Rückführung der Verschleppten / 1957.

Rückführung der Verschleppten / 1957.

Beitragvon -sd- » 29.09.2017, 19:07

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Die Rückführung der Verschleppten.
Nur zwei von tausend als ausreiseberechtigt anerkannt.


Bundesvertriebenenminister Dr. Oberländer berichtete vor der Presse in Bonn
über den Stand der Rückführung von deutschen Zivilpersonen, die aus den
deutschen Ostgebieten sowie den vorgelagerten Volksdeutschen Siedlungs-
bereichen in die Sowjetunion verschleppt wurden oder in Ostpreußen zurück-
geblieben sind. Unter den zurückgehaltenen Verschleppten befinden sich
nach den Ausführungen des Ministers auch eine große Anzahl von Volksdeut-
schen, die in den Jahren zwischen 1939 und 1941 auf Grund von deutsch-
sowjetischen Verträgen — zum Beispiel aus Bessarabien und den Baltischen
Staaten — nach Deutschland umgesiedelt wurden (Vertragsumsiedler), und
auch eine Reihe von Deutschen, die ihren Wohnsitz in der Sowjetunion hatten,
aber im Zuge der Besetzung dieser Gebiete durch die deutsche Wehrmacht
ebenfalls nach Deutschland gebracht und eingebürgert wurden (Administrativ-
umsiedler).

Bisher fünf Namenslisten.

Die Größe dieses Kreises deutscher Verschleppter in der Sowjetunion wird auf
80.000 bis 100.000 Personen geschätzt. Von ihnen sind rund 35.000 Personen
namentlich bekannt, davon 16.000 mit vollständigen Daten. Unmittelbar nach
der Rückkehr des Bundeskanzlers aus Moskau im Sommer 1955 wurde die Erfas-
sung der deutschen Verschleppten sowie die Sammlung von Unterlagen verstärkt
und beschleunigt. Den Auftrag hierzu erteilte die Bundesregierung dem Such-
dienst des Deutschen Roten Kreuzes. Am 22. März 1956 übergab die deutsche
Botschaft in Moskau der sowjetischen Regierung eine sorgfältig überprüfte
erste Liste mit den Namen von tausend Deutschen, die sich noch in der UdSSR
befinden. Die Aufstellung von weiteren Listen wurde fortgesetzt, insgesamt
sind bis jetzt vier Listen mit den Namen von je tausend Personen aufgestellt
worden. Die fünfte Liste wird zurzeit vom Auswärtigen Amt sorgfältig über-
prüft.

Nur zwei Personen.

Wie der Minister weiter berichtete, hat die Sowjetregierung in mehreren
Noten zu der überreichten Liste Nummer 1 Stellung genommen. In diesen
Stellungnahmen wurden nur zwei deutsche Staatsangehörige als ausreise-
berechtigt anerkannt. Von den übrigen der insgesamt tausend Namen ent-
haltenden ersten Liste wurden 233 als sowjetische Bürger bezeichnet, 93
Personen als inzwischen heimgekehrt deklariert, sowie 57 Personen als
unauffindbar, siebzehn Personen als verstorben und drei als staatenlos
bezeichnet. Somit wurden bisher nur 405 Personen durch die sowjetische
Regierung beurteilt.

Die Staatsangehörigkeit.

Wie der Minister erklärte, sind sofort alle Anstrengungen unternommen worden,
um das Ergebnis der sowjetischen Überprüfung zu widerlegen. Dabei ergab sich,
daß eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Sowjetregierung und der Bundes-
regierung über die rechtliche Beurteilung der Staatsangehörigkeit vorliegt.
Während die Bundesrepublik nämlich die Auffassung vertritt, daß eine Ent-
scheidung über die Frage der Staatsangehörigkeit auf Grund der allgemeinen
Regeln des internationalen Rechts nur nach der deutschen Gesetzgebung erfolgen
könne, ist die Regierung der Sowjetunion der Meinung, dies könne nur nach
sowjetrussischen Gesetzen geschehen. Solange diese Meinungsverschiedenheit
nicht durch Verhandlungen ausgeräumt ist, wird eine zügige und umfassende
Rückführung der verschleppten Deutschen nicht möglich sein. Entsprechende
Verhandlungen sind über den deutschen Botschafter in Moskau bereits aufge-
nommen worden, doch konnte eine Entscheidung oder Verständigung bis jetzt
nicht erzielt werden.

