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Schicksal und Not des heimatvertriebenen Landvolks.

BeitragVerfasst: 08.12.2016, 18:34
von -sd-
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Schicksal und Not des heimatvertriebenen Landvolks.

Etwa 300.000 Bauern und Landwirte und 400.000 Landarbeiterfamilien sind aus den Gebieten
ostwärts der Oder/Neiße von Haus, Hof und Heim unter Zurücklassung des gesamten Vermögens
vertrieben worden
. Dieser, in der Geschichte einmalige Vorgang, hat einen sozialen Abstieg
dieses Bevölkerungsteiles mit sich gebracht, dessen Auswirkungen auf die Zukunft heute noch
gar nicht zu übersehen sind. Das Ziel des Bolschewismus war nicht in erster Linie der Raub von
Heimat und Vermögen, sondern durch das Einströmen von Millionen entwurzelter Menschen
einen Zustand in Restdeutschland zu schaffen, der für den Bolschewismus einen günstigen
Nährboden bilden sollte. Daß der Kreml sein politisches Ziel nicht erreicht hat, ist auf die
Erfahrungen, welche die ostdeutsche Bevölkerung mit der Roten Armee gemacht hat und
auf die vorbildliche Haltung aller Vertriebenen zurückzuführen.

Wie weit ist nun eine Eingliederung heimatvertriebener Bauern und Landwirte in ihren
alten Beruf erfolgt ? Die amtlich durchgeführte Bodenbenutzungserhebung im Jahre 1953
ergibt, daß 32.420 ostdeutsche Bauern und Landwirte wieder angesiedelt worden sind.
Das sind unter Berücksichtigung der seit 1945 bis jetzt geflüchteten Bauern aus der Sowjet-
zone etwa 10 Prozent aller ostdeutschen vertriebenen Menschen dieses Berufsstandes.
Hierbei ist zu berücksichtigen, daß mehr als 50 Prozent der Betriebe eine Größe von unter
5 ha haben und keine Ackernahrung bilden. Diese Siedler sind meistens gezwungen, einen
Nebenerwerb auszuüben. Es muß weiter berücksichtigt werden, daß die bisher in ihrem
Beruf eingegliederten Bauern zum Teil Höfe übernommen haben, deren Eigentümer aus
dem Kriege nicht zurückgekehrt sind. Der Kapitalaufwand zur Übernahme dieser Höfe war
verhältnismäßig gering. Aufschlußreich ist eine statistische Auswertung eines Berichtes der
Kameradschaft ehemaliger Hörer der Höheren Landbauschule Elbing, der von ehemaligen
Dozenten der Schule herausgegeben worden ist. Der Bericht gibt u. a. die jetzige Tätigkeit
von 133 staatlich geprüften Landwirten zur Kenntnis. Danach sind: 44 im früheren Beruf tätig,
52 berufsfremd eingesetzt, 12 ausgewandert nach Übersee, 15 unbekannt berufstätig, 9 arbeits-
los, 1 Rentenempfänger. Die im Genossenschaftswesen, in der Landmaschinenindustrie oder als
Berufsschullehrer z. Zt. Beschäftigten gelten bei dieser Auswertung als im früheren Beruf tätig.
Rund ein Drittel üben ihren früheren Beruf aus. Ein überaus günstiges Ergebnis ! Es muß aber
besonders hervorgehoben werden, daß fast 2/3 dieser fachlich besonders qualifizierten Land-
wirte, die meist selbständig und Leiter mittlerer oder großer Betriebe waren, nicht in ihrem
Beruf tätig sein können. Der Boden, unbeweglich und nicht vermehrbar, ist nun einmal die
Betriebsgrundlage für jeden Bauern und Landwirt. Dieser Boden ist in der Heimat geblieben
und dort zur Steppe geworden. Soweit die älteren Vertriebenen nicht Empfänger von Kriegs-
schadensrente sind, zählen sie meist zu dem 30%-igen Anteil der Arbeitslosen, den die
Vertriebenen heute insgesamt betrachtet immer noch stellen. Die jüngeren Angehörigen des
heimatvertriebenen Landvolkes sind entweder als Landarbeiter oder zum größten Teil in der
