Landkreis Allenstein 1949: Wer blieb am Leben ?

Landkreis Allenstein 1949: Wer blieb am Leben ?

Beitragvon -sd- » 23.01.2021, 12:50

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Der Landkreis Allenstein nimmt innerhalb der polnischen Verwaltung und Bevölkerungs-
politik eine Sonderstellung ein; denn es gab 1920 tatsächlich eine kleine polnische
Minderheit von etwa 4 bis 6 v. H. der Bevölkerung. Die Bevölkerung war arm. Das pol-
nische Geld floß reichlich. So kam es, daß mancher, der vorher vom Polentum nichts
gewußt hatte, seine Kinder nun in die polnische Schule schickte. Es gab daher 1939
in den 132 Gemeinden des Kreises zehn Minderheitsschulen, ein Teil davon nur mit der
Mindestzahl von sieben Kindern. Die polnische Sprache war bei den alten Leuten noch
recht verbreitet, jedoch mehr als Dialekt; sie kann also nicht als Beweis der Volks-
zugehörigkeit ausgelegt werden.

Auf Grund dieser Tatsachen versucht heute die polnische Propaganda, aus dem Land-
kreis Allenstein einen "polnischen" Kreis zu machen, im Gegensatz zu den übrigen
"deutschen" Kreisen Südostpreußens. Ausweisungen von Deutschen haben nur im
Oktober 1945 in größerem Ausmaß stattgefunden. Alles, was dann verblieb, gilt als
polnisch. Wer vor 1772 Vorfahren in dieser Gegend gehabt hat, wird auch ohne Antrag
als polnischer Staatsbürger angesehen. Der Antrag auf Anerkennung der polnischen
Staatsangehörigkeit wird oft erzwungen. So hat man in Prohlen für mehrere Monate
Lebensmittelkarten und Post gesperrt, um damit die Unterschrift zu erzwingen. In Wieps
wurden angeblich Unterschriften zur Ausstellung von Personalausweisen gesammelt.
Später stellte dann die nicht polnisch sprechende Bevölkerung fest, daß auf dem Schrift-
stück in polnischer Sprache die polnische Staatsangehörigkeit beantragt war. Auch
Personen, die sich rücksichtslos und offen als Deutsche bekennen, werden heute nicht
mehr herausgelassen.

Wer blieb am Leben ?

Der Landkreis Allenstein hatte 56.000 Einwohner. Nach einer Ermittlung des polnischen
Landratsamtes sind beim Einmarsch der Russen, später durch die russische Besatzung
und an den Folgen der Verschleppung rund 10.600 Personen umgekommen. Nach
Berichten und Statistiken, auch aus anderen Teilen Ostpreußens, kann man dieser
Totenzahl noch etwa 40 Prozent hinzuzählen, die auf der Flucht oder unmittelbar an
deren Folgen gewaltsam umgekommen oder gestorben sind. Damit werden die Gesamt-
verluste im Kreis Allenstein etwa 15.000 Tote, das sind 27 v. H. der Bevölkerung, betragen.
Von den Verschleppten (es sind wenigstens 6.000 - 8.000 Personen nach Rußland ver-
schleppt gewesen) ist ein Teil zurückgekehrt. Etwa 30 v. H. dürften noch in Rußland leben.
Die Sterblichkeit der Verschleppten war in den Jahren 1945 und 1946 sehr hoch. Haupt-
verschleppungs-Gebiete waren Ukraine, Ural und das Gebiet von Archangelsk. Ein Lager
bei Archangelsk hatte einschließlich Transport im August 1945 bereits 50 v. H. Tote,
zwei Lager bei Stalinogorsk hatten bis Oktober 1946 bereits 63 beziehungsweise 80 v. H.
Tote.

Nach meinen Feststellungen sind im Durchschnitt etwa 40 v. H. der Gesamtbevölkerung
z. Z. noch bzw. schon wieder dort, das sind etwa 20.000 Einwohner, so daß etwa 19.000
Einwohner sich als Heimatvertriebene auf die vier Besatzungszonen verteilen dürften.

Die Besiedlung ist sehr verschieden. Es gibt Ortschaften, in denen schon wieder 75 - 80
v. H. der alten Bevölkerung wohnen (Alt-Märtinsdorf, Groß-Purden, Redigkainen, Wiranden
und andere). Andere Gemeinden haben nur 10 oder weniger v. H. der Bevölkerung
(Ballingen, Derz, Schönfelde, Süßenthal u. a.).

Quelle: WIR OSTPREUSSEN, Februar / März 1949

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