Die siebzehn Toten.

Nach dem Bericht des Ministers liegen für die tausend Personen der Anforder-
ungsliste Nummer 1 auf jeden Fall deutsche Staatsangehörigkeitsbescheinigungen
vor. Die Nachprüfung hat im Übrigen schon jetzt ergeben, daß beispielsweise
von den als tot bezeichneten Personen nach der Übergabe der Note im März eine
an die Angehörigen in Deutschland geschrieben hat. Sechs Personen dieses
Kreises waren schwerkrank, und in einem Falle liegt eine Verwechslung vor.
Auch die übrigen Fälle erscheinen zweifelhaft, da in der Sowjetnote kein
Sterbedatum verzeichnet war. Auch ist bis jetzt nicht genau zu erkennen
gewesen nach welchen Gesichtspunkten die Sowjetregierung praktisch über die
Staatsangehörigkeit der deutschen Verschleppten entscheidet. Hier müssen die
Verhandlungen ebenfalls eine Klärung bringen.

Obwohl die Aktion zur Rückführung bei der Regierung der Sowjetunion auf
großen Widerstand stößt, werden die deutschen Bemühungen um eine Lösung
dieser Frage mit Nachdruck fortgesetzt. In einem Zeitraum von vierzehn Tagen
erfolgt jeweils die Fertigstellung einer weiteren Anforderungsliste, deren
sorgfältige Überarbeitung jedoch viel Zeit erfordert. Darüber hinaus will
man versuchen, durch die Einschaltung einer humanitären Organisation die
Lösung des Problems zu fördern.

Quelle: OSTPREUSSENWARTE, 5. Januar 1957

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Etwa vierhundert kriegsgefangene Soldaten schreiben gegenwärtig noch aus
Zwangsaufenthaltsorten der Sowjetunion. Monatlich kommen etwa sechzig von
ihnen nach Hause. Aus unterrichteten Kreisen wird bekannt, daß sich darüber
hinaus in geringer Zahl immer noch vermißte Soldaten melden. Man rechnet
deshalb damit, daß im Laufe der Zeit noch Lebenszeichen von einigen tausend
Wehrmachtsangehörigen eintreffen können.

Vertriebenenminister Oberländer erklärte, das Problem der achtzigtausend bis
hunderttausend Deutschen, die in der Sowjetunion leben und von denen fünf-
unddreißigtausend mit ihrem Namen und Aufenthaltsort bekannt seien, sei
noch ungelöst.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 8. Dezember 1957

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Die Frage der Vermißten. Bonn widerspricht Chruschtschow.

In Bonn hat eine Erklärung des Parteisekretärs der sowjetischen KP,
Chruschtschow, alle in der Sowjetunion vermißten Deutschen seien tot,
Widerspruch ausgelöst. Unterrichtete Kreise in Bonn weisen darauf hin,
daß sich die Äußerung Chruschtschows durch die Tatsache selbst wider-
lege. Noch immer meldeten sich ehemalige Wehrmachtsangehörige aus
der Sowjetunion, die bisher auf den Vermißtenlisten geführt worden
seien. Dieser Versuch, einen Schlußstrich unter das Problem zu ziehen,
müsse zurückgewiesen werden.

Ein großer Teil der noch in holländischer Gefangenschaft befindlichen
deutschen Kriegsverurteilten soll im nächsten Jahr freigelassen werden.
In Breda befinden sich zurzeit noch 139 deutsche Verurteilte
.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 8. Dezember 1957

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