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http://www.odfinfo.de/preussen/Personen ... lanbau.htm
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Friedrich II. und die Kartoffel – Zur Einführung der Kartoffel in Preußen.
Nachfolgend wird ein gekürzter Beitrag zum Jahr der Kartoffel 2008,
erstellt von Eduard Stenger,
Leiter des Lohrer Schulmuseums in Unterfranken/Bayern, dokumentiert.
Friedrich II. und die Kartoffel – Zur Einführung der Kartoffel in Preußen.
Wenige Jahre nach der nach seiner Thronbesteigung 1740 sah sich Friedrich II. mit einer
fürchterlichen Hungersnot in seinem Land konfrontiert. Über die katastrophalen Auswir-
kungen dieser Versorgungsnotlage berichtet der 1738 im preußischen Kolberg geborene
Joachim Nettelbeck 1821 in seiner Autobiographie am Beispiel der Kolberger Region u. a.:
„Ich mochte wohl ein Bürschchen von fünf oder sechs Jahren sein und noch in meinem
ersten Höschen stecken (also etwa um das Jahr 1743 oder 44), als es hier bei uns im Lande
weit umher eine so schrecklich knappe und theure Zeit gab, daß viele Menschen vor Hunger
starben (…) Es kamen von landeinwärts her viele arme Leute nach Colberg, die ihre kleinen
hungrigen Würmer auf Schiebkarren mit sich brachten, um Korn von hier zu holen, weil
man Getreideschiffe in unserem Hafen erwartete, die der grausamen Noth steuern sollten.
Alle Straßen bei uns lagen voll von diesen unglücklichen ausgehungerten Menschen.“
In dieser Notsituation, und wohl auch um die Abhängigkeit von dem Grundnahrungsmittel
Korn auf Dauer zu mindern, entschloß sich Friedrich II., die Kartoffel, die auch auf minder-
wertigeren Böden gedieh und weniger anfällig gegen Nässe usw. war, in Preußen einzuführen.
Wie dies zunächst ablief, davon kann man sich heute, wiederum anhand der Schilderung
Nettelbecks, ein anschauliches Bild machen:
“ Ein großer Frachtwagen voll Kartoffeln langte (um 1744) auf dem Markte an, und durch
Trommelschlag in der Stadt und in den Vorstädten erging die Bekanntmachung, daß jeder
Gartenbesitzer sich zu einer bestimmten Stunde vor dem Rathhaus einzufinden habe,
indem des Königs Majestät ihnen eine besondere Wohlthat zugedacht habe. Man ermißt
leicht, wie Alles und Jedes in eine stürmische Bewegung gerieth; und das nur um so mehr,
je weniger man wußte, was es mit diesem Geschenk zu bedeuten habe.
Die Herren vom Rathe zeigten nunmehr der versammelten Menge die neue Frucht vor,
die hier noch nie ein menschliches Auge erblickt hatte. Daneben ward eine umständliche
Anweisung verlesen, wie diese Kartoffeln gepflanzt und bewirtschaftet, desgleichen wie
sie gekocht und zubereitet werden sollten. Besser freilich wäre es gewesen, wenn man
eine solche geschriebene oder gedruckte Instruktion gleich mit vertheilt hätte; denn nun
achteten in dem Getümmel die Wenigsten auf jene Vorlesung. Dagegen nahmen die guten
Leute die hochgepriesenen Knollen verwundert in die Hände, rochen, schmeckten und
leckten daran, kopfschüttelnd bot sie ein Nachbar dem andern; man brach sie von ein-
ander und warf sie den gegenwärtigen Hunden vor, die daran herumschoperten und sie
gleichmäßig verschmähten. Nun war ihnen das Urteil gesprochen! ‚Die Dinger‘ – hieß es – ‚
riechen nicht und schmecken nicht, und nicht einmal die Hunde mögen sie fressen.
