Koch verweigert die Aussage.

Koch verweigert die Aussage.

Beitragvon -sd- » 02.11.2017, 20:10

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Koch verweigert die Aussage.

Der Prozeß gegen den ehemaligen Gauleiter von Ostpreußen und Reichs-
kommissar in der Ukraine, Koch, ist — wir berichteten darüber bereits vor
einiger Zeit — auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Wie in Warschau
offiziell bekanntgegeben wurde, liegt Koch gegenwärtig wegen einer Magen-
und Herzerkrankung in einem Warschauer Gefängniskrankenhaus. Der Prozeß
sollte ursprünglich am 28. Januar eröffnet werden. Nach Darstellung der
polnischen Justizbehörden ist die Beweisaufnahme gegen den Angeklagten
außerordentlich schwierig, da er sich weigere, Aussagen zu machen.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 23. Februar 1957

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Koch verweigert die Aussage.

Beitragvon -sd- » 20.01.2021, 21:23

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Gauleiter Koch als Sommerfrischler. Wie er vier Jahre lang als Major a. D. Rolf Berger,
fünfzig Kilometer nördlich von Hamburg lebte.


Wie war das überhaupt möglich, wie konnte sich Koch vier Jahre lang unweit von Hamburg
und mitten unter Ostpreußen aufhalten, ohne daß er erkannt wurde ? Was machte er in der
ganzen Zeit ? Und wie wurde er schließlich doch erkannt und verhaftet ?

Das sind so die Fragen, die vor allem die Ostpreußen stellen, wenn sie jetzt über den Mann
sprechen, von dem zwölf Jahre hindurch ihr Wohl und Wehe und ihr Schicksal abhing, den
Mann, der darüber hinaus ganz persönlich verantwortlich ist für die Qualen und die Leiden
und den Tod unzähliger Menschen.

Ein Hundsfott, wer sich selbst in Sicherheit bringt !

Blicken wir kurz zurück auf die Zeit zwischen 1944 und April 1945. Zahllos waren die Reden,
in denen der Gauleiter, Oberpräsident, Reichsverteidigungskommissar und Reichsstatthalter
Koch den Mund voller tönender Phrasen nahm. Im September 1944 sagte er z. B. vor ost-
preußischen Männern, Frauen, Jungen und Mädchen, die an der ostpreußischen Ostgrenze
Panzergräben aushoben: Der Führer ist in dieser Stunde mit all seinen Gedanken bei uns.
Er wird Ostpreußen niemals preisgeben. Seine besten Divisionen werden die Stellungen, die
ihr baut, unerschütterlich gegen den Ansturm des Bolschewismus halten, bis neu ausgerüstete
deutsche Armeen die bolschewistischen Horden wieder bis an den Ural zurücktreiben. Ein
Hundsfott, wer jetzt als Ostpreußen sich nur eine Sekunde dem Gedanken hingibt, Ostpreus-
sen werde jemals fallen und daran denkt, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Unsere Sicher-
heit ist hier. Unsere stärkste Sicherheit liegt im Glauben an den Führer. In dieser Tonart,
die noch untermalt wurde mit Androhungen der schwersten Strafen, ja der Todesstrafe,
ging es die ganze Zeit hindurch.

