Der Plan als Peitsche. Bauerntum in der Sowjetzone.

Informationen im Zusammenhang mit der ehemaligen 'Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)' und späteren DDR.

Der Plan als Peitsche. Bauerntum in der Sowjetzone.

Beitragvon -sd- » 24.02.2017, 17:20

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Bauerntum in der Sowjetzone. Der Plan als Peitsche.

Es gehört zur Planwirtschaft des sowjetischen Systems, daß sie fort-
zeugend immer neue Pläne gebären muß. Zumeist bleiben diese Pläne
auf dem geduldigen Papier, auf dem sie gedruckt werden; denn die
Zumutungen, die von den Lenkungsstellen der Planbürokratie an die
Praxis gestellt werden, sind in der Mehrzahl der Fälle nicht durch-
zuführen, weil einfach die dazu nötigen Menschen oder Materialien
fehlen.

Diese Feststellung muß auch wieder einem neuen Plan gegenüber gemacht
werden, der Ende Januar vom sowjetzonalen Ministerrat zum Beschluß
erhoben wurde und der dem Zwecke dient, mit Hilfe der Methoden der
sozialistischen Wirtschaftsführung die Produktion in den landwirt-
schaftlichen Produktionskollektiven so zu steigern, daß die Erträge
der Mittelbauern übertroffen und die Lebensbedingungen der Genossen-
schaftsbauern besser werden als die der Mittelbauern. Diese von amt-
licher Seite getroffene Feststellung ist sehr aufschlußreich; bringt
sie doch das sehr offene Eingeständnis, daß die sozialistische Wirt-
schaft im agrarischen Sektor noch sehr stark hinter der Privatwirt-
schaft zurückgeblieben ist. Und das trotz der Fülle der Hilfestel-
lungen, die man den kollektiven Gebilden hat zuteilwerden lassen.

Also her mit einem neuen Plan ! Er wurde auf der Ende vorigen Jahres
in Leipzig abgehaltenen Konferenz der Vorsitzenden und Aktivisten der
'Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften' verlangt und an-
schließend vom ZK der SED formuliert. Da in der Zone die Partei dem
Staat befiehlt, so wurde dieser Plan nunmehr Regierungsbeschluß und
ist somit für alle Organe der 'DDR' bis hinunter zu den Räten der
Bezirke und Kreise verbindlich. Sieben Seiten im 'Gesetzblatt' benötigt
er zur Veröffentlichung. In die Möglichkeiten seiner auch nur teilweisen
Durchführung sind allergrößte Zweifel zu setzen, weil einfach nicht die
Arbeitskräfte vorhanden sind, die überaus vielfältigen Maßnahmen anzu-
packen. Schon die Ausarbeitung der Sofort- und Perspektivpläne im
Einzelnen und das dazu verlangte Berichtssystem, überfordern die vor-
handenen Energien. Den davon Betroffenen, werden die Köpfe rauchen.

Aus dem Beschluß des Ministerrats ist zu erkennen, welche Bedeutung
die MTS im sozialistischen Agrarprogramm einnehmen. Ihnen sind nicht
nur technische und wirtschaftliche Aufgaben zugedacht, sondern aus
ihnen erfolgen ebenfalls die hauptsächlichsten ideologischen Einsätze.
So besagt denn auch der neue Plan, soweit er den Minister für Kultur
anspricht, die Einrichtung von Außenstellen der Abteilungen für Kultur
der Kreise bei den MTS, die als Hauptaufgabe die 'Entwicklung der MTS
zu führenden Zentren der kulturellen Massenarbeit' zu übernehmen haben.
Sie werden 'für die Organisierung einer beständigen Kulturarbeit in
den Brigadestützpunkten und Dörfern der MTS-Bereiche' verantwortlich
gemacht. Eine Fülle von Einzelaufgaben diktiert ihnen der neue Plan
zu, darunter die Einrichtung von sechs fahrbaren Klubs, die die
'Kulturarbeit nach Schwerpunkten und in den entlegenen Gebieten'
durchzuführen haben. Die Funktionäre sind wahrlich nicht zu beneiden.

Überhaupt gehört es zum Wesen der Planwirtschaft, daß sie die Menschen
in einer kaum vorstellbaren Weise beansprucht und ausnutzt. Sie ist gnaden-
los gegen alle ihre Glieder, mögen sie Anhänger oder Unterdrückte des
Systems sein. Der Raubbau, der an der menschlichen Kraft in diesem Teil
Deutschlands getrieben wird, läßt sich kaum mehr überbieten. Das gilt auch
von den Bauern, die infolge des Mangels an Landarbeitern völlig überlastet
sind. Ohne die Ablieferung der sogenannten Freien Spitzen kann kein Betrieb
in der Zone existieren, und ihre Bereitstellung verlangt eben zwangsläufig
erhöhte Anspannungen. So schwingt über allem die Peitsche der Pläne.
Damit sie die Menschen nicht völlig erledigt, wird mancherlei getan, um
ihren Kräften gewissen neuen Auftrieb zu geben. Aber die Wohlfahrtsmaß-
nahmen sind sozialistische Maßnahmen und kommen nur denjenigen zugute,
auf deren Mithilfe man in den Arbeitsprozessen angewiesen ist. Zwiespältig,
wie alles in diesem von den Kommunisten gelenkten staatlichen Gebilde.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 23. März 1956

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