Was wäre uns damit geholfen ?‘ –
Am allgemeinsten war dabei der Glaube, daß sie zu Bäumen heranwüchsen, von welchen
man zu seiner Zeit ähnliche Früchte herabschüttle (…) Kaum Jemand hatte die ertheilte
Anweisung zu ihrem Anbau recht bergriffen (…) Das Jahr nachher erneuerte der König
seine wohlthätige Spende durch eine ähnliche Ladung. Allein diesmal verfuhr man dabei
höhern Orts auch zweckmäßiger, indem zugleich ein Landreiter mitgeschickt wurde, der,
als ein geborener Schwabe, des Kartoffelbaus kundig und den Leuten bei der Auspflanzung
behülflich war und ihre weitere Pflege besorgte. So kam also diese neue Frucht zuerst ins
Land, und hat seitdem, durch immer vermehrten Anbau, kräftig gewehrt, daß nie wieder
eine Hungersnoth so allgemein und drückend bei uns hat um sich greifen können. Den-
noch erinnere ich gar wohl, daß ich erst volle vierzig Jahre später (1785) bei Stargard
(eine der ältesten pommerschen Städte), zu meiner angenehmen Verwunderung, die
ersten Kartoffeln im freien Felde ausgesetzt gefunden habe.“
Nachdem Friedrich II. bereits 1745 ein Gesetz zum Anbau der Kartoffel erlassen hatte,
demzufolge die Bauern zehn Prozent ihrer Ackerfläche mit Kartoffeln zu bepflanzen hatten,
befahl er nochmals 1756 mit einer „Circular-Ordre“ und mit Nachdruck den Anbau der Kar-
toffel und verpflichtete die Behörden zu entsprechenden Kontrollen.
Auch mit einer List versuchte der König seine Untergebenen zum Kartoffelanbau zu ani-
mieren: Er ließ seine eigenen Felder mit Kartoffeln bestellen und zum Schein von Soldaten
strengstens bewachen. Diese Felder erregten natürlich die Neugier der Untertanen, und so
stahlen die Bauern nachts die seltenen und offensichtlich kostbaren Pflanzen, um sie
anschließend daheim in ihre eigenen Gärten zu setzen. Und genau dort wollte sie der König
auch haben. Aber es dauerte noch lange, bis sich die Knolle endgültig in Preußen durchge-
setzt hatte, und "der Alte Fritz" beklagte immer wieder den nach seiner Meinung zu ge-
ringen Fortschritt in dieser Angelegenheit. Noch 1768 mußte Friedrich II. zur Kenntnis
nehmen, daß seinen Bemühungen doch nur ein mäßiger Erfolg beschieden war, wie die
jährlich zu erstellenden Tabellen zeigten. Der König hatte seine Mühe mit den preußischen
Bauern, die sich so ganz nach dem alten Vorurteil „Was der Bauer nicht kennt,…“ verhielten.
Aber er gab nicht auf. Mit weiteren Anbauverordnungen und königlichen Dekreten drängte
er auf einen großflächigen Kartoffelanbau. Und die Natur kam zu Hilfe:
Die Getreide-Mißernten um 1770-1772 und die folgenden Hungersnöte „begünstigten“ den
erwünschten Feldanbau des Erdapfels.
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Ich bin zwar nur ein Nachtschattengewächs, aber Ihr beweist mir
in guten wie in schlechten Zeiten fast täglich Eure Sympathie.
Als einjährige Kulturpflanze mit Kraut giftigen Beeren diene ich
mit meinen eßbaren, unterirdischen, knollig verdickten und stärke-
haltigen Ausläufern den Menschen als Volksnahrungsmittel. Ihr habt
fast alle mehr als nur ein Bratkartoffelverhältnis mit mir, und es ist
an der Zeit, daß ich mich einmal für Eure Treue bedanke.
Ich habe eine Interessante Vergangenheit: Meine Heimat ist das Hoch-
land von Südamerika. Von Seefahrern wurde ich über den Ozean nach
Europa gebracht, und zwar zunächst nur als exotische Zierpflanze.