Die nationalsozialistische Propaganda überschlug sich in Darstellungen, wie gewaltig die
Befestigungsanlagen seien, die Koch errichten ließ, und sie stellte vor allem immer wieder
seine ganz persönlichen Verdienste heraus. Koch wurde auch als der geniale Erfinder einer
besonderen Art von Bunker gepriesen und gefeiert. Nach dem Muster: „Mein Führer,
ich melde . . „. wurde mit Zahlen nur so herum geworfen. Die Länge der unter seiner
Leitung hergestellten Gräben sollte das Mehrfache der des Äquators betragen, und die
Zahl der ausgehobenen Kubikmeter Erde ging in die Millionen. Alles stand unter der von
Koch ausgegebenen Parole: „Kein Russe wird ostpreußischen Boden betreten. Ein Verräter,
wer auch nur daran denkt, dass Ostpreußen preisgegeben werden könnte“. Als es dann
darauf ankam, erwiesen sich die Gräben, wie es auch nicht anders zu erwarten war, als
vollständig wertlos. Auch als die Russen weiter in Ostpreußen eindrangen, als die grauen-
haften Vorgänge von Nemmersdorf und anderen Orten bekannt wurden, als unsere Soldaten
das verlorengegangene Goldap wieder einnahmen und dabei dort keinen lebenden deut_
schen Menschen mehr vorfanden, selbst da wurde von Koch die Räumung verhindert. Ein
Offizier aus dem Stabe der Heeresgruppe hatte in einer Unterredung mit Koch noch einmal
die Notwendigkeit einer Evakuierung der Zivilbevölkerung betont. Koch hatte erwidert:
„Ihre Aufgabe ist nicht, Ostpreußen zu räumen, sondern bis zum letzten Blutstropfen
zu halten. Dazu gehört allerdings mehr als Generalstabsausbildung, nämlich der Glaube
an den Führer. Gott sei Dank bestimmen im Führerhauptquartier nicht mehr die Generale,
sondern die Gauleiter. Ostpreußen wird behauptet, so lange der Führer befiehlt. Und die
Ostpreußen werden auf dem Schlachtfeld ihrer Heimat fallen, wenn der Führer es von
ihnen verlangt. Es gibt keinen anderen Gedanken. Wer andere Gedanken hegt, ist ein
Verräter“. Drei Wochen später hielten deutsche Soldaten in der Nähe von Danzig inmitten
des grauenhaften Elendszuges der ostpreußischen Flüchtlinge einen Lastzug mit acht
schweren Wagen und einem Tankwagen an, der sorgfältig ausgewählten Privatbesitz Kochs
nach dem Westen brachte. Sie hatten nur die Macht, den Tankwagen zu beschlagnahmen,
der Heeresgut war, den Lastzug selbst mußten sie weiterfahren lassen.

Während dann in der zweiten Hälfte des Januar 1945 viele Hundert Trecks, bei manchmal
dreißig Grad Kälte und im Schneetreiben den Russenpanzern zu entkommen versuchten,
während die Soldaten mit letzter Kraft sich der herandrängenden Flut der russischen
Divisionen entgegenstemmten und während Knaben und Männer den Russen als Kanonen-
futter vorgeworfen wurden, da brachte es der Mann, der den Mund so voll genommen
und den Männern bei Todesstrafe verboten hatte, Frauen und Kinder rechtzeitig in Sicher-
heit zu bringen, fertig, sich selbst rechtzeitig „abzusetzen“. Er schlug sein Hauptquartier
in Neutief auf, einem Dörfchen auf der Frischen Nehrung. Von dort gab er die Parolen,
die man dann als große Transparente über die Straßen von Königsberg spannte: „Schlagt
die russischen Hunnen tot, wo ihr nur könnt !“ – „Königsberg bleibt deutsch !“ - „Schlagt
den Russen die Zähne ein !“ - „Ostpreußens Volkssturm vor der Bewährung !“ In der Stadt
ließ er Flugblätter „An meine Königsberger !“ verteilen. Der Volkssturm wurde mit flam-
menden Worten zum Ausharren und zum Kampf bis zum letzten Atemzuge für die ost-
preußische Heimat aufgefordert. Während Zehntausende von Frauen und Kindern um-
kamen und andere Zehntausende unter kaum zu beschreibenden Strapazen ihr nacktes
Leben zu retten versuchten, ließ er Sonderzüge mit seinem Privateigentum und mit den
Frauen der prominentesten Nazis nach dem Westen abdampfen. Ein Sonderkommando
des Volkssturms musste das 2000 Morgen große Gut Groß-Friedrichsberg bei Königsberg,
das Koch sich hatte schenken lassen, und zu dem noch 500 Morgen von dem Nachbargut
Metgethen hinzugekommen waren, bewachen, auf daß nur ja sein persönliches Eigentum
nicht angetastet werde und niemand es wage, in dem zu einem Luxusschloß ausgebauten
Gutshaus Quartier zu machen.

Ein Gauleiter, drei SS-Offiziere, vier Damen.

