Die Bedeutung alter ostpreußischer Familiennamen.

Woher stammt mein Name ?

Die Bedeutung alter ostpreußischer Familiennamen.

Beitragvon -sd- » 12.05.2021, 15:06

----------------------------------------------------------------------------------------------------------

Die Bedeutung alter ostpreußischer Familiennamen.
Dr. Walter Franz erklärt alte ostpreußische Familiennamen.

So mancher läuft zeitlebens herum, ohne sich jemals über die Bedeutung seines Namens
den Kopf zu zerbrechen. Ihm ist der Name Schall und Rauch. Unsern Ahnen war die Nennung
eines Namens gleichbedeutend mit Zauber und Beschwörung. Man denke nur an das Märchen
von Rumpelstilzchen, in dem sich der Kobold zerreißt, als das Mädchen seinen Namen ruft.
Familiennamen können viel erzählen, sie berichten über Herkunft, Beruf und Eigenarten
der Vorfahren. Sie reichen weiter hinab in die Vergangenheit als ein Kirchenbuch oder eine
standesamtliche Urkunde. Ein Fröse darf mit Recht annehmen, daß seine Voreltern aus
Friesland kamen, ein Döring, daß sie einst in Thüringen wohnten, ein Krauskopf wird
vielleicht noch als Erbteil früherer Geschlechter Locken tragen, und die Klatts müssen sich
vor Generationen durch struweliges Haar ausgezeichnet haben, während bei den Leuten
namens Sensfuß das Gehwerk wohl etwas geschwungen war. Aber alle Namen sind nicht
so leicht zu deuten wie Müller, Schulz und Schmied. Schon bei dem so überaus häufigen
Namen Maier versagt das Wissen vieler, es ist ihnen unbekannt, daß dieses Wort aus dem
Lateinischen kommt, von maior = der Größere, nämlich im Dorf, daß es dasselbe Wort ist
wie unser Major oder das französische Maire oder das englische Mayor, von denen die
beiden letzten den Bürgermeister bezeichnen; und «so etwas ähnliches war auch der Maier
im Dorf oder auf einem größeren Gut: der Gutsverwalter oder -pächter, auch der Großbauer.
Dasselbe bedeutet Hofmann. Dieser Name ist mehr mitteldeutsch, während die Bezeichnung
Maier aus Westfalen und Hannover stammt. Aber was macht man mit einem Namen, der
nicht so leicht zu deuten ist ? Das Interesse an der arischen Großmutter ist heute erloschen,
aber nur durch Sippenforschung kommt man hinter ein Namensrätsel. Ich will nur zwei
Namen herausgreifen, um das zu verdeutlichen. Was bedeutet Schwenzfeier oder Schwenz-
feger und was Födte ? Er räumte die Schüssel leer.

Auf der Suche nach alten Formen dieser Namen fand ich in einer ermländischen Urkunde
für den ersten die Fassung Swenksfeur, d. h. Schwenke das Feuer, und sogleich war mir
die Bedeutung klar: Im mittelalterlichen Handwerk war es üblich, einem Handwerks-
gesellen einen Namen zu geben, mit dem er während der ganzen Gesellenzeit gerufen
wurde und den er oft auch während der Meisterzeit nicht ablegte. Diese Namen waren
besonders bei den Schmieden oft recht saftig und kräftig, zuweilen auch geradezu
poetisch, meist bezogen sie sich auf das Handwerk. Solche Namen sind Schmeckebrode,
d. i. Schmecke den Braten, Käsenbrot, d. i. Käse und Brot (wohl des Namensträgers
Lieblingsessen), Rümeschüssel, d. i. räume die Schüssel, mache sie leer (bezeichnet
wohl einen Vielfraß), aber auch Meienreis, Feierabend, Klinghammer und eben
„Schwenke das Feuer". Namen sind wie Münzen. Sie greifen sich im Laufe der Zeit ab,
und so wurde nach und nach aus „Schwenke das Feuer" Schwenksfeuer, Schwenzfeuer,
Schwenzfeier, und als man den Namen nicht mehr verstand, lehnte man ihn an Schwert-
feger, den Namen des Waffenschmiedes, an, und so kam Schwenzfeger zustande.