Industrie beschäftigt. Die Landflucht mag auch eine Rolle spielen. Sie ist nicht nur in der
Bundesrepublik, sondern in fast allen Ländern Europas und sogar in Übersee festzustellen.
In Kanada sind z. B. 57.000 Farmen von den Besitzern verlassen worden. Der beschränkte
Raum in der Bundesrepublik bietet unmöglich dem gesamten heimatvertriebenen Landvolk
eine Existenz im früheren Beruf. Selbst bei Heranziehung des Besitzes der öffentlichen Hand
und Kultivierung von weiten Moor- und Ödland-Flächen wie z. B. des Emslandgebietes wird
nur eine teilweise Eingliederung möglich sein. Voraussetzung für eine Gewinnung von Neu-
land sind erhebliche Mittel. Ob diese erforderlichen Mittel Bundesvertriebenenminister
Prof. Oberländer zur Realisierung seines Planes vom Bund zur Verfügung gestellt werden,
bleibt abzuwarten. Bergbau, Industrie und Baugewerbe haben heute einen beachtlichen Teil
des ostdeutschen Landvolkes als Arbeitskräfte aufgenommen. Diese Berufsentfremdung muß
im Hinblick auf eine künftige Besiedlung der deutschen Ostgebiete als ein Substanzverlust
betrachtet werden, der ein ausschlaggebender Faktor für die Zukunft dieser Gebiete sein
wird. Ausbildungs- und vor allem Aufstiegsmöglichkeiten für den landwirtschaftlichen Nach-
wuchs sind kaum vorhanden. Das gilt sowohl für den rein landwirtschaftlichen Beruf als auch
für die Spezialberufe wie Melkermeister, Schweinemeister usw. Der hohe Stand unserer Rind-
vieh-, Pferde- und Schweinezucht in den Heimatgebieten beruhte nicht zuletzt auf einer
hervorragenden Ausbildung und den oft jahrzehntelangen Erfahrungen des Tierpflegepersonals.
Ohne Aussicht in absehbarer Zeit zu einer selbständigen Existenz in der Landwirtschaft zu
kommen, bieten die landwirtschaftlichen Berufe dem Nachwuchs jedoch keinen Anreiz mehr.
So lange die deutsche Exportindustrie Absatz auf dem Weltmarkt hat, kann der Import von
Lebens- und Futtermitteln erfolgen. Das kann sich plötzlich ändern. Stockt unser Export, so
ist die Einfuhr von Lebensmitteln infolge der Devisenknappheit ernstlich bedroht. Die Krisen-
empfindlichkeit trifft uns dann wie zum Beispiel England, das ständig auf Exporterlöse und
Lebensmittelzufuhren angewiesen ist und sich heute noch nicht von der Rationierung gewis-
ser Lebensmittel freigemacht hat. Der Mangel an Devisen der überseeischen Länder zwingt
heute England dazu, neue Absatzmärkte in Osteuropa zu suchen. Die weitere Folge von
Absatzschwierigkeiten unserer Industrie wäre die Arbeitslosigkeit von der in erster Linie
wieder Heimatvertriebene betroffen werden würden. Selbst bei einem Maximum an Getreide-
und Hackfruchternten, bei Kultivierung jeden qm Bodens der hierfür überhaupt in Frage
kommt, kann das kleine Bundesgebiet nicht 50 Millionen Menschen Nahrung liefern. Ohne
die deutschen Ostgebiete ist Deutschland nicht lebensfähig und auf weite Sicht gesehen
zum Untergang verurteilt. Diese Erkenntnis muß Allgemeingut aller Deutschen werden.
Auch die Bildung einer Agrarunion macht die Bundesrepublik nicht unabhängig vom Nahrungs-
mittelmarkt. Handels- und zollpolitische Maßnahmen der Regierung stabilisieren heute die
Preise für die Agrarprodukte im Bundesgebiet. Letztlich basieren aber die Erzeugnisse der
Exportindustrie zu einem erheblichen Teil auf den Lebenshaltungskosten, insbesondere den
Lebensmittelpreisen, die der Industriearbeiter zu zahlen hat. Dieser preisbildende Faktor
kann auf die Dauer gesehen nicht außer Acht gelassen werden. Wir sind bei größter Ratio-