Seit dem Beginn des Kampfes um Ostpreußen stand für Koch ein mit Flak bewaffneter
und von seinen Leuten gesicherter großer Hochseeschlepper zur Flucht bereit; mit
diesem floh er von Neutief weiter nach Hela. Dort verlangte er von dem Kommandanten
ein Sondergeleit nach Swinemünde. Der Kommandant lehnte diese Forderung ab und
antwortete Koch, er möchte, wenn er wolle, sich mit seinem Dampfer einem Flüchtlings-
geleitzug anschließen. Es hatten sich damals auf Hela viele Zehntausende von Verwundeten,
Kranken und Flüchtlingen zusammengedrängt, die verzweifelt auf eine Möglichkeit warteten,
über See abtransportiert zu werden; der Landweg war ja schon lange unterbrochen. Immer
wieder stürzten über Hela russische Flugzeuge aus den Wolken und warfen ihre Bomben
zwischen die Menschen. Der Kommandant forderte nun von Koch, er möge Flüchtlinge
an Bord seines Schiffes nehmen, und es wurden auch aus der Elendsmenge zweihundert
Menschen zusammengestellt, die man auf das Schiff von Koch bringen wollte. Es war
damals ja so, daß jedes nach Westen fahrende Schiff weit über die Grenze seiner Trag-
fähigkeit mit Menschen beladen wurde. Ein Augenzeuge, ein ehemaliger Major, berichtet,
daß sich in den Stunden, in denen Koch von Hela flüchtete, dort nur der Hochseeschlepper
von Koch und ein Sperrbrecher befanden. Man war dabei, den Sperrbrecher mit Verwun-
deten, Kranken und Flüchtlingen zu beladen. Auf den Hochseeschlepper von Koch durfte
niemand hinauf; auf dem Laufsteg stand ein SS-Sturmführer, der alle Verwundeten und
Flüchtlinge, die Kochs Schiff betreten wollten, auf den gegenüberliegenden Sperrbrecher
verwies. Dieser konnte natürlich nur einen winzigen Bruchteil der Menschenmasse auf-
nehmen. Auch der Augenzeuge kam als Verwundeter zu dem SS-Wachposten. Auf die
Frage, warum dieser Dampfer nicht mit Verwundeten belegt würde, antwortete der SS-
Sturmführer zunächst höflich und schließlich in auffahrendem Ton, das Schiff sei für
Gauleiter Koch reserviert. Dann erschien auch „Herzog E. K. I. von Ostpreußen“ in Beglei-
tung von drei SS-Offizieren und vier „Damen“ und schritt durch die verzweifelten Menschen
hindurch auf das für ihn reservierte Schiff. Volksverbunden, wie er nun einmal immer
gewesen war, dampfte er auf dem leeren Dampfer um 21 Uhr ab in Richtung Westen,
gefolgt von dem überfüllten Sperrbrecher. Auch am nächsten Tag waren beide Dampfer
noch zusammen, dann war Kochs Dampfer plötzlich verschwunden. Man sprach davon,
daß er in Kopenhagen angekommen sei.

Das war die Art, wie Koch seine in Reden und in Aufrufen immer wieder hinausgeschriene
Parole „Siegen oder fallen!“ Selbst befolgt hatte.

Einsam im Wald, da liegt der Tannenhof.

Koch war und blieb verschwunden. Viele vermuteten, er sei ins Ausland gegangen, viel-
leicht nach Argentinien. Eine gewisse Berechtigung für diese Annahme gab die Tatsache,
daß Frau Koch im Jahre 1934 zusammen mit der Frau des damaligen Reichsbischof Müller
eine mehrmonatige Reise nach Argentinien gemacht hatte. Es wurde damals die Vermu-
tung ausgesprochen, daß Frau Koch dabei Devisen ins Ausland geschafft und in irgend-
einer Form angelegt habe. (Eine andere Lesart ist die, Frau Koch habe damals Dokumente
herausgebracht, welche Hitler und die Partei stark belasten. Als im Spätherbst 1935 die
Untersuchung gegen Koch wahrhaft tolle Dinge ans Licht brachte und Hitler Koch darauf
in Berlin gefangen setzte, bekanntlich war Koch damals bereits nach Lichterfelde geschafft
worden, um erschossen zu werden, soll Koch seine Freilassung und Wiedereinsetzung in
seine Ämter durch die Drohung erzwungen haben, es würden bei seinem Tode die ins
Ausland geschaffenen Dokumente veröffentlicht werden.)