Der Name Födtke geht auf einen pommerschen Ortsnamen Viebkow zurück. Die
Endung wurde in Ost- und Westpreußen zu au. Auf diese Weise entstand der Name
Fietkau, Fittkau. Nun ist oft festzustellen, daß ein Ortsname das au verliert, wenn
er zum Familiennamen wird. So entstand Fittke, das seltsam tonlos klingt. Als das
volle e das kurze i ersetzte (Fedtke), empfanden das viele als plattdeutsch und
wollten dadurch „foin" erscheinen, das sie das e zu ö rundeten. So kam endlich aus
Vietkow unser Födtke heraus. Ganz ähnlich wird aus Friese Freese und Fröse oder
aus Riese Reese oder Röse.

Woher kommt der Name Gisevius ? Zwischen 1648 und 1829 studieren vierzig
Gisevius in Königsberg. Vorher gibt es diesen Namen überhaupt nicht. Aus dem
Familienwappen kann man aber erschließen, daß diese Familie aus dem polnischen
Adelsgeschlecht der Gizyki hervorgegangen ist. Als ein Glied dieser Familie zum
Protestantismus übertrat und in Königsberg Theologie studierte, nahm er später
den Namen Gisevius an. Dazu mag ihn vielleicht noch der Ort Giseven, der 74
Kilometer von seiner Wirkungsstelle bei Goldap entfernt war, angeregt haben.
Es war ja damals üblich, daß Pfarrer ihre Namen latinisierten, das war sehr leicht
bei slawischen Namen. Aus Bülow wurde Bülowius, aus Gregorow Gregorowius,
aus Wannowski Wannowius und aus Boretzki Boretius. Was geht aus diesen Bei-
spielen hervor ? Namenforschung tappt im Dunkeln, wenn die Sippenforschung sie
nicht unterstützt.

Aber gibt es überhaupt Namen, die nur für Ostpreußen eigentümlich sind ? Vielleicht
erinnert sich noch mancher Leser an die schöne Karte in diesem Blatt, die die Be-
siedlung Ostpreußens anschaulich nahebrachte. Sie zeigte, daß es wohl keine Provinz
im alten Deutschen Reich gab, in der so viele Volksstämme zusammenflossen wie in
Ostpreußen: Niederdeutsche, Mitteldeutsche, Salzburger, Böhmen, Schweizer,
Franzosen, Schotten mischten sich in unserer Heimat und wurden durch gemein-
sames Erleben und durch das Land zu dem zähen, tüchtigen Stamm der Ostpreußen.
Die Siedlungsgeschichte zeigt sich auch in den Namen: Friese, Westfal, Holst
(= Holsteiner) Saas (= Sachse), Döring, Holland, Beyer, Schwab, Heß, Meißner
(= aus meißnischen Landen). Pommerenke (= aus Pommern), Böhm, Wendt
(= der Wende, der Slawe), Kaschub, Iffland (= der Livländer), Kuhr, Masur, Lettau,
Sudau, Preuß. Kann sich bei einer solch tollen Mischung eine Eigenart in der Namen-
gebung entwickeln ?

Wenn jemand einen ostpreußischen Witz erzählt, dann benennt er die handelnden
Personen sicher mit Kallweit und Buttgereit oder, wenn er ganz witzig sein will,
mit Kadereit und Kaluddrigkeit. Und wenn das auch schon etwas billig wirkt, so
ist doch etwas Richtiges daran: nur in Ostpreußen waren innerhalb des Deutschen
Reichs litauische Familiennamen bodenständig. Mit polnischen konnte auch
Schlesien und Westpreußen aufwarten, ganz zu schweigen von den wendischen
und sorbischen Namen in anderen Provinzen.

Nachkommen der alten Preußen.

Aber noch ein anderer undeutscher Sprachstamm hat in den Familiennamen Ost-
preußens seine Spuren hinterlassen: das Altpreußische. Wir haben die Unterwerfung
der alten Preußen durch den Deutschen Orden nicht mit einer Ausrottung der Ein-
heimischen gleichzusetzen. Wer hätte dann das Land bestellt ? Nein, die Urkunden
nennen uns Tausende von Preußen, und viele dieser Namensträger kamen zu hohen
Ehren. Sie durften im Auftrage des Ordens und vor allem des ermländischen
Bischofs viele Dörfer ansetzen, bekleideten hohe Dienststellen und wurden später
sogar geadelt. Ich erinnere nur an die von Perbandt, von Packmohr und von Stadie.

