Deutsches Kulturleben in Rumänien. 1958.

Deutsches Kulturleben in Rumänien. 1958.

Beitragvon -sd- » 02.08.2017, 18:16

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Die erste demokratische Republik Europas.
Siebenbürgen ein Beispiel friedlichen Zusammenlebens verschiedener Völker.

Wo die Karpaten mit zwei langen Gebirgsarmen Slowakei, Kroatien und Ungarn
umfassen, und wo sie dann ineinander verschmelzen zu einer breiten Bergfaust,
liegt Siebenbürgen, ein Hochland von der Größe Bayerns. Als Beutereiter, die
allmählich zum bäuerlichen Leben bekehrten, konnten die Madjaren Siebenbürgen
weder kultivieren noch mit eigenen Angehörigen völlig besiedeln. Daher erbaten
ihre Könige vom Deutschen Reich geeignete Helfer, Lehrmeister und Kulturbringer.
Diese kamen nach 1140 in geordneten Zügen hauptsächlich von der Mosel und
wurden nachher irrtümlich Sachsen genannt, obwohl ihre Mundart sie noch jetzt
als Franken ausweist.

Auf diesem "Königsboden" schufen sie sich eine eigene, im Innern unabhängige
Gebietsherrschaft; es war die erste demokratische Republik Europas. Sie bestand
siebenhundert Jahre. Dort hatten alle Deutschem, ob Bauern oder Bürger, gleiche
Freirechte und Pflichten. Sie wählten ihre Pfarrer und Amtleute, sogar das Ober-
haupt, den Sachsengrafen, selbst.

Zäh, diszipliniert, ihrem Volkstum unbedingt treu, selbstbewußt, freiheitsliebend,
dazu auffallend politisch begabt und von viel gerühmter adliger Gesinnung, ver-
wuchsen sie zu einem sehr eigenartigen Neustamm des deutschen Volkes und
hüteten unerschütterlich die Tore Europas an dessen gefährlichster Grenze über
ein halbes Jahrtausend, bis endlich der Deutsche Kaiser Siebenbürgens Herrscher
wurde und die Neuzeit anbrach.

Jeder östliche Ansturm prallte zuerst an die sächsische Vorhut des Abendlands.
Darum bauten alle deutschen Dörfer das Gotteshaus zur Kirchenburg aus; darin
stand bei Belagerungen für jede Bauernfamillie ein Stübchen bereit. Die Verteidiger
erlebten es oft, daß die Feinde, die ihnen nicht an den Leib konnten, sich durch
Brandschatzung der Höfe rächten.

Tartlau am Tatarenpass sank fünfzigmal in Asche und erhob sich stets aufs neue.
Die deutschen Städte waren die ersten Stadtsiedlungen des Südostens; auch sie
befestigten sich, und manche wurden uneinnehmbar.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT,15. Dezember 1952

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Deutsches Kulturleben in Rumänien.

In der letzten Zeit lenkte eine Meldung aus Rumänien über ein deutsches Schul-
jubiläum die Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit auf die Tatsache,
daß die Rumäniendeutschen in kultureller Hinsicht sehr rührig sein müssen.
Es handelte sich um das 350-jährige Gründungsjubiläum des als 'Bergschule'
bekannten deutschen Gymnasiums in Schäßburg, das mit einer großen Feier
begangen wurde. Im Vorjahr hatte es bereits eine große deutsche Schulfeier
in Rumänien gegeben: das deutsche Gymnasium in Kronstadt war 500 Jahre
alt geworden. Auch dieser Feier gaben die Deutschen in Siebenbürgen einen
großen festlichen Rahmen.