Aber Koch befand sich weder in Argentinien, noch hat er Giftampullen geschluckt und sich
in die Ostsee gestürzt, in der bei dem Untergang der Wilhelm Gustloff, der Steuben und
der Goya, viele Tausende von Ostpreußen und Tausende von Verwundeten aus allen deut-
schen Gauen ihr Grab gefunden hatten, er führte vielmehr in einer idyllischen Gegend
Holsteins ein geruhsames und behagliches Leben. Rechtzeitig hatte er sich falsche Papiere
besorgt, die auf den Namen eines Majors Rolf Berger lauteten. (Nach der Verhaftung ant-
wortete er auf die Frage der Polizei, wie er auf den Namen Berger gekommen sei, er
stamme ja aus dem Bergischen Land am Rhein, und daher sei ihm dieser Name so in den
Sinn gekommen.) Er gab sich also als Major Berger aus, blieb dann auch in unmittelbarer
Nähe des Arbeitsdienstlagers Fuhlenrüe, aus dem heraus er zur Entlassung gekommen war.
Von vornherein ging er darauf aus, nicht in einem geschlossenen Dorf Unterkunft zu finden,
sondern er bemühte sich, auf irgendeinen einsam gelegenen Hof zu gelangen, und so kam
er nach dem Neuen Tannenhof, einer Bauernwirtschaft, die inmitten weiter Tannenwälder
liegt. Es ist eine anmutige und landschaftlich recht abwechslungsreiche, in der die zu der
Gemeinde Hasenmoor gehörige Ortschaft Fuhlenrüe liegt. Von Bad Bramstedt aus fährt
man auf der asphaltierten Straße acht Kilometer weit nach Osten, biegt rechts in die
weiten Tannenwälder ein und ist bald vor dem Hof, der eher wie ein großer Speicher
aussieht und nichts von dem Gemütlichen oder gar Malerischen eines Bauernhauses hat.
In diesem Haus hatte Koch im ersten Stock ein Zimmer erhalten, und hier lebte er die
ganzen Jahre hindurch bis zu seiner Verhaftung.

Ostpreußische Familien erkennen ihn nicht.

Natürlich hatte Koch alles getan, um sich unkenntlich zu machen. Der Schnurrbart war
gefallen, er hatte sich eine Brille zugelegt, die Mütze zog er möglichst tief in das Gesicht
hinein, und er hatte es sich angewöhnt, einem Menschen möglichst nicht in die Augen
zu sehen. So kam es denn, daß auch die vier im gleichen Hause wohnenden ostpreußi-
schen Familien ihn nicht als ihren ehemaligen Gauleiter erkannten. Dabei lebte Koch
keineswegs einsiedlerisch oder auch nur zurückgezogen; im Gegenteil, er verbrachte
oft täglich mehrere Stunden bei einer Frau, die mit ihren Kindern auf der anderen
Seite des Bodens in einem Zimmer wohnte - der Mann arbeitete bei einem Bauern in
der Nähe -, und mit einer anderen ebenfalls am gleichen Flur wohnenden Königsberger
Familie stand er sich so gut, daß der Mann ihn häufig mit wenig wählerischen Ausdrücken
belegte. Koch legte anscheinend großen Wert darauf, mit allen auf gutem Fuße zu stehen,
und er betonte oft, daß besonders die auf dem Boden wohnenden Familien zusammen-
halten müßten. Weniger Glück hatte er mit einer im Erdgeschoß wohnenden Frau.
Einmal bat er diese, für ihn doch ein paar Kartoffeln mit zu braten, und dabei wußte er
natürlich besser als die Frau, wie Kartoffeln gebraten werden müssten. Worauf dann die
Frau, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, wer ihr Bratkartoffelgast Rolf Berger in
Wirklichkeit war, ihm sagte: „Lassen Sie man ! Viele Köche verderben den Brei, und
ein Koch ganz Ostpreußen ! Koch hatte allen Anlaß, darauf nichts zu erwidern. Im
Übrigen beschuldigt ihn die gleiche Frau, ihr die Lenkstange aus ihrem Fahrrad gestohlen
und in sein Fahrrad eingebaut zu haben. Als sie ihn stellte und zur Polizei gehen wollte,
fuhr er mit seinem Fahrrad fort, wie er es jeden Abend zu tun pflegte, und als er dann
zurückkam, hatte er die gestohlene Lenkstange wieder durch eine andere ersetzt. Über-
haupt war der große Mann von ehedem, der sich rühmte, daß sein Herrschaftsbereich
von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer gehe, jetzt mitten drin in dem keineswegs
großzügigen Betrieb eines bis auf den letzten Platz mit Vertriebenen belegten Hauses.