Die preußische Sprache als Verständigungsmittel schwand zur Zeit des Großen Kur-
fürsten, aber sie lebt noch heute in den ostpreußischen Orts- und Personennamen —
beide stehen in enger Beziehung, da gut fünfzig vom Hundert der Familiennamen
auf Ortsnamen zurückgehen. Altpreußisch sind die Familiennamen Alshut, Angrick,
Bierkant, Bohn, Darge, Dargel, Demke, Dobbeck, Gause, Gayl, Gettkant Glandin,
Goike, Kantel, Kanter, Karioth, Klaffke, Krutein, Kullick, Link, Lunk, Mahnke,
Matull, Minut, Möhrke, Palstok, Passarge, Pipien, Romeyke, Rosin, Sahm, Schwark,
Schwibbe, Schwill, Spruth, Steinbutt, Teike, Trump, Thulke. Der Bundestagsabge-
ordnete Linus Kather stammt aus ermländischem Bauerngeschlecht, dessen Namen
nichts mit dem Kater zu tun hat, sondern auf einen altpreußischen Namen Kadar
zurückgeht.

Ebenso wenig stammen die vielen Keuchel dieses Bischofslandes von jungen Hühn-
chen ab, auch im Namen nicht; der geht vielmehr zurück auf einen altpreußischen
Namen Kickel, Kyckelen. Daß auch der Name unseres größten Philosophen Kant, wenn
nicht aus dem Altpreußischen, so doch mindestens aus dem Baltischen stammt, hat
Professor Mortensen im Ostpreußenblatt erwiesen (Ausgabe vom 25. Juli 1952).
Auch Rupp, der Begründer der Königsberger freireligiösen Gemeinde, der Großvater
von Käte Kollwitz, trägt einen Preußennamen. Der Name Jux hat nichts mit Jokus zu
tun, er ist auf Heimatboden gewachsen. Habedank ist kein deutscher Satzname,
sondern ist aus dem altpreußischen Namen Abdanxs entstanden.

An den Namen Benduhn knüpft sich ein kleiner Scherz, der hier die trockene Wissen-
schaft unterbrechen mag. Ein Gast kommt zu einem Festessen zu spät und stellt
sich erst nach beendeter, sehr reichlicher Tafel vor. Als ihm nun dabei einer der
anderen Gäste seinen Namen Benduhn nennt, entgegnet der Zuspätgekommene:
„Eck ook", denn er glaubte, der andere stellte mit „ben duhn“ = bin satt, sein an-
geheitertsein fest. — Und da auch ein großer Teil ostpreußischer Ortsnamen zu Familien-
namen wurde, so können wir einen ganz beträchtlichen Teil von Personennamen als nur
unserer Provinz zugehörig ansetzen.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 6. Juni 1954

----------------------------------------------------------------------------------------------------------

Die Bedeutung alter ostpreußischer Familiennamen.

Den altpreußischen Ortsnamen erging es genauso wie den altpreußischen Familiennamen.
Die deutschen Siedler machten sie sich erst mundgerecht. Ein Mann namens Bleichenbart
führt seinen Namen auf eine altpreußische Flur Plekenbarth, was wohl so viel wie "kleines
Barten" bedeutet, zurück, und ein Herr Demut hat nichts mit bescheidenem Sinn zu tun,
sondern mit dem ermländischen Flurnamen Demyta, und ein Tollkühn trägt nicht etwa den
überaus tapferen Sinn seiner Ahnen im Namen sondern das Dorf Tolkinen, das seine
Benennung vom Tolken, dem preußischen Übersetzer von Predigten und Erlassen, der
seiner verantwortungsvollen Tätigkeit wegen oft mit Land begabt wurde, herleitet.

Wenn wir nun die Namen der deutschen Einwanderer betrachten, so ergibt sich ent-
sprechend dem Siedlungsablauf eine für jede Landschaft charakteristische Namenreihe.

