Hermann Sudermann 'Litauische Geschichten'.

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Hermann Sudermann 'Litauische Geschichten'.

Beitragvon -sd- » 04.12.2019, 21:09

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Hermann Sudermann 'Litauische Geschichten'.

J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger.
Stuttgart und Berlin 1917.

465 Seiten. Schrift: Fraktur. Gebundene Ausgabe.
26.-40. Auflage.

Zustand: Gebraucht. Gut.
Kleinere Gebrauchsspuren, Ecken und Kanten leicht berieben,
innen sauber und ordentlich, Widmung auf Vorsatz.

Inhalt:
Die Reise nach Tilsit.
Miks Bumbullis.
Jons und Erdme.
Die Magd.

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Hermann Sudermann (1857-1928) beschreibt in seinen vier Litau-
ischen Geschichten das Leben einfacher Menschen in der Memel-
niederung an der deutsch-litauischen Grenze. Selbst aus dem
Memelland stammend, schildert er die ostpreußischen Schicksale
auf spannende und zugleich ergreifende Weise: In 'Miks Bumbullis'
das Schicksal eines Wilddiebes, der einen Förster erschossen hat,
in 'Die Magd' die Versuche einer Frau, einen Mann und ein wenig
Glück zu finden, in 'Jons und Erdme' den durch nichts zu brechen-
den Willen eines Ehepaars, sich im Moor eine Existenz aufzubauen.
Die größte Berühmtheit erlangte die Erzählung 'Die Reise nach Tilsit',
die bereits zweimal verfilmt wurde. Die Dreiecksgeschichte zwischen
dem Hofbesitzer Ansas Balczus, seiner Frau Indre und seiner Magd
Busze behandelt das Thema Ehebruch im Spannungsfeld zwischen
Gottesglaube und Mordplänen.
Neben Sudermanns Stück 'Die Ehre' (1889) stellen diese im Jahre
1917 erschienenen Erzählungen einen weiteren Höhepunkt seines
Schaffens dar.

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Hermann Sudermann 'Litauische Geschichten'.

Gebundene Ausgabe. Pappeinband.
26.-40. Auflage – 1917. 465 Seiten. Frakturschrift.

J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart und Berlin.

Inhalt:
Die Reise nach Tilsit.
Miks Bumbullis.
Jons und Erdme.
Die Magd.

Buchzustand:
Buchdeckel gebräunt und fleckig. Einband abgenutzt.
Kanten berieben.
Seiten alters- sowie papierbedingt leicht gebräunt.

5 Euro plus (ca. 5 Euro) Versandkosten.

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Ergänzende Hinweise:

Aus Anlaß des 90. Todestages von Hermann Sudermann (1857-1928)
wurde eine 60seitige Broschüre herausgegeben.

Hermann Sudermann - 'Erinnerung an einen ostpreußischen Dichter'
mit Beiträgen von Bärbel Beutner und Walter T. Rix.

Informationen zur Broschüre finden Sie unter:
http://www.odfinfo.de/FamFo/Schriftstel ... n.htm#2018

Weitere Infos zu Hermann Sudermann unter:
http://www.ODFinfo.de/Hermann-Sudermann/


Werner Schuka

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Gerechtigkeit für Hermann Sudermann.
Von Volkshochschuldirektor Wilhelm Matull