Eure Vorfahren wußten mich nämlich noch nicht als Nahrungsmittel
zu schätzen, und ich verdanke es nur einem Zufall, daß meine unter-
irdischen Qualitäten doch noch entdeckt wurden.
Als besondere Delikatesse, die nur wenigen feinen Zungen aus
"besseren Kreisen" vorbehalten war, baute man mich zuerst im 16.
Jahrhundert als Ackerfrucht in Frankreich an. In Deutschland bin
ich erst seit rund 360 Jahren zu Hause. Mein großer Freund und
Gönner, der "Alte Fritz" von Preußen (1712-1786), verhalf mir zu
breiterer Popularität. Mit seinem Erlaß von 1763 befahl er seinen
Bauern hochoffiziell meinen Anbau. Schon bald wurde ich dann zu
einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel. In den vielfältigsten
Formen bereichere ich heute mehr denn je aus deutschen Landen
frisch auf den Tisch Eure so umfassende gewordene Speisenkarte.
Ihr kennt mich als Salzkartoffel, Pellkartoffel, Kartoffelsalat, Püree,
Klöße, Puffer, Chips, Kroketten und vieles andere mehr. Heiß geliebt
werde ich als Pommes frites besonders von den jüngeren Leuten.
Unwissende haben neuerdings leider versucht, mich zum langwei-
ligen Dickmacher abzustempeln. Doch die modernen Ernährungs-
wissenschaftler ließen mich in einem völlig neuen Licht zu einem
Comeback starten. Ich bin wieder "gesellschaftsfähig". Ich enthalte
nämlich nicht nur reichlich lebenswichtige Vitamine, Mineralien
und hochwertiges Eiweiß, sondern ich bin mit nur 70-85 Kalorien pro
einhundert Gramm auch ein sehr schlanker Genuß.
Man liebt mich sowohl in der herkömmlichen Art als auch durch
raffinierte Rezepte und Zubereitungen als köstliche Spezialität.
Ich bin sehr wandlungsfähig und auf alle Arten schmackhaft und gut
verdaulich zugleich.
Übrigens: Kartoffel ist nicht gleich Kartoffel: Wie überall im Leben
gibt es auch bei uns allerlei Unterschiede. So besitzen wir je nach
Sorte verschiedene Kocheigenschaften und haben unterschiedliche
Reifezeiten. Unser Geschmack und unsere Größe richten sich in erster
Linie nach der Beschaffenheit des Erdbodens, in dem wir aufwachsen.
Man sagt in einigen Landschaften auch Erdäpfel zu uns, und es gibt
fälschlicherweise ein Sprichwort, wonach der dümmste Bauer die
dicksten Kartoffeln erntet.
Es werden in Deutschland über 130 Sorten Kartoffeln angebaut, und
man hat uns allen schöne Namen gegeben. So heißen die bekanntesten
und beliebtesten Clivia, Bientje, Grata, Granola und Hansa. Letztere
ist die Salatkartoffel. Viele von uns werden als reine Industrie-
Karoffeln zur Stärkegewinnung gezüchtet. Es gibt reine Wirtschafts-
und Haushaltsarten. Die gesamte Welternte beträgt jährlich ca.
300 Millionen Tonnen.
Wer mir und meinen Schwestern aus der großen Kartoffelfamilie also
die besten Seiten abgewinnen möchte, der tut gut daran, auf Qualität
zu achten. Es gibt nicht nur alte und neue, sondern auch feste, mehlige,
glasige und süßlich Arten.
Und nun wünsche ich Euch allen stets guten Appetit und bleibe
mit dampfenden Grüßen
Eure Kartoffel
Quelle: Gesundheit im Beruf.
Zeitschrift der Bundesversicherungsanstalt der Angestellten (BfA),
Oktober / Dezember 4 / 1991.
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