Kennzeichnend sind für Natangen: Kohn, Riemann, Döpner, Zachau, Venohr, Hill, Heske;

für das Ermland:
Gehrmann, Matern, Brieskorn, Preuschoff, Bludau, Packeiser, Poschmann, Buchholz,
Romahn, Hantel, Kranich, Keuchel, Langhanke, Hanmann, Lilienthal, Grunenberg,
Rautenberg;

Elbinger Höhe: Kuhn, Binding, Dyck, Stobbe, Fietkau, Sperling, Lüttkemann;

Weichsel-Nogatwerder: Jantzen, Wiens, Wiebe, Regehr, Wilms, Harder, Claßen,
Ziehm, Fiegut, Tornier, Will, Penner, Stobbe, Flindt, Görz, Foth, Enz;

Pomesanien: Priebe, Klatt, Senkpiel, Mielke, Reschke, Wendt, Deyke, Schielke,
Reddig, Kloß;

für das Ostgebiet (Dreieck zwischen Memel, Goldap und Wehlau):
Ostbaltische und Salzburger Namen, außerdem Haupt, Swars, Schlenther;

für Masuren Namen auf ski und a: Kompa, Trumpa, Denda-Borowski;

für die Kurische Nehrung: Gulbies, Szekann, Puddig, Toll, Pläp, Preik.

Es ist kennzeichnend für unser Siedlerland Ostpreußen, daß sich wohl kein Name
hier so oft findet wie Neumann (Niemann, Naumann), das den Neusiedler
(Litauisch: Naujoks, slawisch: Nowack) bezeichnet. Wenn wir die Namen der
deutschen Zuzöglinge betrachten, dann können wir sie in vier Gruppen einteilen,
nämlich in solche, die entstanden sind aus
1. Altgermanischen und kirchlichen Vornamen,
2. Ortsnamen,
3. Berufen und
4. Übernamen.

Struwwelpeter (geschrieben steht Struwelpeter) wirkt von ferne. Fangen wir mit
den letzten an. Solche Namen wie Lange, Kurz, Groß, Klein, Fett, Feist, Krause
bedürfen nicht der Deutung. Ein Straub, niederdeutsch Strube, Struwe, ging stets
mit struwweligem (geschrieben steht struweligem) Haar umher. Ein Mann namens
Schramm zeichnete sich durch eine breite Narbe aus. Bei Leuten namens Finger,
Fuß, Hand, Haupt müssen diese Körperteile besonders auffällig oder ausgeprägt
gewesen sein. Ein Mann namens Anhut (an = ane = ohne) lief ohne Hut herum,
ein Anacker besaß keinen Acker, ein Ansorge lebte ohne Sorge dahin. Diese drei
Namen sind vornehmlich durch schlesische Siedler nach Ostpreußen gebracht
worden.

Himmel voller Geigen, ein Wohlgemut ließ den Kopf nicht hängen, ein Gutjahr und
ein Gutzeit sprachen schon durch ihr rundes, glänzendes Gesicht von guten Verhält-
nissen, ein Guderjahn war ein guter Johann, ein Wunderlich war schwer zu nehmen,
jedenfalls nicht so leicht wie ein Tausendfreund, der mit jedem auf gutem Fuß stand.
Ein Schimmelpfennig war ein Geizkragen, während ein Hundertmark viel wohlhabender
war als ein Dreißigmark, Zehnmark, Enemark und Halbemark. Ein Achtsnicht achtete
seiner nicht, ein Lickfett leckte das Fett aus der Bratpfanne, so gut schmeckte es ihm.

Interessant sind unter diesen Übernamen die Satznamen wie Kiesewetter, das heißt:
wähle, erspähe das Wetter (bezeichnet also den Meteorologen der früheren Zeit),
Schauenpflug = Scheue den Pflug (also ein Mann, der nicht Bauer sein will). Dasselbe
bedeutet Hassenpflug (hasse den Pflug). Schneidewind ist wohl ein Gesellenname,
der einem Handwerker gegeben wurde mit Bezug auf die Wanderschaft, wo er oft
den Wind schneiden mußte.

