Pommern – Das Land am Meer.

Pommern – Das Land am Meer.

Beitragvon -sd- » 21.10.2019, 21:00

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Die Oder teilt Pommern, das "Land am Meer", tradidionell in Vorpommern
und Hinterpommern. Während Vorpommern heute einen Teil des Bundeslandes
Mecklenburg-Vorpommern bildet, gehört Hinterpommern seit dem Zweiten
Weltkrieg zu Polen.

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PommernDas Land am Meer.
Das Bild einer unvergessenen Provinz im deutschen Osten.
Was wissen wir voneinander ?

Wenn man von Pommern spricht, so denkt man unwillkürlich an das Meer,
an die Ostsee, die uns Ostdeutschen so sehr vertraut und heute in schier
unerreichbare Ferne gerückt ist. Lutz Mackensen beschreibt Pommern, das
"Land am Meer", wie die Übersetzung des slawischen Namens Pomorze lautet,
als „ein langes schmales Haus; die Fensterseite nach Norden, vielgegliedert
und wohlverschlossen, die Hofseite nach Süden, Westen und Osten unverzäunt
und jedermann offen“. Und man kann in der Tat keine bessere und schönere
Beschreibung für die Provinz Pommern finden. Auf 500 km "wirft die Ostsee
von den wildzerzausten Wäldern der Halbinsel Darß im Westen bis zu den
langgestreckten Dünenketten im Osten ihre Wellen an den Strand des
pommerschen Landes. Dies ist die einzige feste Grenze dieses Raumes.
An seiner breitesten Stelle nach Süden mißt Pommern 120 km.
"Land am Meer" ist der einzig treffende Name für dieses Land.

Und das Meer ist auch mitbestimmend für das Wesen dieses Landes und seiner
Menschen. Fischer und Seeleute bevölkerten die Dörfer und Städte an der
Küste. Bauern prägten das Gesicht dieser Landschaft. In den Städten Stralsund
und Greifswald im Westen, Swinemünde im Oderdelta, Kolberg, Köslin
und Rügenwalde im Osten, entwickelte sich neben der Schiffahrt eine
Industrie, die dem Lande mit seiner Landwirtschaft diente. Die pommerschen
Ostseebäder lockten jährlich Zehntausende Menschen an und schenkten ihnen
Erholung. Ob wir die Bäder auf der größten Insel Deutschlands, Rügen, nennen:
Binz Sellin, Saßnitz, oder der beiden Schwesterinseln Usedom-Wollin, wie
Swinemünde, Ahlbek, Heringsdorf, Misdroy, oder die großen und bekannten
Bäder Hinterpommerns, Kolberg, Stolpmünde, Leba — sie alle dienten dem
Menschen. Hier fand er ein Land vor, das noch Oasen der Einsamkeit besaß:
Die weißen Sandwälle der Lonzke-Düne, verträumte rostrote, sich weit
dehnende Kiefernwälder.

Pommern ist ein Land, das eine bewegte Geschichte aufweist. Schwer hat
dieses Land um seine politische Einheit ringen müssen. Der mächtige Städte-
bund der Hanse, die Ritter des deutschen Ritterordens, Bischöfe und Mönche,
Herzöge und Grafen, Schweden und Polen haben um das Ganze oder um Teile
dieses Landes gerungen. Die Kriegsfackel hinterließ ihre Spuren. Immer aber
war es der deutsche Mensch, der diesem Landstrich das Gesicht gab. Und
stets war es die Klammer des Meeres, mit den Winden im Wechsel der Jahres-
zeiten, die den Menschen zu sich selbst zurückfinden ließ, seine Leistungen
bestimmte — und es waren große Leistungen, die vollbracht wurden – und
den Maßstab für jegliches Handeln gab.

In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts trat Pommern in das Licht der
Geschichte. Es war die Zeit, als Heinrich I. und Otto der Große begonnen hatten,
die Herrschaft des Deutschen Reiches über die Elbslawen auszudehnen. Wo
standen die Pomoranen, ein slawischer Stamm, der damals Pommern bewohnte ?
Sie standen nicht auf Seiten der Polen. Herzog Boleslaw von Polen nahm um
das Jahr 1120, nachdem er viele Jahre mit den Pomoranen gekämpft hatte,
Stettin ein. Sein Ziel war es, Pommern, das ohne Gewaltanwendung innerlich
für das Christentum gewonnen werden sollte, fest an Polen zu binden. So rief
er Bischof Otto von Bamberg in das Land an der Oder. Dieser wurde zum wahren
"Pommernapostel".

