gericht sollte der Dorfschulze, das große die Stadt
Wormditt ausüben. 1788 waren zehn Bauern in Bürgerwalde
ansässig, die je 2 Taler, 7 Gärtner, die je 36 Groschen, und 13
Instleute, die je 18 Groschen an die städtische Kämmereikasse
entrichteten.

Mit der Aufhebung der Erbuntertänigkeit (1808) wurde Bürger-
walde ein freies Dorf, aber die besitzrechtlichen Auseinander-
setzungen führten zu langwierigen Prozessen der Bauern mit der
Stadt, die sich bis in Mitte des 19. Jahrhunderts fortschleppten.

Das Rathaus mitten im Dorfe, noch heute als ältestes, ansehn-
liches Gebäude erhalten, "diente in seinen unteren Räumen dem
Rat zur Abhaltung von Terminen und Gerichtstagen, beherbergte
in dem oberen Saal die ehrenwerten Stadtväter, wenn sie in den
umliegenden städtischen Forsten zu Bartholomäi dem edlen
Weidwerk nachgingen; ein guter Trunk aus zinnernen Humpen
löschte den Durst der Hubertusjünger, und bei den Weisen der
Stadtmusik drehte sich die muntere Gesellschaft mit ihren
Damen im Tanz."
(F. Buchholz 'Bilder aus Wormditts Vergangenheit'. 2. Aufl. S. 6.)

Heute ist die Gemeinde 33 Hufen groß und zählt rund 300 Ein-
wohner, während es 1903 schon 410 waren. Dabei ist eine
nennenswerte Abwanderung nach den Industriegebieten hier
zu keiner Zeit erfolgt.

Die neben der Schule stehende Kapelle ist im Jahre 1903
erbaut, weil die frühere vollständig baufällig geworden war.
Regelmäßige Gottesdienste werden in ihr jedoch nicht abge-
halten. Zu erwähnen ist, daß in die nordöstliche Ecke des
Fundaments in einer Flasche eine Urkunde eingemauert ist,
die kommenden Geschlechtern einmal über die damals herr-
schenden Verhältnisse Aufschluß geben soll.

Von Interesse dürften die Schulverhältnisse sein. Bereits
im Jahre 1840 wurde in Bürgerwalde das erste Schulhaus
erbaut, das wegen seiner Unzulänglichkeiten und Unzweck-
mäßigkeit schon im Jahre 1858 niedergerissen und durch ein
neues ersetzt wurde. Man verfuhr damals also auffallend
großzügig im Verhältnis zur sonstigen Sparsamkeit. Das 1858
erbaute Schulhaus ist heute noch im Gebrauch, wird aber,
weil es den neuen Anforderungen nicht mehr genügt, im
kommenden Jahre umgebaut und erheblich erweitert werden.

Der erste Lehrer, dessen Namen in den Chroniken verzeichnet
ist, war ein gewisser POSCHMANN. Er war interimistisch ange-
stellt und unterrichtete im Rathause. Der zweite „Schulmeister“
soll wieder ein POSCHMANN gewesen sein, im Hauptberuf ein
Schuhmacher. Dieser gab den Unterricht in seiner eigenen
Wohnung, einem Eigenkätnergrundstück, das heute noch im
Dorfe steht. Als dritter Lehrer fungierte ein pensionierter
Gendarm, der gleichfalls POSCHMANN hieß und von 1816-1833
im Hause seines Vorgängers unterrichtete. Ihm folgte der Eigen-
kätner August WOYWOD, der vom 1. Oktober 1833 bis 1. Januar
1847 unterrichtete. Von diesem Tage ab amtierte in Bürgerwalde
der erste seminaristisch vorgebildete Lehrer, der am 1. Juli
1852 noch einmal von seinem Vorgänger abgelöst wurde. Erst
vom 1. April 1854 ab hat die Schule ständig Lehrer gehabt,
die aus dem Braunsberger Seminar hervorgegangen waren.

Im Weltkrieg kam Bürgerwalde recht glimpflich weg, obwohl
am 30. August 1914 etwa 5.000 Mann russische Kavallerie,
3 Batterien Artillerie und einige Maschinengewehr-Abteilungen
durch das Dorf auf Guttstadt zu zogen. Menschenleben wurden
dabei keine vernichtet, ebenso blieben die Bauernhöfe ver-
schont. Lediglich mehrere Pferde, etwa 100 Scheffel Hafer und
eine Menge Nahrungsmittel wurden von den Russen entführt.
Auf dem zwei Tage später erfolgten Rückzug sprengten sie
die Drewenzbrücke.

Mit viel Vergnügen – damals haben sie, wie sie selbst sagen,
bestimmt nicht gelacht – erzählen die Dorfbewohner heute
ein Vorkommnis, durch das sie am 29. August 1914 Gewißheit
über den Anmarsch russischer Kavallerie erhielten:
Es ist ein Sonnabend. Die Aeltesten der Gemeinde sitzen vor
dem Dorfkrug und lassen sich das abzuschätzende Vieh vor-
führen. Es geht dabei so recht gemütlich zu, bis ein Bote mit
der Nachricht ankommt, die Russen seien in dem 2 Kilometer
entfernten Frauendorf. Man lacht ihn aus und meint: "Es
werden Oesterreicher sein, die uns zur Hilfe kommen sollen."
Ein damals noch junger Mann setzt sich auf seine Rosinante
und reitet als Kundschafter nach Frauendorf zu. Etwa auf
halbem Wege sieht er auf der Heilsberger Chaussee eine
Reiterpatrouille und erkennt, daß es nicht deutsche Truppen
sind. Als nun einer der Reiter in flottem Sprung über den
Graben setzt und auf ihn zuhält, nimmt er natürlich Reißaus.
Infolge seines großen Vorsprunges erreicht er das Dörfchen
auch glücklich. Aber wie ? Roß und Reiter sind ausgepumpt
und die Mütze, die vordem so keck und kühn auf den Ohren
saß, ist "auf der Strecke" geblieben. Im Dorf angekommen,
läßt der Kundschafter sein Rößlein frei und flüchtet eilends
ins Haus. Den Dörflern aber ist nach diesem Ereignis recht
bange zumute. Wissen sie doch nicht, was ihnen die nächsten
Stunden bringen werden.

Doch hat das Dorf Bürgerwalde unter dem Russendurchgang
nicht schwer gelitten. Erhebliche materielle Opfer mußten
aber gebracht werden, als das Dorf von größeren Abteilungen
deutscher Truppen besetzt war; aber jeder brachte diese Opfer
gern. Ging es doch um die Scholle, um das Leben von Heimat
und Vaterland. Mit Freude und stolzer Genugtuung liest man
in den Chroniken, in wie vorbildlicher Weise sich die Dorf-
insassen gegenseitig bei der Beackerung und Ernte unter-
stützten, als die wehrfähigen Männer und die besten Pferde
unter den Waffen standen und diese wertvollsten Arbeitskräfte
auf Schritt und Tritt vermißt wurden. Da zeigte sich hier
der echte, deutsche Bauerngeist, der nicht wimmert und jammert,
sondern entschlossen und hilfsbereit zupackt, wenn es um
das Vätererbe geht.

Bruno Laws
Text geringfügig geändert.


Quelle: Unsere ermländische Heimat -
Monatsbeilage der Ermländischen Zeitung,
1936, 29. Januar, Nr. 1, Seiten 3-4.

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