Aber nicht alle Übernamen sind so leicht zu deuten. Oft liegt ihnen ein ganz bestimm-
tes Erlebnis zugrunde, das nur denen, die es miterlebt haben, bekannt ist. In Tapiau
gab es einen Fleischer, der von allen Mäusepipi genannt wurde. Woher hatte er diesen
Namen ? Als er in der Erdkundestunde nach dem Mississippi (geschrieben steht Missis-
sipi) gefragt wurde, antwortete er — war es aus Schalkheit, Dummheit oder Schwer-
fälligkeit: „Mäusepipi". Von Stund an hieß er Mäusepipi, auch als er sein ehrbares
Handwerk ausübte und heiratete. Ja, als er Tapiau verließ, übertrug sich dieser
Spitzname auf seinen Nachfolger. Man kaufte stets Fleisch beim „Mäusepipi".

Vom Beruf hergeleitet.
Die Gesellennamen — ich erinnere an Schwenzfeier, Schneidewind — leiten über zu
den Familiennamen, die aus Berufen entstanden sind. In einer Thorner Urkunde aus
den Jahren 1400 - 1450 heißen drei Messerschmiede Machsbesser, Pynkus (was den
Klang des Hammers wie Pinkepank nachahmen soll), Feierabend, zwei Grobschmiede
Greifzu und Untugend, zwei Kleinschmiede Vogelfrei und Klinghammer, ein Gürteler
Hans Baldauf (das ist einer, der früh aufstehen muß). Von den Berufsnamen im
engeren Sinne sind bereits genannt worden: Schulz, Müller, Schmied, Meier. Übrigens
wurde der Hofmann, von dem wir auch schon sprachen, auf dem Lande stets Homann
genannt. Lehmann ist aus Lehnmann entstanden. Er war der Besitzer einer Lehn-
mannei, einer für Preußen eigentümlicher Art von Dienstgütern.

Eindeutig sind folgende Familiennamen, die aus Berufen hervorgegangen sind:
Becker, Beutler (Beutelmacher), Büttner (Büttenmacher, Böttcher), Brauer (auch
Bräuer, Breuer, Breier geschrieben), Brettschneider (ein Gelegenheitsarbeiter,
der von Ort zu Ort zog und Bau- und Nutzholz schnitt), Decker(t) (ist der Dach-
decker), Drescher, Dreßler (Drechsler), Fiedler, Förster, Fleischer, Fuhrmann,
Gärtner (waren ländliche Arbeiter, die seit dem 16. Jahrhundert auf Domänen
und Gütern beschäftigt waren), Gebauer (hießen zur Ordenszeit die freien
preußischen Bauern), Gerschmann (aus Gerstmann, den Gerstenbauer oder
-händler bezeichnend), Gläser (Glaser), Glöckner, Höpfner, Heppner (Hopfen-
bauer oder -händler), Hirt, Hecker (= Hacker, Weinbergarbeiter), Hübner (Besitzer
einer Hufe), Kaufmann, Kell(n)er (= Kellermeister), Kirchner (= Küster), Knappe
(= Geselle der Tuchmacher), Koch, Köhler, Korfmann (= Korbmacher, oft auch
Körber genannt), Kramer (= Krämer), Kretschmer oder Kretschmann (Krugwirt,
Besitzer eines Kretschams (slawisch = Ausschank. Dieser Name kommt aus dem
Schlesischen), Krüger (besagt dasselbe), Kürschner, Melzer (= Malzbereiter),
Metzner (der die Metze vom Korn abnimmt, das Maß, das der Müller erhielt
beziehungsweise die Obrigkeit), Pfeifer (Stadtmusikant) Riemer (Riemen-
hersteller), Scheer (Tuchscherer), Schenk, Schneider, Schreiber, Schröter
(bedeutet den Schneider und den Transporteur von Fässern), Seiler, Springer
(auch Sprenger, das ist der Gaukler), Stellmacher, Schirrmacher, Wagner,
Täschner (Taschenmacher), Töpfer.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 19. Juni 1954

----------------------------------------------------------------------------------------------------------

Die Bedeutung alter ostpreußischer Familiennamen. (Schluß)