Wenn man einmal in den Antiquariaten nach ostpreußischer Literatur herumstöbert,
so ist der Dichter den man dort fast regelmäßig mit den verschiedensten Werken
vertreten findet, unser Landsmann Hermann Sudermann. Seine noch heute so beliebte
Erzählung 'Jolanthes Hochzeit', seine in vielen Zehntausenden von Exemplaren ver-
breiteten Romane 'Frau Sorge', 'Der Katzensteg' und 'Litauische Geschichten' kann man
überall zu maßvollen Preisen erwerben. Damit wird die Erinnerung an einen Dichter
wachgehalten, dessen Charakterbild wie kaum bei einem anderen auch heute noch
„von der Parteien Hass und Gunst" entstellt zu sein scheint, der in seinem Lebensablauf
alle Stadien vom höchsten Tagesruhm bis zur völligen Unbeachtetheit durchlaufen hat.
Als 1889 - im Erfolgsjahr von Gerhart Hauptmann und Arno Holz - seine 'Ehre' uraufge-
führt wurde, als er 1890 mit 'Sodoms Ende' und 1893 mit der 'Heimat' rauschende
Bühnenerfolge errang, stand man nicht an, ihn als „rechten Erben des jungen Schiller
zu feiern. Wenige Jahre später warfen ihm namhafte Kritiker „falsche Interessiertheit,
falsche Rührung, falsche Leidenschaft und falsche Schlichtheit" vor und brachen in
härtester Weise den Stab über ihn. Auch die Erfolge des Erzählers Sudermann, der sich
längst einen achtbaren Namen errungen hatte, ehe der 32jährige als Dramatiker die
Bretter eroberte, hielten nicht an, und er schien lange Jahre hin durch völlig vergessen.

In dieser kritischen Lebensperiode nahm sich die ostpreußische Heimat Hermann Suder-
manns an. Es war vor allem Dr. Ludwig Goldstein und der von ihm geleitete Goethebund,
die nicht müde wurden, dem Dichter Mut zuzusprechen und sich um Aufführungen seiner
Werke zu bemühen. So fanden denn auch im Königsberger Neuen Schauspielhaus Ur- und
Erstaufführungen statt: 1919 'Die Raschhoffs', 1922 'Notruf' und 'Wie die Träumenden',
1923 'Die Denkmalsweihe'. Diese Begegnungen waren auch der Anlaß zum Besuch der
Heimat. Wie nachhaltig sie auf ihn wirkte, mögen folgende Zeilen Hermann Sudermanns
bekunden:

„Hier in Heydekrug war es auch, wo ich so recht mein ostpreußisches Herz entdeckte.
Man saß abends beisammen beim Kneiptisch. Darunter Juristen und vor allem mein alter
Freund Scheu von Adl. Heydekrug. Und wie die Leute so sprachen — nicht gerade tief,
nicht geistvoll, aber eindringend, natürlich, klug und verständig —, da fühlte ich deutlich:
Donnerwetter, zu diesen Leuten gehörst du ja, du hast ja die ganze Zeit wie ein Fremder
zugebracht ! Da ist man seine dreißig Jahre in Berlin gewesen, hat wohl auch dies und
das von dem Dortigen angenommen — assimiliert und akklimatisiert nennt man's; aber
im Tiefinnersten, da lebt und klebt man noch in dem kleinen Heydekrug an der Grenze.
Man kann‘s nie recht loswerden, und es ist gut, daß es so und nicht anders ist“.

1926 überraschte der beinahe siebzigjährige Hermann Sudermann die Öffentlichkeit mit
dem Roman 'Der tolle Professor'. Ein halbes Leben hat ihn diese Gestalt bewegt, dieser
Nachfolger von Karl Rosenkranz auf dem Lehrstuhl der Königsberger Albertina. Wir wissen
heute, daß 'Der tolle Professor' ein aus Jugenderinnerungen Sudermanns genährtes Buch
voll kraftvoll innerlichen Erlebens ist, hatte er doch noch selbst in seinem zweiten
Semester bei dem Professor Dr. Richard Quäbicker — dem Urbild des tollen Professors —
Psychologie gehört und mit ihm zusammen auch „eine Nacht durchlumpt". Quäbicker
war 1874 nach Königsberg gekommen und hatte hier den Lehrstuhl inne, den einst
Immanuel Kant geziert hatte. Nach einem exzentrischen Leben war er 1882 freiwillig
aus dem Leben geschieden. Schon diese Tatsache gab dem Roman einen bewegenden
Hintergrund, und er ist in dem Urteil der Kritik denn auch als „seine beste Menschen-
studie in Erzählerform" bezeichnet worden. Aber die übrigen Figuren des Romans ließen
sich für den Kenner der Verhältnisse um 1870/1880 allzu leicht entschlüsseln und boten
naturgemäß Anlaß zu manchem Naserümpfen und zu ablehnender Kritik. Heute stellt
dieses — bedauerlicherweise auch in Kreisen unserer Landsleute — viel zu wenig gekannte
reife Alterswerk Hermann Sudermanns, mit dem er noch einmal ein 'come back' versucht
hatte, den Ausgangspunkt für eine gerechtere Beurteilung seines Gesamtwerkes dar.