Im Übrigen lebte er einen sehr gemütlichen Tag. Irgendeinen Beruf oder irgendeine
Arbeit übte er nicht aus, nur daß er das Stückchen Gartenland, das ihm zugewiesen
worden war, mit Gemüse und Tabak bestellte und seine vier Hühner fütterte. Sein Tag
war alles andere als anstrengend. Am Vormittag brutzelte er sich sein Mittag zurecht,
wenn ihm das nicht von anderer hilfsbereiter Seite gemacht wurde, und am Nachmittag
ging er in der warmen Jahreszeit mit ein paar Decken und einem Roman in den Wald,
oder er zog auf die Beeren- und Pilzsuche. In Pilzen war er ganz groß, sagt eine Frau,
erst in diesen Tagen hat er sein letztes Glas aufgemacht. Arbeiten mochte er gar nicht
gerne. Als einmal bei der Kartoffelernte zwei Frauen sich mit ihm zu einer Akkord-
gemeinschaft zusammengetan hatten, da versagte er so, daß die Frauen sich sagten:
„Einmal und nicht wieder !“ Er stöhnte über Schmerzen im Kreuz, dann über einen
angeblichen Bruch. Alles Theater ! meinten die Frauen. Auf seinem mehrere tausend
morgen großen Gut, das er in Ostpreußen besessen habe, mit Hunderten von Pferden
und Kühen, da habe er, so erzählte er seinen Hausgenossen, nicht arbeiten brauchen,
sondern er habe nur Unterschriften gegeben. Eine Darstellung, bei der er ausnahms-
weise einmal nicht gelogen hat.

Geldmittel waren immer vorhanden.

Wie Koch in Ostpreußen alles auf Täuschung aufgebaut hatte, so machte er es auch
jetzt in der Einsamkeit von Fuhlenrüe. Es ist bekannt, daß Millionenbeträge der Erich-
Koch-Stiftung nach dem Westen verschoben worden sind, und die dürften in irgendeiner
Form wohl auch heute noch vorhanden sein. Koch hat immer über genügend Geldmittel
verfügt, vor allem auch nach der Währungsreform, und wenn man bei seiner Verhaftung
250 DM vorfand, so dürfte das nur einen Teil des Geldes darstellen, das er in Wirklichkeit
besitzt. Er stöhnte trotzdem und tat zeitweise so, als ob er als Vertreter einer Firma
für Fotovergrößerungen arbeite und auch darauf angewiesen sei, den geernteten Tabak
zu verkaufen; aber das alles geschah wohl nur, um sich zu tarnen. Jedenfalls war er den
beiden „Nichten“ gegenüber durchaus nicht knauserig, zwei Mädchen aus Königsberg,
die ihn, wie sie sagen, 1945 auf der Flucht kennengelernt haben und mit denen er in
der ersten Zeit zusammen auf dem Tannenhof wohnte; Onkel Rolf war ihnen immer ein
hilfsbereiter „Onkel“. Die eine Nichte ist schon vor längerer Zeit in die französische
Zone verzogen, die andere hat ihre Besuche vor einigen Wochen eingestellt, etwa zu
der Zeit, als es um Koch mulmig zu werden begann. Eine Frau J., eine Vertriebene aus
Danzig, bemutterte dagegen bis zuletzt Koch in rührender Weise und sorgte für ihn;
und Abend für Abend, so um ½7, setzte er sich auf sein Fahrrad und fuhr durch den
Wald zu ihr hin. Koch hatte sich übrigens als Arbeitsloser registrieren lassen; er erhielt
18 DM wöchentlich und das erste Mal eine Nachzahlung von mehr als 90 DM. Als er einmal
bei der Auszahlung mit mehreren Arbeitslosen zusammenstand und bei dieser Gelegenheit
doch einmal die Mütze zurückschob und die Brille abnahm, da fuhr einer Frau der Gedanke
durch den Kopf: „Das ist doch Koch !“ Aber dann schob sie diesen Verdacht von sich.