Die Rumäniendeutschen — bei der letzten Volkszählung wurden rd. 380.000
festgestellt, davon 10.000 Deutsche in Bukarest — können sich nicht nur der
ältesten deutschen Volksgruppe in Osteuropa (der Siebenbürger Sachsen)
rühmen, sie können auch darauf hinweisen, daß sie nicht wie die Deutschen
östlich von Oder-Neiße und in der Tschechoslowakei in ihrer Masse ausge-
wiesen wurden. Es wurden zwar Rumäniendeutsche 1944/1945 von den
Sowjets verschleppt, Zehntausende sind von der sich heranwälzenden Front
nach dem Westen verschlagen worden, und man hat Tausende bei den inzwi-
schen eingestellten Kanalbauten im Donaudelta eingesetzt. In ihren Kern-
landschaften in Siebenbürgen und im Banat haben sie sich jedoch behaupten
können und inzwischen ein kulturelles Leben zu entwickeln vermocht, wie
es bisher seit dem Kriege keiner ostdeutschen Volksgruppe beschieden war.
Dieses kulturelle Leben wird zwar von den Kommunisten gesteuert, aber
andererseits waren es in den Jahren nach dem Kriege gerade die Sowjets,
die den Rumäniendeutschen eine gewisse lokale Autonomie zubilligten.
Gewiß gingen die Sowjets dabei von der Erwägung aus, daß in Rumänien mit
seinen vielen und großen nationalen Minderheiten diese zu gegebener Zeit
(falls es sich als notwendig und nützlich erweisen sollte) gegen das Regime
in Bukarest ausgespielt werden könnten und man sich daher deren Anhänger-
schaft durch Konzessionen, die ja nicht auf Kosten der Sowjets gingen,
sichern müßte. Praktisch konnte auf diese Weise jedoch ein kulturelles
Leben der Rumäniendeutschen bereits zu einem Zeitpunkt entwickelt werden,
als man in den deutschen Ostgebieten und in der Tschechoslowakei noch nicht
wagen durfte, auf der Straße deutsch zu sprechen.

Dass vor fünf Jahren etwa, als das Warschauer und das Prager Regime sich
über Moskauer Initiative zu einer neuen Politik gegen die Deutschen entschlos-
sen, auch in Rumänien mehr als bis dahin für die Deutschen getan wurde, geht
aus einem weiteren deutschen Jubiläum hervor. Anfang Juli waren es fünf
Jahre her, seitdem in Temesvar, der Hauptstadt des Banats, ein deutsches
Theater gegründet wurde. Es gab zuerst eine deutsche Sektion des rumäni-
schen Staatstheaters, die sich in der Mehrzahl aus deutschen Laienspielern
zusammensetzte und sich allmählich zu einem deutschen Theaterensemble
entwickelte. Beim Jubiläum wurde verzeichnet, daß das Ensemble in den
fünf Jahren seines Bestehens 1.057 Vorstellungen gegeben hatte, die von
333.000 Deutschen in Temesvar selbst oder bei Gastspielen in Marienfeld,
Hermannstadt, Mediasch, Billed und anderen Orten mit deutscher Bevölkerung
besucht wurden. Neben deutschen Klassikern wurden sowjetische, rumänische
und ostzonale Bühnenautoren dem schon deshalb stets zufriedenen deutschen
Publikum vorgeführt, weil eine deutsche Theateraufführung eine der wenigen
Möglichkeiten der Begegnung und des persönlichen Gedankenaustausches bietet.

Deutsche Laienspielgruppen, Gesangvereine und andere gesellige Möglichkeiten
gibt es heute fast in jeder größeren Ortschaft, die über einen starken deutschen
Bevölkerungsanteil verfügt. In dieser Hinsicht sind die Rumäniendeutschen sehr
rührig, sie haben es auch in Bukarest zu einem deutschen Kulturhaus gebracht,
in dem neben Vorträgen immer wieder Tanzvergnügungen stattfinden, an denen
die bei der Armee in Bukarest dienenden deutschen Soldaten gern teilnehmen.
In Kronstadt gab es bald nach dem Kriege eine deutsche Jugendbühne, die vom
Direktor bis zum Portier nur aus Jugendlichen bestand und sich später zu einer
sehr guten Laienspielgruppe entwickelte. Auch in Kronstadt sind Bemühungen
im Gange, ein ständiges deutsches Theater zu schaffen. Neben Temesvar ist
bisher nur in Hermannstadt eine eigene deutsche Sektion des rumänischen Staats-
Theaters gegründet worden, die somit das zweite deutsche Berufsensemble in
Rumänien beschäftigt.

Das deutsche Schulwesen in Rumänien umfaßt alle im Lande vorhandenen
Schultypen, eine deutsche Tageszeitung ('Neuer Weg') wird in Bukarest heraus-
gegeben, wo sich auch die Redaktion der deutschen Rundfunksendungen und
eine große deutsche Buchhandlung befinden.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, August 1958.

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