1138 starb Boleslaw. Die Kirche in Pommern aber arbeitete nicht mit Polen zu-
sammen, sondern mit den Dänen, die auch die ersten Klöster im Pommernlande
gründeten. Das Land hatte politisch unter den Erbteilungen der Nachkommen
Boleslaws schwer zu leiden. Die Deutschwerdung Pommerns aber hatte im 12.
Jahrhundert mit dem Aufbau der Kirche begonnen. Ein Jahrhundert später
begannen die pommerschen Herzöge Barnim I. und Wartislaw III. den Zuzug
deutscher Ritter bewußt zu organisieren. Eine zweite, intensivere Welle
deutscher Kolonisation setzte ein. Städte wurden gegründet. Ritter und Adel
begannen ihr großes Werk der Siedlung, das bis in unsere heutigen Tage seinen
festen Bestand gehabt hat. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war Pommern zwar
noch kein völkisch einheitliches Land. Verstreut waren die deutschen Dörfer-
gruppen und Städte. Aber im Laufe der folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte
wuchs das Siedlungswerk, das einst wenige deutsche Menschen begonnen hatten:
Bauern aus vielen Teilen Deutschlands, die mit den knarrenden Treckwagen
einst in die dunklen Wälder zwischen Oder und Weichsel aufgebrochen waren.
Pommern wurde deutsch, nachdem es den Polen nicht gelungen war, es pol-
nisch zu machen.

Und so deutsch blieb es, bis die slawische Flutwelle des letzten Krieges die
Deutschen, die aus Pommern ein blühendes Agrarland mit Deutschlands dritt-
größter See- und Hafenstadt Stettin gemacht hatten, aus einem 700-jährigen
deutschen Land vertrieb.

Von den Leistungen, die 700 Jahre altes Deutschtum in Pommern vollbrachte,
sollen hier einige Zahlen zeugen. Pommern hatte 1939 etwa 2,4 Millionen
Einwohner. Dieses Land, das zur Hauptsache landwirtschaftlich genutzt wurde,
hatte in der Periode der Jahre 1935/1939 folgende Durchschnittsernten:

Doppelzentner je ha
Getreide, insgesamt: Pommern 17,9; Altreich 20,3
Kartoffeln: Pommern 173,2; Altreich 173,2
Zuckerrüben: Pommern 319,2; Altreich 318,2
Futterrüben: Pommern 471; Altreich 454,6
Heu, insgesamt: 44,6; Altreich 49,4

Ostdeutschland ernährte eine eigene Bevölkerung von 9,5 Millionen und
lieferte weiterhin den Nahrungsmittelbedarf für etwa 6 Millionen Menschen.

Pommern hatte folgende Anteile an dieser Überschußlieferung:

Brotgetreide: Ostdeutschland (in 1.000 to) 1.398; Pommern 654;
Pommern 1 v. H. Ostdeutschlands 47

Kartoffeln: Ostdeutschland (in 1.000 to) 1.532; Pommern 853;
Pommern 1 v. H. Ostdeutschlands 54

Fleisch i. to.: Ostdeutschland (in 1.000 to) 20. 244; Pommern 106.739;
Pommern 1 v. H. Ostdeutschlands 50

Reinfett: Ostdeutschland (in 1000 to) 25 361; Pommern 18 592;
Pommern 1 v. H. Ostdeutschlands 74

Aber nicht nur die Landwirtschaft, Handel, Industrie und Handwerk zeugen
durch ihre Leistungen für die Wirtschaft Pommerns, des deutschen Ostens und
damit der Volkswirtschaft des ganzen deutschen Reiches. Ebenso zeugte dies
Land der Seen und Wälder, der stillen Dörfer und anheimelnden Städte für die
geistige Welt des deutschen Ostens. Nicht wenige der Großen unserer Nation
hatten ihre Wiege im Pommernlande. Menschen, deren Namen jeder im deutschen
Land kennt, von denen aber wohl wenige wissen, daß ihre Wiegen in dem Land
an der Oder gestanden haben. Heinrich von Stephan, der Reformer der deutschen
Post und Schöpfer des Weltpostvereins, wurde 1831 in Stolp geboren.
Otto Lilienthal, der Flugpionier, erblickte in der vorpommerschen Stadt Anklam
das Licht der Welt. Drei berühmte Ärzte, Forscher von Weltruf, waren Pommer-
sche Söhne: Rudolf Virchow, Theodor Billroth und Carl Ludwig Schleich.
Carl Loewe, Schöpfer unvergänglicher Balladen, wirkte lange Jahre als Musik-
direktor, Kantor und Organist an der Hauptkirche St. Jakobi in Stettin.
Die Maler Philipp Otto Runge (1777 in Wolgast geboren) und Caspar David Friedrich
(1774 in Greifswald geboren) setzten in ihren Werken der romantischen Landschaft
Pommern ein ewiges Denkmal.