nalisierung unserer Landwirtschaft immer auf den Weltmarkt angewiesen. Von den 100.000
jährlichen Auswanderern stellen die Heimatvertriebenen das Hauptkontingent. Es ist nicht
bekannt, wieviel Angehörige des Landvolkes zu den Auswanderern zählen. Die Frage einer
Auswanderung ist umstritten und kann für uns niemals eine Lösung bedeuten. Einerseits
handelt es sich bei den Auswanderern um jüngere, vollarbeitsfähige Fachkräfte, deren
Verlust im nationalen Interesse nur bedauert werden kann. Wir streben auch keine Aus-
Wanderung, sondern eine Rückwanderung in die angestammte Heimat an. Andererseits
kann die Bundesregierung diesen Menschen keine ausreichende Arbeits- und Aufstiegsmög-
lichkeiten bieten, so, daß sie gezwungen sind zumeist in Übersee eine neue Existenz zu
suchen. Deutsche Landwirte und vor allem Landarbeiter werden heute nicht nur von Kanada,
sondern auch von allen südamerikanischen Staaten gesucht. Das endgültige Schicksal unserer
Heimatgebiete liegt vorläufig noch in einer nebelhaften Zukunft. Der Verlauf der Vierer-
konferenz hat eindeutig bewiesen, daß die roten Machthaber gar nicht daran denken, eine
Wiedervereinigung auch nur mit ihrer Besatzungszone unter den Bedingungen der Westmächte
zuzulassen. Welche Schwierigkeiten werden sie einmal machen, wenn die Frage des Friedens-
vertrags und damit die Rückgabe der deutschen Ostgebiete akut werden ? Diese Überlegungen
lassen in manchem heimatvertriebenen Landvolkangehörigen den Entschluß reifen, sein Glück
im Ausland zu versuchen. Unser guter, alter Landarbeiterstamm aus der Heimat hat zu einem
Teil den Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeitskräften im Bundesgebiet zunächst gedeckt.
Bereits jetzt ist aber schon festzustellen, daß hauptsächlich in bäuerlichen Betrieben mittlerer
Größe ein Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften besteht. Die Agrarstruktur im Westen
bietet dem Landarbeiter kaum die Möglichkeit einer Eigenwirtschaft mit Kuhhaltung usw. wie
sie im Osten üblich war. Die Industrie mit ihrer kürzeren Arbeitszeit und dem höheren Lohn-
standard hat den größten Teil ehemaliger Landarbeiter aufgenommen. Kaum ein Landarbeiter,
der heute in der Industrie oder im Bergbau beschäftigt ist, wird daran denken, seine Kinder
wieder in der Landwirtschaft arbeiten zu lassen. Das wird sich bei einer Rückkehr in die Heimat
verhängnisvoll auswirken. Das in der Heimat zurückgelassene Vermögen war die Frucht der
Arbeit, die unsere Vorfahren seit Jahrhunderten dort geleistet haben. Landsmannschaften und
Vertriebenenverbände sind bestrebt, wenigstens das kulturelle Erbe zu erhalten. Eine berufs-
fremde Eingliederung des heimatvertriebenen Landvolkes wird uns niemals über den Verlust
der Heimat und aller materiellen Güter in der Heimat hinwegtäuschen. Mit diesem Zustand
kann und wird sich das Landvolk und mit ihm alle Heimatvertriebenen nicht zufrieden geben.
Wir wollen und dürfen die Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimat nicht aufgeben. Der Wille
zu einer Heimkehr muß besonders in unserer Jugend wachgehalten werden. Das Heimatrecht
ist ein von Gott gegebenes Recht, dessen Verletzung zur Auflösung jeder Ordnung führen muß.
Mit unserem Schicksal wird sich das Schicksal Deutschlands und Europas entscheiden. Hoffen
wir, daß Gott seine gewollte Ordnung bald wieder herstellt, die von kurzsichtigen Politikern
so sinnlos zerstört worden ist.

