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Das große Sterben.
Die Seuchenepidemie von 1945/1947 in Königsberg.
In einem Beitrag zum Jahrbuch der Albertus-Universität in Königsberg (Herausgeber der Göttinger
Arbeitskreis, erschienen im Holzner-Verlag) schildert Wilhelm Starlinger den Verlauf der Großseuchen-
bewegung von 1945/1947 in Königsberg. Der bekannte Universitätsprofessor, der bis zu seiner
Verschleppung in die Sowjetunion als leitender Arzt an der Spitze des Seuchenkrankenhauses
stand, und dem es wohl in erster Linie zu danken ist, daß die Seuchen einen relativ „glimpflichen“
Verlauf nahmen, unternimmt es in diesen Darlegungen vom Gesichtspunkt der sanitär-hygienischen
und klinischen Epidemiologie den Ablauf der aus dem Ostraum hereingebrochenem Epidemien auf-
zuzeichnen. Ohne auf die wissenschaftliche Seite und ihre Folgerungen einzugehen, veröffentlichen
wir im Folgenden eine kurze Inhaltsangabe, die unsere Leser sicherlich interessieren dürfte.
Königsberger Passion.
Für die Bevölkerung, die die harten Straßenkämpfe überlebt hatte, begann nach der Eroberung der
Stadt eine wahre Leidenszeit, eine Zeit schwerster leiblicher und seelischer Not. Viele der Familien
waren auseinandergerissen, der Wohnraum auf das äußerste beschränkt, sodaß Tausende in den
Kellerlöchern der zerstörten Häuser hausen mußten. Vor allem aber litten die Königsberger bitter-
sten Hunger. Vierhundert Gramm sehr wasserreiches Brot blieb bis zum Sommer 1946 die einzige,
aber nicht regelmäßige Versorgung und kam nur dem kleinsten Teil der Bevölkerung zugute. Es
wurde Fleisch von längst vergrabenen und wieder ausgegrabenen Tieren gegessen und selbst ver-
einzelte Fälle von Kannibalismus wurden festgestellt. In den Wintern gesellte sich zu dem furcht-
baren Hunger auch noch die Kälte. Das Holz genügte kaum zum Kochen einer wässrigen Suppe
und in dem schwersten Winter 1946/1947 starben in mancher Nacht ganze Familien an Hunger
und Entkräftung. In gleicher Weise begünstigten die allgemeinen hygienischen Verhältnisse die
Ausbreitung von Seuchen, besonders von Typhus und Fleckfieber. Im Herbst 1945 lebte Königsberg
allein aus seinen Brunnen, die größtenteils stark verunreinigt waren. Man wusch sich mit dem
Wasser aus den Bombentrichtern, wobei Seife vielfach ein besonderer Luxusartikel war, und
weil der Weg zum Pregel oft zu weit und zu gefährlich war, konnte die Wäsche nur selten ge-
waschen und gewechselt werden. Eine allgemeine Verlausung war die natürliche Folge dieser
Zustände. Zugleich nahm auch die Rattenplage derartig zu, daß sogar Menschen im Schlaf
von diesen Tieren überfallen wurden.
Vergegenwärtigt man sich weiter, daß die Kanalisation zerstört und zunächst noch keine
Bedürfnisanstalten vorhanden waren, daß ferner auch keinerlei Desinfektionsmittel für die
Bevölkerung zur Verfügung standen, dann wird es auch dem Laien klar, in welchem Ausmaß
diese Verhältnisse der Ausbreitung ansteckender Krankheiten Vorschub leisten mußten.
Die deutschen Seuchenkrankenhäuser.
In der durch Waffenwirkung stark zerstörten Univ.-Nervenklinik, wohin bereits die restliche
Infektionsabteilung des Städt. Krankenhauses mit einigen Schwestern und Kranken gebracht
worden war, wurde auf Anordnung der Besatzungsmacht am 21. April 1945 das erste deutsche
Seuchenkrankenhaus unter Leitung von Prof. Dr. Starlinger auf Befehl der Besatzungsmacht
eröffnet; unter kaum vorstellbaren primitiven Verhältnissen. Es fehlte an allem. Weder
Wasser noch Kanalisation, weder eine Küche noch eine Wäscherei waren vorhanden, ebenso
fehlten Beleuchtung und Beheizung vollständig. Die Gebäude befanden sich in einem total
verwahrlosten Zustand und waren von ihrem früheren Inventar fast vollständig entblößt.