Ein Albrecht von Roon, ein Joachim Nettelbek, ein „Papa" Wrangel dienten als
Soldaten dem König von Preußen. Sie waren Männer, die die Geschichte Preußens
und damit Deutschlands verantwortlich mitgestalteten. Sie waren Männer eines
Staates und einer Idee, deren oberster Leitsatz das „Dienen" war, das Dienen
in Verantwortung. Wie überhaupt der pommersche Adel den Königen von Preußen
viele Männer stellte. Soldaten und Beamte, die das Wirken in Freiheit und Verant-
wortung zu ihrem Lieblingsprinzip erhoben hatten. Der größte Sohn Pommerns
aber, der sein Leben der Freiheit verschrieb, war der in Schoritz auf Rügen
geborene Ernst Moritz Arndt. Sein Wirken hat weit in den deutschen Raum hinaus
gestrahlt. Sein Leben und sein Werk sind nicht zu trennen. Er lehrte an der
pommerschen Universität Greifswald als Professor, später in Bonn. Mit wach-
sender Empörung wandte er sich gegen die Gewalttaten Napoleons, wurde
zum Streiter der deutschen Befreiung von 1813. Die deutsche Einigung war
sein Lebensziel. Er stritt um Deutschlands geistige Erneuerung und für eine
neue gesellschaftliche Ordnung. Verfolgt von den ewig Gestrigen, denen die
Freiheit ein Dorn im Auge war, hatte er bittere Jahre zu erleiden. Seine Schriften
aber haben auch heute vieles zu sagen. Wie zeitnah und richtungweisend sind
jene Worte seiner Rede vom 30. Juli 1807:

„Unser Zeitalter ist schwer, unser Unglück groß .... aber für den, der nicht
an sich zweifelt, ist nichts verloren ! Wie haben wir gelebt in Sorgen und
Ängsten, und in törichten und vergeblichen ! Die Welt wird sich halten !
Sie wird sich aufrichten, wenn wir fest und aufrecht bleiben. Die Meteore
und Ungeheuer der Zeit werden, angebetet oder verflucht, zu ihrer Zeit
auch nur als Erinnerungen über Gräber schweben.

Wir wollen nicht verzagt sein, daß wir Stunden und Tage verzagt gewesen
sind. Unsere ganze Liebe, alle unsere Hoffnung, alle unsere Kraft wollen wir
in die Zeit legen und glauben sie sei zu retten ! Und sie wird gerettet
werden !

Fremde Fäuste können nicht helfen, wenn die eigenen schlaff sind. Aber die
Entscheidung des Zeitalters ruht mehr auf dem Wort und der Meinung, als auf
dem Befehl und auf dem Schwerte.

Klagt nicht um das Verlorene, seht nur aufs Künftige ! Herrschaft, die von
Schlechten verloren ward, wird durch Tüchtige wiedergewonnen. Die zerschla-
genen Städte, die verödeten Fluren bauen deutscher Fleiß und Sparsamkeit
schön wieder auf.

Darum klaget nicht, noch trauert um das Kleine, sondern sorget, daß das
Große erstehe und das Schlechte untergehe !

Wahrheit und Recht, Mäßigkeit und Freiheit seien die Halter unseres
künftigen Lebens. Darin wollen wir eins sein in Unglück und Schmach, so
werden unsere Enkel eins werden durch Glück und Glorie ! Dies ist mein
letztes Wort, dies unser höchster Glaube.".

Einen Mann mit edler Gesinnung wie Ernst Moritz Arndt wurde in Pommern
geboren. Er ist Pommerns größter Sohn. Ihn prägte ein Land, das weltoffen
war. In das die Winde aus Ost und West hineinwehten, Menschen aus Ost und
West hineinströmten, in dem sich alles verband, neue Form bekam und Gestalt
wurde. Ein Land, das Menschen mit einem deftigen Humor, voller Gradheit,
manchmal etwas schroffe und mißtrauisches Gestalten schuf, die aber ein
goldiges Herz und eine treue Seele haben. Ein Land mit einem eigenen
Herzschlag, schwingend im Rhythmus der Herzen jener Bauern, Fischer,
Handwerker, Beamten, Kaufleute, Soldaten, Adligen, die es formten zu dem,
was es war und trotz fremder Besetzung seiner einen Hälfte noch ist: ein
deutsches Land im Osten. Hans-Gerd Warmann

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, November 1957

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