'Aphorismen': Maria von Ebner-Eschenbach.

'Aphorismen': Maria von Ebner-Eschenbach.

Beitragvon -sd- » 28.04.2020, 17:23

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Das Mitleid des Schwächlings ist eine Flamme, die nicht wärmt.

Etwas sollen wir unseren sogenannten guten Freunden
immer abzulernen suchen -
ihre Scharfsinnigkeit für unsere Fehler.

Nicht jene, die streiten, sind zu fürchten,
sondern jene, die ausweichen.

Die Teilnahme der meisten Menschen
besteht aus einer Mischung von Neugier und Wichtigtuerei.

Es gibt Fälle, in denen vernünftig sein feige sein heißt.

Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.

Wenn du einen vielbetretenen Weg lange gehst,
so gehst du ihn endlich allein.

Die Menschen, denen wir eine Stütze sind,
geben uns den Halt im Leben.

Nichts entfernt zwei innerlich wenig verwandte Menschen
mehr voneinander als das Zusammenleben.

Was liegt dem Narren an einem vernünftigen Menschen ?
Die wichtigste Person für ihn ist der andere Narr,
der ihn gelten läßt.

Arme Leute schenken gern.

Ein Schwachkopf, der über andere Menschen urteilen soll,
kann sich höchstens in ihre Lage,
nie aber in ihre Denk- und Empfindungsweise versetzen.

Über das Kommen mancher Leute tröstet uns nichts
als - die Hoffnung auf ihr Gehen.

Was nennen die Menschen am liebsten dumm ?
Das Gescheite, das sie nicht verstehen.

Du wüßtest gern, was deine Bekannten von dir sagen ?
Höre, wie sie von Leuten sprechen, die mehr wert sind als du.

Wer in die Öffentlichkeit tritt,
hat keine Nachsicht zu erwarten und keine zu fordern.

Wer niemals Ehrfurcht empfunden hat,
wird sie auch niemals erwecken.

Überlege einmal, bevor du gibst, zweimal, bevor du annimmst,
und tausendmal, bevor du verlangst.

Treue üben ist Tugend, Treue erfahren ist Glück.

Nächstenliebe lebt mit tausend Seelen,
Egoismus mit einer einzigen, und die ist erbärmlich.

Der Spott endet, wo das Verständnis beginnt.

Liebe ist Qual, Lieblosigkeit ist Tod.

Die Grausamkeit des Ohnmächtigen äußert sich als Gleichgültigkeit.

Man bleibt jung, solange man noch lernen,
neue Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen kann.

In der Jugend meinen wir, das Geringste,
das die Menschen uns gewähren können, sei Gerechtigkeit.
Im Alter erfahren wir, daß es das Höchste ist.

Die Menschen der alten Zeit sind auch die der neuen,
aber die Menschen von gestern sind nicht die von heute.

Grobheit - geistige Unbeholfenheit.

Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst.

Der einfachste Mensch ist immer noch ein sehr kompliziertes Wesen.

Freundlichkeit kann man kaufen.

Je ungebildeter ein Mensch,
desto schneller ist er mit einer Ausrede fertig.

Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender
für sie als für uns.

Geistlose Lustigkeit - Fratze der Heiterkeit.

Steril ist der, dem nichts einfällt;
langweilig ist, wer ein paar alte Gedanken hat,
die ihm alle Tage neu einfallen.

Es gibt wenige aufrichtige Freunde -
die Nachfrage ist auch gering.

Nur der Denkende erlebt sein Leben,
am Gedankenlosen zieht es vorbei.

Wenn ihr wüßtet, daß ihr solidarisch seid für jedes
begangene Unrecht, das Lästern würde euch vergehen.

Der Ignorant weiß nichts,
der Parteimann will nichts wissen.

Wir sind in Todesangst, daß die Nächstenliebe sich
zu weit ausbreiten könnte, und richten Schranken
gegen sie auf - die Nationalitäten.

Alle historischen Rechte veralten.

Ein armer wohltätiger Mensch kann sich manchmal
reich fühlen, ein geiziger Krösus nie.

Es gäbe keine soziale Frage, wenn die Reichen von jeher
Menschenfreunde gewesen wären.

Wer hat nicht schon das, was er sich zutraut,
für das gehalten, was er vermag ?

Immer wird die Gleichgültigkeit und die Menschenverachtung
dem Mitgefühl und der Menschenliebe gegenüber
einen Schein von geistiger Überlegenheit annehmen können.

Während ein Feuerwerk abgebrannt wird,
sieht niemand nach dem gestirnten Himmel.

Die glücklichen Sklaven sind die erbittersten Feinde der Freiheit.

Überlege wohl, bevor du dich der Einsamkeit ergibst,
ob du auch für dich selbst ein heilsamer Umgang bist.

Nichts schwerer als den gelten lassen,
der uns nicht gelten läßt.

Wenn wir die ersehnte Ruhe endlich haben werden,
werden wir nichts mehr von ihr haben.

Geistlose kann man nicht begeistern,
aber fanatisieren kann man sie.

Eine stolz getragene Niederlage ist auch ein Sieg.

Schaffen führt zum Glauben an einen Schöpfer.

Die kleinen Miseren des Lebens helfen uns manchmal
über sein großes Elend hinweg.

Quelle:
Maria von Ebner-Eschenbach 'Aphorismen'.
Insel-Bücherei Nr. 543

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