Die Ehefrau des Koch lebt übrigens in Bad Schwartau bei Lübeck, und es wäre seltsam,
wenn er mit ihr nicht in Verbindung gestanden hätte. Vor seinen Hausgenossen betonte
er, daß er von seiner Familie nichts mehr gehört habe. In den letzten Wochen vor der
Verhaftung war er viel unruhiger als sonst. Es lagen Gerüchte in der Luft, man munkelte
schon irgendetwas, jedenfalls hatte er in diesem Jahr nicht mehr so rechte Lust, seinen
Garten so zu bestellen wie noch im vergangenen Jahr.

Ihr Beruf ? – „Oberpräsident !"

Von welcher Seite schließlich die Anzeige gekommen ist, darüber gibt die Polizei Hamburg,
die durch einen ihrer Inspektoren im Beisein eines englischen Majors die Verhaftung vor-
nehmen ließ, begreiflicherweise keine Auskunft. Als die Herren im Auto erschienen, war
Koch nicht zu Hause, und die beiden entfernten sich wieder. Koch kehrte dann zurück -
er war angeblich nach Hamburg gefahren - hörte von dem Besuch und schöpfte natürlich
sofort Verdacht. Er fragte den Jungen, der ihm von dem Besuch erzählte, nach allen
Richtungen aus, legte sich dann schließlich auf sein Bett und grübelte. Die beiden Gift-
ampullen, die er bei sich führte, blieben aber in seinem Lederetui. Er hatte weder Appetit
auf Zyankali noch auf den Eierkuchen, den ihm seine Freundin J. backen wollte. Als die
beiden Herren dann wiederkamen und ihn verhafteten behauptete er, der Major a. D.
Rolf Berger zu sein, und er hielt diese Darstellung so lange aufrecht, als der englische
Offizier dabei war. Auch auf der Fahrt nach Hamburg blieb er dabei, er - Koch ist bekannt-
lich 1896 in Elberfeld geboren und alles andere als Ostpreuße - sei, wie sein Ausweis zeige,
in Ostpreußen geboren worden und überhaupt waschechter Ostpreußen, und er unternahm
auch den kläglichen Versuch, in ostpreußischem Tonfall zu sprechen. Formell war die
Verhaftung wegen Urkundenfälschung erfolgt und es galt zunächst festzustellen, daß es
sich bei dem Verhafteten tatsächlich um den ehemaligen Gauleiter Koch handele. Die
Polizei hatte inzwischen das Bild einer Frau, das man in der Brieftasche von Koch gefun-
den hatte, der Frau eines in Hamburg lebenden Naziführers vorgelegt mit der Frage, ob
sie diese Frau kenne. Worauf sie geantwortet hatte: „Das kann Frau Koch sein“. Anschei-
nend bezweckte Koch mit der Behauptung, Rolf Berger zu sein, nicht bei den Engländern
bleiben zu müssen, sondern vor ein deutsches Gericht zu kommen. Als er nämlich dem
deutschen Haftrichter vorgeführt wurde, schlug er in theatralischer Form die Hacken
zusammen und rief: „Ich bin der ehemalige Gauleiter Erich Koch und bitte um meine
Verhaftung durch ein deutsches Gericht“. Dann wurde er vor den Oberstaatsanwalt
geführt, und da tat er sehr besorgt, als dieser die beiden Giftampullen in Händen hielt,
er rief: „Seien Sie vorsichtig, denn es kann schon gefährlich sein, wenn Sie das Etui
öffnen !“ Im Übrigen nahm er den Mund recht voll. Nicht nur, daß er bei der Verneh-
mung durch die Polizei auf die übliche Frage nach dem Beruf mit „Oberpräsident !“
antwortete, behauptete er auch, er sei ein wackerer Kämpfer gewesen und habe als
letzter die Festung Königsberg verlassen . . . . . Auf die Frage, warum er sich so lange
verborgen gehalten habe, antwortete er, er habe nicht den Russen ausgeliefert werden
wollen und er vertraue darauf, daß die Engländer dem Auslieferungsantrag der Russen
nicht nachkommen würden. Daß er heute noch auf dem Standpunkt steht, alle möglichen
anderen, seien schuld an der Katastrophe, die über Deutschland hereingebrochen ist, nur
nicht er und Leute seines Schlages, ist bei solchen Kreaturen, wie er eine darstellt, selbst-
verständlich.

