Deutsche Mennoniten in Brasilien.

Quellen zur mennonitischen Familienforschung.

Deutsche Mennoniten in Brasilien.

Beitragvon -sd- » 21.10.2016, 08:30

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Deutsche Mennoniten in Brasilien. Neue deutsche Dörfer im Staate Parane.

Seit die Spanier in Friesland die Sekte der Mennoniten auf das grausamste
zu verfolgen begannen, sind diese friesisch-niedersächsischen Menschen
gewissermaßen immer auf Wanderschaft. Sie wanderten nach West und Ost,
übers Weltmeer und über die Steppen Rußlands bis weit nach Sibirien.
Eine zähe Rasse voll unbändigen Fleißes, geborene Kolonisatoren, die fast
überall, wohin sie das Schicksal stellte, Erfolg gehabt haben. Tiefreligiös,
innerlich und äußerlich sauber, konservativ in den meisten Dingen des
täglichen Lebens, aber unternehmungslustig und wirtschaftlich denkend,
stellen die Mennoniten einen ganz eigenen Typ niederdeutschen Menschentums
dar, der kaum unterzukriegen ist. Jene ersten planmäßig nach Nordamerika
eingewanderten dreizehn Krefelder Leineweberfamilien, die am Rande von
Philadelphia Germantown gründeten, waren Mennoniten. Mennoniten haben die
Sumpflandschaften an Weichsel und Nogat kolonisiert. Ihre Söhne zogen weiter
auf die Steppen Südrußlands, die sie zur Kornkammer des Zarenreiches werden
ließen. Von hier wanderten Zehntausende nach Kanada, als sie in Rußland
nicht mehr nach ihren religiösen Gesetzen leben durften, die ihnen Waffen
zu tragen und Kriegsdienste zu leisten, verbieten. Und nach dem ersten
Weltkrieg machten sich Tausende aus Rußland wieder auf den Weg nach
Übersee. Ihre in Kanada lebenden Verwandten halfen ihnen zu einem neuen
Start in Mexiko, Argentinien und Brasilien. Diese neue Wanderschaft hat
vielen von ihnen eine neue Heimat geschenkt, andere aber zogen bald von
ihren Neugründungen weiter, weil sie nicht das gefunden hatten, was sie
sich versprachen, denn sie wollen blühende Siedlungen besitzen, die ihnen
guten Verdienst abwerfen. Viele dieser 1923 aus Rußland ausgewanderten
Mennoniten hatten sich im Staate Rio Grande do Sul angesiedelt, wo aber
ihre Siedlungen nicht recht gedeihen wollten. Sie siedelten 1951 in die
Nähe von Curitiba im Staate Parana um und wurden zum Teil Milchbauern, die
bereits nach wenigen Jahren einen großen Teil des Milchhandels dieser
ständig wachsenden Großstadt in ihre Hand gebracht haben. Sie liefern
täglich etwa 15.000 Liter Vollmilch in die Stadt und verteilen sie selber
in die Häuser. Rund 100 Familien haben sich in der Vorstadt Vila Gnaira
und in der Stadt selbst als Fabrikarbeiter, Kaufleute und selbständige
Unternehmer niedergelassen. Hauptsächlich befassen sie sich mit der
Erzeugung von Sperrholz, und sie haben zu diesem Zweck eine Reihe eigener
Betriebe eröffnet.

Die Kolonie Wittmarsum in Parana.

Diese Kolonie wurde 1952 auf dem Gut des ehemaligen Senators Roberto Glaser
gegründet, der 1951 sein fast 8.000 ha zählendes Besitztum an die Mennoniten
verkaufte. Hier sind nun im Laufe der letzten drei Jahre vier Dörfer ent-
standen, in denen insgesamt 80 Familien wohnen. Das ganze Gebiet ist aber
in 130 Landlose eingeteilt, so daß noch weitere 50 Familien erwartet
werden. Hier beginnt sich nun ein Gemeindewesen zu entwickeln, das ganz
bewußt an die Tradition des Gemeinschaftslebens in Rußland anknüpft, um
auf diese Weise besser das Erbe der Väter erhalten zu können. In wirtschaft-
licher Hinsicht hat sich diese Kolonie ganz auf den Absatzmarkt in Curitiba
eingestellt und liefert vor allem größere Mengen Butter und Käse in die Groß-
stadt, stellt sich aber auch schon sehr auf Schweinemast und Reisbau ein.
Die Siedler haben erkannt, daß eine gesunde Milchwirtschaft die beste Grund-
lage für ihre wirtschaftliche Zukunft bildet. Witmarsum ist auf offenem
Kampfland angelegt worden, und die Siedler haben in wenigen Jahren den
Beweis erbracht, daß der Kampfboden bei entsprechender Bearbeitung und
Pflege gute Erträge zu bringen vermag. Durch seine milch- und landwirt-
schaftlichen Erfolge hat es bereits die Aufmerksamkeit weiter Kreise,
besonders auch der Regierung, auf sich gelenkt, und dürfte in Zukunft als
Beispiel für die Anlage von Neusiedlungen in dem geplanten Grüngürtel um
Curitiba dienen. So sind die Mennoniten auch hier wieder als landwirtschaft-
liche Pioniere tätig.

Laureira da Silva bei Bagé.

Auch hier handelt es sich um eine neue Bauernsiedlung nach dem Vorbild der
Kolonisation in Rußland. Die rund 100 Familien sind hier ganz zur Wirtschafts-
form der Väter im Osten zurückgekehrt, indem sie wieder Weizen und Mais im
Großbetrieb anbauen. Es bestehen hier zwei Dörfer, denen noch eine dritte
Siedlung hinzuzurechnen ist, die durch Einzelhöfe von Mennoniten aus der
Umgebung von Curitiba gegründet wurde. Die Siedler sind hier zum größten
Teil zur mechanisierten Landwirtschaft übergegangen und erzeugen jedes Jahr
große Mengen Weizen für den Brotbedarf in Brasilien. Da die brasilianische
Regierung auf die Förderung des Weizenanbaues großes Gewicht legt, sind die
Mennoniten hier sehr willkommene Siedler. Durch ihren Fleiß und ihre wirt-
schaftliche Tüchtigkeit haben sie sich das Vertrauen der Banken und Regierungs-
organe erworben und bilden heute bereits einen beachtlichen Faktor im Gebiet
von Bagé.

In der landwirtschaftlichen Tätigkeit liegt überhaupt die Bedeutung der
Mennoniten für den brasilianischen Staat, zumal sich in allen Teilen des
Landes infolge des ungesunden Zuges in die Stadt ein Mangel an Bauern und
Landarbeitern bemerkbar macht. Die bäuerliche Lebensform bietet den Mennoniten
aber auch die beste Möglichkeit zur Erhaltung ihrer Gemeinschaft und zur
Wahrung des väterlichen Erbes. Der Einfluß der Stadt hat sich auf das deutsche
Gemeinschaftsleben noch immer nachteilig ausgewirkt. Die Mennoniten versuchen
ihre alte Lebensform dem neuen Lande anzugleichen. Geschähe das nicht, dann
würden sie in absehbarer Zeit als Sondergruppe verschwinden. Das mennonitische
Gemeinschaftsleben mit seiner preußisch-rußländischen Tradition kann wohl nur
auf der Grundlage einer geschlossenen bäuerlichen Siedlung erhalten werden.
Darin liegt die große Bedeutung der mennonitischen Neusiedlung für die Zukunft
ihrer Gemeinschaft in Brasilien.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE-Warte, März 1958

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