Ein Ankermann war ein Schiffsknecht, der den Anker zu bedienen hatte, ein Becherer
fertigte Zinnbecher, ein Bechler Holzgefäße, ein Bender war ein Landmann, der vom
Besitzer eines Grundstücks ein Stück Acker zur Nutznießung erhielt und ihm dafür als
Knecht diente. Ein Freimann war ein Gelegenheitsarbeiter, der auf Gütern, in Dörfern,
Städten und Wäldern, ja sogar im Ausland Beschäftigung suchte. Ein Keiper war ein
Fischmeister, ein Kieper dagegen der Küper, Küfer. Der Köttler war ein Fleischer, der die
Kuttelfleck als Anteil bekam, der Läufer war ein Briefbote (niederdeutsch Löper). Der
Packmohr war ein Polizeiorgan, das den Schulzen im Hauptamt Insterburg beigegeben
war. Der Schaumann war der Vertreter der Zünfte bei der staatlichen Überprüfung der
Handwerksware. Ein Volkmann war ein Lohnhofmann, der so genannt wurde, weil er
über das Volk, d. i. das Gesinde und die Scharwerksleute, gesetzt war. Auch bei den
Berufsnamen zeigt sich, daß Ostpreußen Kolonialland war. Für Müller finden wir nicht
nur Müller, sondern auch niederdeutsch Möller, Möllner ja selbst das österreichische
Müllner taucht auf. Ähnlich ist es mit Krüger, Kröger, Kretschmer und manchen andern,
über die Fleischhauer, Fleischhacker, Knochenhauer und Metzger hat bei uns allerdings
restlos das norddeutsche Wort Fleischer gesiegt.

Wenn man ein postalisches Verzeichnis der Ortsnamen Ostpreußens vornimmt und von
den meisten Namen mit der Endung en und au diese Schlußsilben streicht, so erhält man
Familiennamen, z. B. Kausch, Knop, Plink, Praß usw. Oft sind dann diese Namen gleich-
lautend mit denen des ursprünglichen Gründers oder Besitzers, der dem Ort seine Be-
zeichnung gegeben hat, was aber nichts daran ändert, daß diese Namen auf die ent-
sprechenden Ortsnamen zurückgehen. Bahlau geht auf Baalau, Kreis Stuhm, zurück,
Bork auf Borken, Kreis Pr. Eylau, Biehl auf Bylau bei Frauenburg, Bludau auf einen Ort
im Kreis Braunsberg, Damerau auf die vielen Flurnamen, die ursprünglich einen Eichen-
wald, dann einen ganz lichten Wald bezeichneten, Kalb (Kalwen, Kreis Stuhm), Kalkstein
(Kreis Heilsberg und Fischaus), Kahlau (Kreis Mohrungen), Kath (Kreis Heilsberg), Kerwin
(Kreis Mohrungen und Kreis Heilsberg), Krahn, Kron, Kranich aus Cronau Kreis Allenstein,
Kuck nach einer Furt in der Passarge, Kuhrau (Kreis Braunsberg), Legien (Kreis Rößel),
Link nach Linken Kreis Stuhm, Lunau (Kreis Heilsberg) usw. usw. sind Namen, die in
diese Kategorie gehören.

Heilige als Namenspaten.
Von den aus Vornamen hervorgegangenen Familiennamen sei nur einiges gesagt. Nur
wenige wissen, daß Augstein und Kirschstein auf die Heiligennamen Augustin und
Christian zurückgehen. Die Entwicklung von Christian ist folgende: Christian, Kristian,
Kristen, Kirsten, Kersten. Nun empfand man diese Silbe „sten" als die niederdeutsche
Form von Stein, setzte dies Wort dafür ein und erhielt Kirschstein, beziehungsweise
Kerstein. Ganz ähnlich bei Augustin, das zunächst zu Augstin, dann zu Augsten und
schließlich zu Augstein wurde. (Entsprechend ist die Entwicklung bei Holstein, das
aus Holt-seten, das ist Holzsassen, zu Holsten und dann zu Holstein wurde.)

Für das Ermland sind kennzeichnend die Heiligennamen Matern und Roman. Roman
ist nicht aus slawischen Ortsnamen wie Romanowen herzuleiten, sondern von dem
Heiligen Romanus.