So wie 'Der tolle Professor' neben Übertreibungen und Einseitigkeiten weite Partien ent-
hält, die als Bild unserer ostpreußischen Heimat von keinem anderen Dichter mehr über-
troffen wurden, so sehen wir den Erzähler und auch den Dramatiker heute im Rahmen
des Zeitlich-Bedingten, aber auch des Überzeitlich-Ewigen. Als Geburtshelfer und
„Populärster" der naturalistischen Stilepoche wird man Hermann Sudermann in jeder
Literaturgeschichte verzeichnet finden, als instinktsicherer Kenner der Theateratmos-
phäre ist er in der Mischung von zeitlich gegebenen Inhalten und den handfesten Mitteln
der Theatereffekte in vielem zu Recht überholt, als Erzähler, der oftmals wirklich zu
Herzen gehende, zum Miterleben zwingende Töne anzuschlagen weiß, wird er noch
lange fortleben. Als der Dichter 1928 seine Augen für immer schloß, fehlte es nicht an
Stimmen, die Gerechtigkeit für ihn forderten. Ludwig Fulda, Börries von Münchhausen,
Ottomar Enking, Thomas Mann äußerten sich sehr warmherzig über ihn. Und Professor
Nadler, der den Lehrstuhl für Literatur an unserer Albertina innehatte, schrieb: „Ich
bin seinerzeit, als ich mich vergeblich um den Ehrendoktor für Sudermann bemühte,
wahrhaft entsetzt gewesen über die Welle fanatischen Widerwillens, das mir da ent-
gegenschlug“.

Das schönste Denkmal in unserer Erinnerung hat sich Hermann Sudermann selbst in
den Worten gesetzt, die er seiner ostpreußischen Heimat gewidmet hat: „Ich bin sehr
reich von hinnen gefahren, denn ich habe mein Heimatgefühl wiedergefunden. Manch-
mal in den Gesprächen mit fremden Männern ist mir ganz unheimlich zumute gewesen
in der Erkenntnis, wie verwandtschaftlich ihre Art der meinen war und welch ein un-
zerreißbares Band die Stammesgenossenschaft um Freund und Feind, um Vertraute
und Freunde schlingt. In vierzig Jahren Fern sein hat sich die Zugehörigkeit nicht
verloren, und das ist kein schlechter Prüfstein. Wenn ich jetzt an die Arbeit gehe,
so tue ich es als einer, der in das Land hineingehört, das er beschreibt, und der seine
Wurzeln nur gelockert hat, um sie noch tiefer in die Heimaterde hineinzutreiben“.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 5. März 1952

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Hermann Sudermann 'Litauische Geschichten'.

Beitragvon -sd- » 04.03.2020, 18:56

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Drama eines Lebens / Hermann Sudermann zum 30. Todestag.

Der Vorhang fiel, ehe der letzte Akt seines Lebensdramas begonnen hatte.
Hermann Sudermann erlebte ihn nicht mehr. Er starb ohne Hoffnung vor dreißig
Jahren. Erst vor unseren Augen hat sich die Szene wieder geöffnet: Wird sich
der Konflikt lösen? Wird die Gerechtigkeit siegen?