A. Thiel, Staatlich geprüfter Landwirt.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, Juni 1954

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Eingliederung der heimatvertriebenen und geflüchteten Landbevölkerung.
Die Zehnjahresbilanz.


Zu der großen Zahl der Kritiken an den unbefriedigenden Ergebnissen der Ein-
gliederung der heimatvertriebenen Bauern nimmt der Bundesminister für Ver-
triebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte mit Rundschreiben vom 21.
Dezember 1955 wie folgt Stellung:

In einem sozialen Rechtsstaat, zu dem wir uns bekennen, liegt der politischen
Tat primär stets ein soziales Motiv zu Grunde. Dies wird besonders im Siedlungs-
geschehen deutlich, das seinem Wesen nach seit jeher mit einer Vielzahl von
agrar- und bevölkerungspolitischen Fragen verquickt ist, zu denen seit 1945
aber in zwingender Form das soziale Element hinzukommt. Die innere Dynamik
der Siedlung ist dadurch gegenüber der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
um vieles vermehrt worden, woraus sich aber wieder eine oft unvermeidbare
Komplizierung der Einzelfragen ergab. Wenn der Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten mit den obersten Siedlungsbehörden der Länder
die Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Landbevölkerung als
siedlungspolitische Aufgabe betrachtet, hat der Bundesminister für Vertriebene,
Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte aus der politischen Gesamtverantwortung
für die Vertriebenen und Flüchtlinge heraus mit den Landesflüchtlingsverwal-
tungen vor allem die sozialpolitische Seite des Problems zu sehen, die — nicht
zuletzt auch im Hinblick auf den ununterbrochenen Zustrom von Sowjetzonen-
flüchtlingen — in ihrer Dringlichkeit nicht nachdrücklich genug herausgestellt
werden kann. Ohne die Zuständigkeiten der den Titel Landwirtschaft des
Bundesvertriebenengesetzes durchführenden Behörden zu haben, hat er es
sich zur Aufgabe gemacht, in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesernäh-
rungsminister die Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Land-
bevölkerung in einem Maß zu intensivieren, das der gestellten Aufgabe auch
aus der Sicht des betroffenen Personenkreises gerecht wird. Es ist zu hoffen,
daß die Aufwärtsentwicklung der letzten beiden Jahre ihre Fortsetzung findet.

Der Umfang der noch Siedlungswilligen.

Trotz Steigerung des Siedlungserfolges ist keine Minderung der Zahl der
Siedleranwärter eingetreten. Die Angaben des Statistischen Bundesamts
von 1949, nach denen sich unter den Vertriebenen 294.000 mithelfende
Familienangehörige in der Bundesrepublik befanden, fußten auf der Berufs-
zählung von 1939. Sie können nach 16 Jahren nicht mehr als Unterlage
für weitere Planungen verwendet werden. Alle Angaben über den Umfang der
heimatvertriebenen Landbevölkerung sind auch heute lediglich Schätzungen.
Erst die Auswertung der zugleich mit der Ausgabe der neuen Flüchtlings-
ausweise angestellten Erhebungen wird — vermutlich nicht vor 1957
— genauere Angaben über den 'aus der Landwirtschaft stammenden' Perso-
onenkreis der Vertriebenen bringen. Immerhin gibt aber die Zahl der bean-
tragten Siedlerscheine einen gewissen Anhaltspunkt zumindest für den
Umfang der noch Siedlungswilligen, obwohl die Bewilligung eines
Siedlungskredites zum Erwerb oder zur Pacht eines landwirtschaftlichen
Betriebes in einigen Ländern nicht an die Vorlage des Siedlerscheines ge-
bunden ist. Eine Erhebung des Bauerverbands der Vertriebenen ergab im
Jahre 1953 rund 162.000 siedlungswillige Vertriebene und Flüchtlinge in
der Bundesrepublik. Im August 1955 wurde die Umfrage auf Ersuchen des
Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
wiederholt, wobei 152.000 Siedlungsbewerber gemeldet wurden.

Der Zustrom aus der Sowjetzone.

Zuverlässige Unterlagen liegen über die aus der Sowjetzone geflüchtete
Landbevölkerung vor. Allein im Zeitraum vom März 1953 bis einschließlich
Oktober 1955 haben insgesamt 64.611 Angehörige bäuerlicher Berufe aus der
sowjetischen Besatzungszone im Zuge des Neuaufnahmeverfahrens Antrag auf
Aufnahme in der Bundesrepublik gestellt. Eine Untergliederung dieses
Personenkreises in Betriebsinhaber, mithelfende Familienangehörige, land-
wirtschaftliche Beamte und Landarbeiter steht nicht zur Verfügung. Für die
letzten beiden Jahre ergibt sich jedoch eine Zuwanderung von rund 18.000
ehemals selbständigen Landwirten aus der sowjetischen Besatzungszone in
die Bundesrepublik. Diesem Zuwachs von Siedlungsanwärtern steht unter
Einrechnung aller Nebenerwerbsstellen im selben Zeitraum die Ansetzung
von rund 23.000 Vertriebenen und Flüchtlingen gegenüber.

Allein durch die Zuwanderung aus der Sowjetzone wird ein Großteil des
Siedlungserfolgs kompensiert. Dazu kommt, daß in vielen Fällen auch die
Abwanderung eines vertriebenen Landwirts in einen anderen Beruf von diesem
nur als Zwischenlösung betrachtet wird und er auch weiterhin Siedleranwärter
bleibt. Schließlich tritt der Nachwuchs, der sich schon seit den ersten Nach-
kriegsjahren um eine Siedlung bemühenden heimatvertriebenen Bauern in
steigendem Maße als Siedlungsanwärter auf. Zu den rund 162.100 Siedlungs-
willigen des Jahres 1953 kamen also etwa 18.000 ehemals selbständige
Landwirte aus der sowjetischen Besatzungszone hinzu, die zum Großteil als
Siedlungsbewerber anzusehen sind, wodurch die Zahl der Siedlungswilligen
auf rund 180.000 gestiegen ist. Von diesen sind im selben Zeitraum etwa
23.000 angesiedelt worden. Es blieben demnach heute noch rund 157.000
Siedlungsbewerber. Von der letzten Schätzung von 152.000 Bewerbern aus-
gehend könnte gefolgert werden, daß rund 5.000 Vertriebene und Flücht-
linge durch Tod, Alter, Abwanderung und ähnliches in der Zwischenzeit
als ernstliche Siedleranwärter ausgefallen sind. Mit Sicherheit ist dieser
Anteil der geflüchteten und vertriebenen Landbevölkerung aber viel größer,
zum Großteil wird er jedoch, wie bereits erwähnt, durch Nachwuchs ersetzt.

Bei Berücksichtigung dieser Umstände ist anzunehmen, daß die heutige Zahl
der Siedlungsbewerber trotz intensiver Siedlungstätigkeit in den beiden
letzten Jahren im Wesentlichen derjenigen des Jahres 1953 entspricht.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 1956

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Eingliederungsdebatte im Bundestag.

Auf Grund der großen Anfragen der CDU/CSU (BT Drucksache 1961) wird
voraussichtlich am 9. Februar im Bundestag eine große Debatte über die
Eingliederung von Vertriebenen und Flüchtlingen erfolgen. Bezüglich der
Eingliederung des vertriebenen Landvolks sind folgende Anfragen gestellt:

1. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um durch Sicherung
der Altersversorgung landabgebender Bauern eine Intensivierung und
Beschleunigung in der Eingliederung des landbedürftigen Landvolkes zu
erreichen ?

2. Gedenkt die Bundesregierung die im Rechnungsjahr 1956/1957 benötigten
Bundeshaushaltmittel für die ländliche Siedlung so rechtzeitig und ausrei-
chend zur Verfügung zu stellen, daß die Länder die Siedlungsmaßnahmen
planmäßig durchführen können ?

3. Welche zusätzlichen Anstrengungen gedenkt die Bundesregierung zur
Durchführung ihres Siedlungsprogramms zu unternehmen ?

Der Bauernverband der Vertriebenen hat es angesichts dieser bevorstehenden
Eingliederungsdebatte für erforderlich gehalten, eine Reihe von Vorschlägen
und Forderungen zu wiederholen, die sich an den Bundestag, die Bundes-
regierung und die Länder richten:

1. Rechtzeitige und ausreichende Bereitstellung von Siedlungsmitteln. Dazu
gehört: a) Einsatz von 224 Mio. Siedlungsmitteln im ordentlichen Bundes-
haushalt 1956/1957, b) Beschlussfassung der Bundesregierung über Vor-
finanzierungsmittel des Lastenausgleichsfonds und Einsatz von 100 Mio. DM
Länderdarlehen gemäß § 46, Abs. 2, BVFG im Haushaltsjahr 1956/1957.

2. Förderung der Landabgabe durch Gewährung von Altenteilen an abgabewillige
Bauern. Dazu gehört: a) Beschleunigte Bekanntgabe und Empfehlung des Ver-
fahrens bei Verkauf gegen Altenteil mit Leibrente durch das Bundesernährungs-
ministerium an die Länder und Siedlungsgesellschaften, b) Klärung und Regelung
bei Pachtungen und für die Fälle, wo der Ankaufpreis für Altenteilgewährung
mit Leibrente nicht ausreicht, c) Ergänzung der Erläuterungen zu den Bundes-
siedlungsmitteln (Haushalt des Bundesernährungsministers, Kap. 1002. Titel
531): „Aus diesen Mitteln sollen auch für den Landerwerb gegen Altenteile
Darlehen gewährt werden“.

3. Rechtzeitige Vorlage eines Siedlungsprogramms zusammen mit dem
Haushaltsentwurf. Für 1956 liegt noch kein Siedlungsprogramm vor.

4. Verstärkte Eingliederung auf Vollbauernstellen. Die vermehrte Schaffung
von Nebenerwerbsstellen darf nicht auf Kosten und unter Vernachlässigung
der Vollbauernstellen erfolgen.

5. Verstärkte Umwandlung von Moor-, Ödland und Heckenwäldern in
landwirtschaftliche Nutzfläche (Kultivierung).

6. Weiterführung der Eingliederung und Finanzierung nach 1957 (Siehe Artikel
'Die Wiederseßhaftmachung' in Folge 1/56 der Georgine vom 7. Januar 1956.)

7. Anhebung der landwirtschaftlichen Einheitswerte im Lastenausgleich gemäß
§ 31 des Reichsbewertungsgesetzes von 1934 auf das Fünfundzwanzigfache des
Reinertrages. Dazu gehört:

Ergänzung des LAG: im § 245 wird folgende Ziffer 4 angefügt:

„Schäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen mit fünfundzwanzig
Achtzehntel des ermittelten Wertes anzusetzen“.

8. Maßnahmen für vertriebene Pächter nach Ablauf der Pacht. Bevorzugte
Ansetzung auf Vollbauernstellen.

Wenn Regierung und Parlament jetzt nicht die erforderlichen Maßnahmen
treffen, wird es zu spät, um das wertvolle ostdeutsche Bauerntum dem
Lande zu erhalten.

Quelle: OSTPREUSSEN-BLATT, 11. Februar 1956

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Land für 31.600 Siedler.

Mit der Errichtung von insgesamt 31.617 Siedlerstellen liegt Niedersachsen
in der Siedlung an der Spitze im Bundesgebiet. Nach Mitteilung des nieder-
sächsischen Landwirtschaftsministeriums sind seit Inkrafttreten des Flücht-
lingssiedlungsgesetzes im Jahre 1949 insgesamt 167.956 Hektar Land für
die Siedlung in Niedersachsen bereitgestellt worden. Den Hauptanteil unter
den Siedlern stellten Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Ihnen wurden
bisher rund 26.500 Stellen übergeben. Bund und Land unterstützten die
Siedlung in Niedersachsen mit insgesamt 713 Millionen DM.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, Januar 1958

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Siedlungsprogramm 1958 unbefriedigend.

Zu dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Siedlungsprogramm für 1958
stellt der Bauernverband der Vertriebenen fest, daß es mit seinen insge-
samt nur 11.719 Stellen für vertriebene und geflüchtete Bauern keineswegs
den Erwartungen und Forderungen dieses geschädigten Personenkreises
entspreche. Er weist darauf hin, daß von ihm ebenso wie von dem Vertrie-
benenministerium seit jeher eine jährliche Eingliederung von rund 20.000
Bauern gefordert worden ist. „Dieses ständige Absinken in der Errichtung
von Voll- und Nebenerwerbsstellen für vertriebene und geflüchtete Bauern
erfüllt uns nicht nur mit Sorge, nein, es ist unsere Pflicht, alle verantwort-
lichen Stellen, Parlamente, Regierung, planende und durchführende
Stellen auf die Tatsache des ständigen Absinkens hinzuweisen und einen
anderen Kurs zu verlangen“.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, Januar 1959

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