Hass und Verachtung.

Alle Fragen, welche die Ostpreußen im Zusammenhang mit diesem Mann stellen, laufen
auf die eine hinaus: „Was wird nun mit diesem Mann geschehen ?" Zur Stunde steht das
noch nicht fest. Koch ist einige Zeit nach seiner Verhaftung aus dem Untersuchungs-
gefängnis Hamburg nach Bielefeld gebracht worden, wo die Spruchkammer das Verfah-
ren gegen ihn vorbereitet und Material sammelt. Welches aber auch sein Schicksal sein
mag, ob er eine längere oder kürzere Freiheitsstrafe erhält oder an die Russen ausge-
liefert wird, die ihn dann nach ihrer Methode behandeln werden, wie immer die Strafe
auch ausfallen mag, sie wird in keinem Fall eine ausreichende Sühne darstellen für den
Mann, dem sein Herr und Meister unsere schöne Heimatprovinz zur Beherrschung und
Ausplünderung überliefert hat und der Macht hatte über Leben und Tod von Millionen,
keine ausreichende Sühne für den Mann, der rein persönlich verantwortlich ist für ein
Meer von Blut und Tränen und für den Tod von vielen Tausenden Ostpreußen jeden
Alters und Geschlechts.

Es wird von einem Vorfall berichtet, der sich im April 1945 in einem dänischen Hafen
ereignet hat, einem kleinen Vorfall unter tausenden viel bedeutungsvolleren. Als dort
Verwundete, die vor kurzem aus dem Osten hierher gerettet worden waren, dem
Entladen eines neuen Flüchtlingsdampfeis zusahen, um vielleicht vermißte Verwandte
zu entdecken, da brach aus den Reihen ein Alter hervor und stürzte sich hinkend auf
einen Mann, der eben, vom Dampfer kommend, das Bollwerk betrat. Er packte ihn
und schlug ihm die Mütze vom Kopf: „Du," sagte er in wütendem Haß, „Du lebst ?!
Du lebst ?! Und meine Frau ? Und meine Töchter und meine Mutter ? Und die meisten
aus unserem Dorf ? Die sind beim Iwan und tot oder verschleppt . . „. Er drängte den
Erbleichenden dem Wasser zu: „Kennt Ihr ihn nicht ?" schrie er. „Jetzt hat er eine
Windjacke an und sicher einen falschen Paß. Vor drei Wochen aber war er noch ein
Goldfasan bei Gauleiter Koch mit Gold und Lametta und dem Sieg in der Tasche.
Bist Du es nicht ? Hast Du nicht die Reden darüber gehalten, daß kein Russe durch-
kommt und der Sieg sicher ist ? Hast Du nicht bei Todesstrafe verboten, daß unsere
Frauen und Kinder rechtzeitig fortziehen konnten ? Hast Du nicht unseren Volkssturm
mit alten Flinten in die Stellungen gehetzt, wo er in einer Stunde erledigt war und
die Fünfzehnjährigen vorwärts getrieben, bis sie von den Panzern abgeschossen waren,
wie die Fliegen ?" Er drängte den verzweifelt sich Wehrenden weiter dem Wasser zu.
„Das hier, das ist Euer Werk“, schrie er, „Ihr habt die Heimat auf dem Gewissen, und
alle, die umgekommen sind . . . Und jetzt bringt Ihr Euch in Sicherheit, jetzt zieht Ihr
Euch graue Windjacken an. Ihr Mörder . . . Ihr . . „. Weiter kam er nicht, die Soldaten
zogen ihn zurück.

Dieses Gefühl des Hasses ist es, das unzählige Ostpreußen erfüllt, wenn sie den Namen
Koch hören, ein Haß, in den sich noch die Verachtung mischt für eine Kreatur, die
nach dem von ihr verschuldeten Tod von zahllosen Menschen keine andere Sorge kannte
als die, das eigene erbärmliche kleine Leben in Sicherheit zu bringen.

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