Die Memelniederung - Ein preußisches Kulturdenkmal.

Memelland / Memelgebiet / Litauens Süden.

Die Memelniederung - Ein preußisches Kulturdenkmal.

Beitragvon -sd- » 17.08.2018, 18:57

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Blätter ostpreußischer Geschichte.

Die Memelniederung, ein preußisches Kulturdenkmal.

Die Memelniederung war in dem Zustand, in dem wir sie 1945 verlassen haben,
ein einziges großes Denkmal für die Kulturarbeit des preußischen Staates. Er
hat aus einer Naturlandschaft, die aus Wasser, Wald und Sumpf bestand, eine
Kulturlandschaft geschaffen, die vielen tausend Menschen Heimat und Nahrung
bot.

Zur Ordenszeit war die Niederung eine nur von Fischern und Jägern durch-
streifte Wildnis. Den Plan, durch sie einen Kanal zur Memel zu ziehen, hat
der Orden nicht mehr ausführen können. Für den Großen Kurfürsten war die
Niederung ein kleines Holland. Mit holländischen Wasserbaumeistern zog er
Gräben und Deiche und schuf Platz für mehr als zwanzig neue Dörfer, deren
Bewohner zum Teil auch aus Holland kamen. Die Freifrau Louise Katharina von
Truchseß-Waldburg schuf 1689 den Großen Friedrichsgraben, eine Wasserstraße
von der Deime zur Gilge. Von da ab wurde ununterbrochen an der Niederung
gearbeitet, Dämme und Schleusen gebaut, Kanäle gezogen, Durchstiche angelegt,
Flüsse ausgebaggert, Polder entwässert und Land urbar gemacht.
Es war ein ewiger Kampf gegen die Naturgewalt des Wassers, Deichbrüche,
Überschwemmungen, Eisgang und Rückstau. Dammmeister, Deichinspektoren,
Baggermeister und Landmesser hatten viel Arbeit, und Windmühlen sorgten
wie in Holland für die Entwässerung der Polder. Friedrich Wilhelm I. war
so stolz auf diese Leistung, daß er sich 1731 auf einer Reise durch das Amt
Friedrichsgraben von drei auswärtigen Diplomaten begleiten ließ, dem
kaiserlichen Gesandten v. Seckendorff, dem polnischen Obersten v. Polentz
und dem holländischen Baron v. Ginkel, denen zu Ehren er drei neue
Domänenvorwerke Seckenburg, Polentzhof und Ginkelsmittel benannte.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Deichverbände gebildet, der Linkuhnen-
Seckenburger, der Rautenburger, der Ruß-Kuckerneeser und später (1890) der
Rosenwalder, 1894 endlich der Haffdeichverband Memeldelta, der einen Haff-
deich baute. Ein wichtiger Schritt zur Aufschließung der Niederung, auch
für den Verkehr, war der Bau des Seckenburger Kanals 1833/1835 unter der
Bauleitung des Wasserbauinspektors Steenke, der große Erfahrungen im Wasser-
bau in der Elbinger Niederung gesammelt hatte und später der Schöpfer des
Oberländischen Kanals mit den bekannten Geneigten Ebenen wurde. Die Polder
konnten gegen Überschwemmungen erst gesichert werden, als man Dampfmaschinen
für die Entwässerung einsetzen konnte. Schon der Oberpräsident Theodor von
Schön hatte dies angeregt, aber erst 1859 konnte man nach langen Beratungen
und Berechnungen der Wasserbauinspektoren, der Deichverbände, der Moor-
kommission und der Oberförster mit den Arbeiten beginnen, und dann war trotz
aller Sorgfalt die erste Anlage doch verfehlt. Erst in den sechziger Jahren
wurde die Entwässerung nach neuen Plänen der Wasserbaumeister Wiebe und
Kuckuck durchgeführt, aber bis in unser Jahrhundert hinein waren immer neue
Bauten nötig.

Der Kampf des Menschen gegen die Naturgewalt hat in diesem Stück unserer
ostpreußischen Heimat nie aufgehört, solange wir dort waren. Daß der preuß-
ische Staat so viel Geld, Geist und Arbeitskraft in diesem entlegenen Teil seines
Gebietes angelegt hat, ist eine Kulturleistung, die man nie vergessen sollte.
Dr. Gause

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 27. April 1957

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