Selten wurden Vornamen in ihrer ursprünglichen Form angewandt. Man benutzte lieber
Kurzformen davon. Jede Landschaft Deutschlands hatte eigentümliche entwickelt. Statt
Nikolaus sagte man in Schleswig Nissen, in Mitteldeutschland Nickel, in Westfalen Klasing,
in Schlesien Kloß oder Nitsch. Bei uns in Ostpreußen finden sich all diese Kurzformen
nebeneinander, denn unsere Heimat nahm ja Siedler aus allen Gauen Deutschlands auf.

An deutsche Namen gehängtes „i".
Und noch auf eine Eigenart dieser Namengruppe sei hingewiesen. Im Ermland, nachdem
es aus dem Verband des Deutschen Ordens herausgerissen und dem Könige von Polen
unterstellt worden war, wandelten sich alle niederdeutschen Namensformen auf -ke zu
solchen auf ik, ig, ohne daß Zwischenformen auf ing sich einschoben. So wurde aus
Ludike Ludig, aus Gerke Gerig, aus Radtke Radig, aus Reinke Reinick, aus Engelke
Englick, aus Kuhnke Kunig, aus Böhnke Bönig, aus Tiedtke Tiedig, aus Steinke Steinig.
Ja, man kann einem Namensträger dieser Art geradezu sagen, daß er aus dem Ermland
stamme, obwohl sich ähnliches auch anderweitig findet, aber nicht so konsequent:
ich erinnere nur an „Entspekter Bräsig" (aus Bröseke).

Bliebe noch ein Blick auf die Einwirkung fremder Sprachen zu werfen. Die Litauer mach-
ten sich die deutschen Namen dadurch mundgerecht, daß sie sie mit ihrer Endung eit
und at versahen. So entstanden Namen wie Schulmeistrat, Schneidereit, Schustereit
und Herzogkeit. Ähnlich verfuhren die Polen im Ermland dadurch, daß sie manches
deutsch -ke in ein ki wandelten oder ki einfach heranhängten: So kamen Schulzki,
Holski, Steinki, Lachmenski zustande. Oft begnügten sie sich auch mit der slawischen
Schreibung eines deutschen Wortes. Unser Schulz ist in Sculcz kaum wiederzuerkennen.

Alte, ursprüngliche Form bewahrten die Schottennamen Abernetty (nethy), Douglas und
Ogilvie. Die Shaws wurden im Ermland zu Schaus und die Drummonds zu Dromler. Der
Name Firley ist wohl irischer Herkunft. Die französischen und schweizerisch-französi-
schen Namen mußten sich manche Vergewaltigung seitens der bereits ansässigen Be-
völkerung gefallen lassen: Aus Pliquett wurde Plickert, aus dem schweizerischen Arque-
vaux wurde Erkwo, aus Echement wurde Eschmann usw. Und ähnlich umgeformt wurden
auch die ungewohnten Namen der oberdeutschen Salzburger. Aus Ebner wurde Immer,
aus Stuhlebner, einem Namen der aus dem Ortsnamen Stuhlebm im Salzburgischen ent-
standen ist, wurde Stuhleimer.

So zeigte sich hier um 1732, daß es doch schon so etwas wie ein Ostpreußisch gab, das
sich Fremdes mundgerecht machte. Die Salzburger Namen sind ja zu bekannt, als daß ich
sie hier noch einmal aufführen müsste. Sie gehen fast alle auf Flurnamen der südlichen
Heimat zurück. Die Meinung der Ostpreußen, alle Namen auf „er" seien salzburgisch, ist
irrig. Eisenblätter zum Beispiel findet sich schon lange vor 1732 in Ostpreußen. Dieser
Name bezeichnet den Hersteller von Draht, der das Eisen zwischen zwei glühenden Eisen
plättet. Eisenblätter ist also der Eisenplätter.

Ich wäre jedem dankbar, der mir die Deutung eines schwierigen Namens zum Nutzen der
Allgemeinheit mitteilte.

Dr. Walter Franz, Münster/W, Waldeyerstr. 90

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 26. Juni 1954

----------------------------------------------------------------------------------------------------------
Benutzeravatar
-sd-
Site Admin
 
Beiträge: 6351
Registriert: 05.01.2007, 16:50

Zurück zu Namenforschung / Namenkunde (Onomastik).

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast