Dienstmädchen im Berlin der Jahrhundertwende.

Einige Berufsgruppen und deren Arbeitsbedingungen
u.a. Eisenbahner, Postbedienstete, Lehrer/innen, Förster, Müller, 'Unstete Berufe'.
Biographien deutscher Parlamentarier 1848 bis heute.

Dienstmädchen im Berlin der Jahrhundertwende.

Beitragvon -sd- » 17.02.2016, 09:26

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Dienstmädchen in Berlin um die Jahrhundertwende.

Mein Großvater hat immer erzählt, daß seine Mutter um 1900
aus Bomst in Posen nach Berlin "in Stellung gegangen ist".

Ich habe dazu einige Fragen zu den zahlreichen Dienstmädchen,
die es in Berlin gab.

Wie habe ich mir das vorzustellen ?
Gab es eine zentrale Anlaufstelle, von der die Mädels dann verteilt wurden ?
Hat sich das Mädchen die Stelle selbst gesucht ?
Waren die Mädels irgendwo registriert ?
Gab es irgendwelche Absicherungen für die Mädchen ?
Wer bezahlte z.B. den Arzt etc. wenn sie mal krank waren ?
War das Dienstverhältnis zeitlich begrenzt, wenn nicht geheiratet wurde ?

Norbert Seyer, Königs Wusterhausen


Hallo Dieter, kein Problem, das geht in Ordnung.
Da haben ja alle etwas davon. Gruß aus KW, Norbert


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Schon um 1870 / 1880 gab es sogenannte "Gesinde-Vermiethungs-Comtoirs"
oder so ähnlich. Die boten in Zeitungen, wie dem 'Osthavelländischen Kreisblatt'
Dienstleute an.

Klaus-Peter Fitzner, Bredow

Osthavelländisches Kreisblatt 1876, Nr. 24:

Nauen. Nach § 24 der Gesinde-Ordnung vom 8. November 1810 soll das Gesinde,
wenn der Tag des Dienstantrittes auf einen Sonn- oder Feiertag fällt, an dem
nächsten Werktage vorher anziehen. Da in diesem Jahre der 2. April, an
welchem der Dienstantritt gesetzlich erfolgen soll, auf einen Sonntag fällt, so
muß das Gesinde, wenn nicht ein Anderes bei der Vermietung ausdrücklich
ausbedungen ist, bei dem bevorstehenden Quartalwechsel schon am 1. d. M.
anziehen.

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Im Magazin des Berliner Mietervereins, Ausgabe 1+2 / 2016, ist ein von
Jens Sethmann verfaßter Artikel zum Thema 'Dienstmädchen im Berlin der
Jahrhundertwende' ("Auguste auf dem Hängeboden") zu finden.
Dieser lesenswerte, aufschlußreiche Artikel ist im Internet zugänglich:
http://www.berliner-mieterverein.de/mag ... 011624.htm

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Dienstmädchen - Mädchen für alles.

Beitragvon -sd- » 30.04.2020, 17:46

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Auch meine Urgroßmutter war in Berlin in Stellung. Sie kam aus Posen.
Für meine Familienchronik habe ich einen kleinen Abschnitt dazu verfaßt:

"Laut Aussagen von Johannes Seyer, ging seine Mutter kurz nach der
Jahrhundertwende nach Berlin "in Stellung". Sie war eine von etwa
45.000 jungen Mädchen, die jährlich in die Reichshauptstadt zogen,
um dort eine Anstellung als Dienstmädchen zu finden. Der erste Weg
führte die jungen Mädchen aus der Provinz häufig in eines der zahl-
reichen Vermittlungsbüros für Hausangestellte, in der Hoffnung,
eine Anstellung vermittelt zu bekommen. Besser hatten es die Neu-
ankömmlinge, die bereits über Kontakte in der Stadt verfügten.
Welcher Fall für Marianne galt, ist noch nicht geklärt.

Der Dienst, den die Hausmädchen zu absolvieren hatten, war hart,
auch wenn man die harte Arbeit vom Lande gewöhnt war. Sie schufteten
bis zu 16 Stunden am Tag und hatten nur jeden zweiten Sonntag frei.
Hausmädchen waren die ersten, die früh aufstehen mußten, um Wasser
zu holen, die Öfen zu entzünden und das Essen zuzubereiten. Über
den Tag wurde Wäsche gewaschen, eingekauft, geputzt und jede andere
Arbeit im Haushalt erledigt. Sie waren sprichwörtlich die Mädchen
für alles. Abends waren sie die letzten, die zu Bett gehen konnten.
Ihre Schlafstatt stand in einer winzigen Kammer unter der Treppe,
auf dem Dachboden oder gleich in der Küche. Oft waren Zwischenböden
in den hohen Berliner Wohnungen eingezogen worden, auf denen die
Mädchen mit ihren wenigen Habseligkeiten hausten.

Rechte und Pflichten der Dienstmädchen wurden durch die Preußische
Gesindeordnung geregelt. Jedes Dienstmädchen hatte ein Gesindebuch,
in dem die Hausherrin die Dauer der Dienstzeit und ein kurzes
Arbeitszeugnis eintrug. Gute Zeugnisse waren wichtig, um möglichst
gute Stellungen zu erhalten."

Kennengelernt haben sich meine Urgroßeltern übrigens in der Kirch-
gemeinde. Häufig kamen Kontakte auch über Arbeitskollegen zustande.

Norbert Seyer, Königs Wusterhausen

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Hallo Dieter, das kannst Du gern machen. Als Quelle hierzu diente u.a.
der von einem anderen Forscher angesprochene Text des Berliner Mieter-
vereins. Gruß Norbert
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