Maßlos war der frühe Ruhm, der den Dichter aus einer von Not und Sorge
überschatteten Jugend auf die höchste Stufe literarischen Ansehens hob. Und
maßlos war der Hass, der ihn bis nach seinem Tode verfolgte.

Sudermann war eine leidenschaftliche Natur, und er weckte die Leidenschaften
im Guten und im Bösen. Er kämpfte für sein Werk und für seine Überzeugung.
So sehr entzündete sich der Streit um sein dramatisches Werk, dass er auch
heute noch nicht beendet ist.

Es gab allerdings eine Zeit — und sie liegt gar nicht weit zurück — da man
glaubte, ihn endgültig registriert und etikettiert zu haben. Man braucht nur
die älteren Literaturgeschichten nachzuschlagen: einhellig werden seine
Romane anerkannt, „Frau Sorge", „Der Katzensteg" und vor allem seine
„Litauischen Geschichten", und fast ebenso einhellig wurde über ihn als
Dramatiker der Stab gebrochen. Er sei kein Dichter gewesen, sondern ein
kalter Bühnentechniker, nur auf sensationelle dramatische Wirkungen bedacht.
Er habe „weder ein eigentümliches Bild seiner Zeit noch im höheren Sinne
lebenswahre menschliche Gestalten hinzustellen vermocht, sondern nur mit
einem pikanten Gemisch aus schlechtem Allen und wenig besserem Neuen dem
großen Publikum gedient".

Wie sehr wurde er doch verkannt! Und wie sehr hat Sudermann trotz
stürmischer Erfolge, trotz seines Lebens im großen Stil, trotz der
Reichtümer, die er erwarb, bis an sein Ende unter dem Unrecht gelitten, das
ihm Unverstand und böser Wille zufügten!

Gewiss war Hermann Suderrnann ein Dichter der zu Ende gehenden
großbürgerlichen Epoche des vorigen Jahrhunderts. Weitgehend bediente er
sich noch alter Stilelemente. Aber er wusste auch, dass er an einer
entscheidenden Wende der künstlerischen und geistigen, ja, auch der
nationalen und sozialen Entwicklung stand, dass neue Kräfte aufzusteigen
begannen, dass neue Ideen zur Herrschaft strebten. So bildete er aus Altem
und Neuem eine ganz eigene künstlerische Form, die nur aus dem Geist seiner
ostpreußischen Heimat zu verstehen ist. Dass sie nicht verstanden wurde, ist
die Tragödie seines Lebens und seines Schaffens.

Von den Gegensätzen und Spannungen seiner Zeit war dieses Leben und Schaffen
beherrscht: im äußersten deutschen Nordosten, in der urtümlichen Landschaft
des Memeldeltas wurde er am 30. September 1857 in Matziken bei Heydekrug
unweit der litauischen Grenze geboren. Sein Vater führte eine kleine
Gutsbrauerei, die nur knapp die Familie ernährte. So wuchs Sudermann in
engen Verhältnissen auf und lernte früh die Not und den Kampf um das
tägliche Brot kennen.

Aber hinter dem Elternhause dehnten sich Moor und Heide und die
geheimnisvoll lockenden, unendlich weiten Wälder, die seine Sehnsucht nach
unbekannten Fernen lenkten. Das war seine Heimat, die er geistig nie
verlassen hat. In Elbing besuchte er das Realgymnasium. Und hier tat sich
vor ihm eine neue Welt auf: Schichau hatte dort seine Werft; da klangen die
Niethämmer, da wurden die Dampfer und Kriegsschiffe vom Stapel gelassen, die
die Weltmeere überquerten. Er, der aus einer patriarchalisch geordneten
bäuerlichen Welt kam, begegnet dem Industriearbeiter und dem harten
Realismus der sozialen Frage. Beide Mächte, der Traum seiner Heimat im Osten
und der unerbittliche Anspruch der Zeit, sollten ihn nie mehr loslassen.
Beide formten sein Werk.