Das Personal bestand aus wenigen Vollschwestern, zwei deutschen und einer litauischen
Ärztin, die sofort gemeinsam ans Werk gingen. Bergungskommandos wurden ausgeschickt,
um das Fehlende zu ergänzen und zu beschaffen, und schon nach kurzer Zeit konnten Küche
und Wäscherei wieder behelfsmäßig in Gang gesetzt, Fenster und Türen ersetzt und fast
jedem Kranken ein Bettplatz zugewiesen werden.
Ende Mai und im Juni stieg die Kurve der Typhuserkrankungen steil an, sodaß das Haus
für die Neuzugänge nicht mehr ausreichte. Nach schwierigen und langwierigen Verhand-
lungen stellte deshalb die Besatzungsmacht zunächst das frühere Garnisonlazarett I in der
Yorckstraße und etwas später dann auch noch das St. Elisabeth-Krankenhaus der Grauen
Schwestern, dessen Leiter Prof. Starlinger bis zur Einnahme Königsbergs gewesen war,
zur Verfügung. Von neuem wurde das Personal, vor allem im Yorck-Krankenhaus von der
Last der Nebenarbeit fast erdrückt, aber auch dieses Mal wurde es geschafft, obwohl die
Zahl der Kranken fast 2.000 erreicht und das DSK seine höchste Belegungsfähigkeit er-
reicht hatte.
Die Verpflegung erfolgte durch die Besatzungsmacht und war völlig unzureichend. Im Durch-
schnitt erhielt die tägliche Lieferung pro Kopf 400 g Brot, dazu etwas Fisch, manchmal
einige Konserven, wenige Gramm Zucker und Fett, im Durchschnitt 1000 Kalorien. Das
Personal erhielt auch weiterhin nur 400 g Brot, aber ab Sommer 1946 Barbezahlung, die bei
Ärzten bis 900 bei Schwestern bis 600 und bei Helfern zwischen 200 und 400 Rubel betrug,
zu einer Zeit, als Brot im freien Handel etwa 180 Rubel je Kilo kostete. Am 30. August 1946
erfolgte die Umwandlung der DSK, die bis dahin die Rotkreuzflagge gezeigt hatten, in das
'Kaliningrader Städtische Infektions-Krankenhaus'. Professor Dr. Starlinger wurde durch eine
sowjetische Direktorin ersetzt, blieb aber bis zu seinem endgültigen Ausscheiden im März
1947 als beratender Arzt tätig.
Allgemeine Todesursachen überwogen Seuchensterblichkeit.
Es muß überraschen, daß trotz aller günstigen Vorbedingungen für eine weitgehende Infek-
tionsgefahr für die Bevölkerung die Seuchensterblichkeit, so niederdrückend sie im Einzelnen
auch war, längst nicht die Sterblichkeitsziffer der allgemeinen Todesursachen erreichte. Die
deutsche Bevölkerung Königsberg zählte nach sehr vorsichtigen Schätzungen im April 1945
noch rd. 100.000 (110.000 von Versorgungsämtern und Wehrmachtsdienststellen geschätzt)
sie dezimierte sich bis zum Frühjahr 1947 auf rd. 25.000. Es starben in diesem Zeitraum
75.000 Menschen, also 75 v. H. der gesamten Bevölkerung, dabei betrug die Seuchenmor-
bidität (Erkrankungsziffer auf die Gesamtbevölkerung an Ruhr, Typhus, Fleckfieber usw.
10.400 Personen, wobei nur 2.600 Fälle zum Tode führten. Das ungeheure Massensterben
der Königsberger Bevölkerung war also wesentlich weniger auf die Seuchenausbreitung als
vielmehr auf die furchtbaren Lebensbedingungen zurückzuführen, die für fast 73.000 Menschen
den Tod zur Folge hatten.
Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, März 1955
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Die Seuchenepidemie von 1945/1947 in Königsberg.
z.B. die Pest 1709 / 1710.
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