Zunächst aber studierte er in Königsberg, dann in Berlin. Hier blieb er. Die
Reichshauptstadt wurde ihm zum Schicksal, ihre Bühnen und mehr noch ihre
Kritik, auch als er längst schon zum Schlossherrn auf Blankensee in der Mark
aufgestiegen war.

In Berlin begann Hermann Sudermann als Journalist, als Redakteur einer
kleinen liberalen Korrespondenz und als Parlamentsberichterstatter. Er
begegnete Bismarck im Reichstag; er hasste den harten Konservativen, der ihm
nichts von der sozialen Not des Volkes zu wissen schien, und er wurde doch
von dessen Größe überwältigt. Langsam wandelte er sich zum Schriftsteller,
vom Schriftsteller zum Dichter.

Hermann Sudermann hatte schon einen kolportagehaften Roman in einem
Familienblatt veröffentlicht, als ihm schon 1887 der große Wurf mit dem
Roman „Frau Sorge", seinem zweiten Werk, gelang, der, aus Erinnerungen an
Heimat und Jugend erwachsen, starke biographische Züge trägt und den viele
für seinen besten halten. Drei Jahre später erschien „Der Katzensteg", mit
dem er sein Ansehen als Erzähler bestätigte.

Fast gleichzeitig begann sein kometenhafter Aufstieg als Bühnendichter, als
das Berliner Lessing-Theater, umjubelt von einem überwältigenden
Premierenpublikum, sein erstes Drama „Die Ehre" herausbrachte. Damit hatte
er gesiegt, wirtschaftlich für alle Zukunft, als Künstler für den
Augenblick. Das Wagnis, Menschen des Vorder- und des Hinterhauses, die
Bürger- und die Proletariersphäre kontrastreich gegenüberzustellen und die
soziale Frage dramatisch zu behandeln, hatte, überrascht. Das war damals
etwas absolut Neues. Die Kritik feierte ihn als „rechten Erben des jungen
Schiller". Sie hatte richtig erkannt, dass es seit Schiller einen so
blutvollen, einen so echten Dramatiker noch nicht wieder gegeben hatte. Aber
die gleiche Kritik sollte ihm bald bitteres Unrecht tun und zur Quelle der
Leiden werden, die er nie wieder ganz überwand.

Schon sein nächstes Stück brachte sie gegen ihn auf: er war in ihren Augen
so vermessen gewesen, in „Sodoms Ende" nicht nur die sozialen Gegensätze zu
zeigen, sondern seine Stimme gegen die Zeit zu erheben und in grellen
Bildern die herrschende Gesellschaft des Berliner Westens, ihren Snobismus
und ihre Würdelosigkeit, zu geißeln! Und diese Gesellschaft wusste sich zu
rächen. Seine bisherigen Bewunderer wurden seine erbittertsten Feinde, die
hämisch das Wort von „Sudermanns Ende" kolportierten. Wohl gelang es ihm,
mit dem Schauspiel „Heimat" 1893 noch einmal einen Welterfolg zu erringen,
aber die maßgebende Presse führte gegen ihn einen Feldzug, der seinen Ruhm
als Theaterdichter zerstören sollte, obwohl das Publikum nach wie vor zu ihm
hielt.

Hermann Sudermann suchte seine Stellung verbissen zu Halten. Er litt, aber
er kämpfte weiter und wartete fast Jahr für Jahr, wenn auch mit wechselnden
Erfolgen, mit neuen Theaterstücken auf, unter denen sein „Johannisfeuer" für
seine künftige Bedeutung als Bühnendichter erst in unserer Zeit eine
unerwartete, zu seinen Lebzeiten ungeahnte Bedeutung gewinnen sollte.

Aber schließlich zerstörte die jahrelange Hetze seine innere Sicherheit. Er
wandte sich wieder der Erzählung zu. Als im November 1917 seine „Litauischen
Geschichten" erschienen, darunter die berühmte „Reise nach Tilsit", war er
nicht nur geistig in das Land seiner Väter zurückgekehrt, sondern errang
auch einen literarischen Erfolg, der seine Stellung als Dichter erneut
festigte.

Trotzdem kam er vom Theater nicht los: Er war schon halb vergessen, als er
sich ein Menschenalter nach seinen großen Erfolgen in einer völlig
veränderten Welt und vor einer Generation, die kaum noch viel von ihm
wusste, im Jahre 1920 mit dem Schauspiel „Die Raschhoffs" die Bühne
zurückeroberte und einen Erfolg errang, fast strahlender noch, als in seinen
Glanzzeiten.

Allerdings war dieser Erfolg zugleich ein Erfolg seines ostpreußischen
Landsmannes Paul Wegener, der die Bühnenfassung bearbeitet hatte und in der
Rolle des alten Gutsbesitzers Raschhoff den ostpreußischen Menschen
schlechthin verkörperte. Und die Zeit kam ihm entgegen: zum ersten Mal in
der neueren Geschichte war Ostpreußen vom Reich abgetrennt worden: Die
deutsche Insel im Völkermeer war bedroht. Da zeigten Sudermann und Wegener,
was sie dem Reich bedeutete!

Hermann Sudermann starb am 21. November 1928. Wieder wurde es still um ihn.
Trotz seiner letzten Bühnenerfolge verzichteten die Literarhistoriker
darauf, das bisherige Schema ihrer Wertung zu korrigieren. Immer noch wurde
er als „naturalistischer" Dramatiker neben Gerhart Hauptmann gestellt und
verworfen. Noch hatte man nicht begriffen, dass seine Werke wohl starke
realistische Züge tragen, dass er aber in ganz anderen Schichten wurzelt als
der große Schlesier.

Da nahm sich mitten im Kriege, noch rechtzeitig genug, ehe der Einsatz aller
Kräfte die Schließung der Theater erzwang, der große Regisseur Jürgen
Fehling des Dichters an: im Jahre 1943 inszenierte er in Berlin
„Johannisfeuer" und entdeckte damit den eigentlichen und wirklichen
Dramatiker Sudermann. Von neuem stellte er die Frage nach seinem Wert und
seinem Wesen. Seine Antwort lautete grundsätzlich anders als die aller
seiner Vorgänger und er zeigte endlich den Weg zu einem richtigen
Verständnis, er zeigte den Dramatiker Sudermann, so wie ihn noch niemand
gesehen hatte.

Es ist das Verdienst des in Elbing geborenen Publizisten Paul Fechter, auf
Jürgen Fehlings „Johannisfeuer"-Inszenierung und ihre Bedeutung für die
Beurteilung Sudermanns aufmerksam gemacht zu haben; dass sie zeigte, dass
die ganze bisherige Vorstellung, die Kritik und Theater von Sudermann und
seinen Dramen haben, eine falsche, nämlich eine Vorstellung von außen her
war, die ungeeignete Maßstäbe benutzte:

„Fehling gehört zu den ganz wenigen Menschen des modernen Theaters, die
hinter der Welt des zeitlich bestimmten Sudermann der Jahre von 1914 den
Wirklichen erkannt haben, nämlich den dramatischen Balzac des deutschen
Ostens, dessen Wirklichkeit auch nicht die bloße äußere Realität, sondern
die geträumte Wirklichkeit seiner eigenen Seelenspiegelungen vor dieser
heute so fernen, versunkenen Welt des preußischen, des deutschen Ostens war.
Er deckte auf, was in seiner Dichtung das Eigentliche, die von innen
durchlebte Welt war, zeigte den großen, sehnsüchtigen Traum vom Osten, aus
dem seine ganze dichterische Welt einmal aufgestiegen war. Fehling hat zum
ersten Mal sichtbar gemacht, wie die Welt Sudermanns überhaupt aussieht und
was sie wirklich ist. Dass sie mit Realität nichts, mit Traum und Sehnsucht
und suchendem Gefühl alles zu tun hat, und dass man sie nur von dieser
Erkenntnis aus spielen darf“.

Den letzten Akt des Lebensdramas eines der großartigsten Menschen des
deutschen Ostens hat Jürgen Fehling eröffnet. Dass die deutschen Bühnen ihn
nun zu Ende spielen und dem Beispiel folgen, das der große Regisseur mittten
im halbzerstörten Berlin, mitten im Inferno der Bombennächte gab, ist gerade
heute eine unabdingbare Verpflichtung. Es ist eine Forderung der
Gerechtigkeit, nun, da wir wissen, wer Hermann Sudermann in Wirklichkeit
war. Nicht allein um des Toten willen: wir werden die Beschenkten sein. Hans
Teichmann

Seite 10 Hermann Sudermann. An die Heimat.
Heimat! Nun der Frühling naht,
lass mich deines Segens fromm gedenken
und zum Torweg und zum Wiesenpfad
meiner Sehnsucht schwanke Schritte lenken!
Lass mich schauen, ob der Hahnenfuß
und die Primeln aufgegangen sind,
und verzeihe, wenn bei ihrem Gruß
aus den Augen mir die Träne rinnt.
Heimat! Diese Zeit will harte Seelen,
und wir sind hart; denn du schufst uns so.
Du gabst uns die Kraft, uns zu zerquälen,
und aus Qualen machtest du uns froh.
Unsre Hand ist schwielig und zur Tat bereit,
und wenn unser Pflug an Steine dröhnt,
fachen wir und tragen sie beiseit'.
Deine Erde hat uns dran gewöhnt,
Heimat!
Heimat! Schickst du uns auf Wanderschaft?
Lässt uns fremden Lenzes Wunder schauen?
Und daheim quillt schon der Birkensaft,
und der Kiebitz schwenkt sich hoch im Blauen.
Ach, was soll uns hier der Blütenrausch,
der in tausend Farben ringsher gleißt!
Um den Frostwind geb ich ihn in Tausch,
der daheim auf kahlen Ebenen kreist.
Heimat, schmückst du dich mit neuem Kleide?
Ist's auch kärglich nur, wie ist es schön!
Talwärts blüht der Raps wie gelbe Seide,
und der Weißdornbusch blüht auf den Höhn
Grüne Schutzwehr bietet der Jasmin
um das Trümmerwerk des Erdegrunds,
doch der Storch, der kam, muss weiterziehn.
Wann wirst du ihm Obdach baun — und uns,
Heimat?
Heimat, segne unsre Wiederkehr!
Segne unsre blutgetränkten Äcker!
Und den Mauern, die nun schwarz und leer,
schenk vom Flammentode den Erwecker,
der dem Dach die Richtfestkrone bringt,
Hausrat hobelt und die Wände weißt,
dass, wenn einst der Friede niedersinkt,
uns dein Mutterblick willkommen heißt!
Heimat! Haben wir um dich gelitten,
schweigend taten wir's und ohne Prunk;
steif im Nacken sind wir und erbitten
keines Nachruhms eitle Würdigung.
Helden mag man andere heißen,
wir sind Pflichtvolk, wir sind Preußen,
das ist uns genug an Wert.
Gebt uns wieder Haus und Hof und Herd!
Schlagt uns Balken, brennt uns Steine!
Wir begehren nur das eine:
Heimat !

Dieses Gedicht wurde im Ersten Weltkrieg nach dem Einfall der Russen in
Ostpreußen geschrieben und von Hermann Sudermann am 28. April 1915
ostpreußischen Flüchtlingen in Berlin vorgelesen. Entnommen dem
Jubiläumsband zum hundertsten Geburtstag des Dichters 'Heimat im Osten',
Verlag J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachf. GmbH, Stuttgart.

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