Über die Spaltung Deutschlands.

Informationen im Zusammenhang mit der ehemaligen 'Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)' und späteren DDR.

Über die Spaltung Deutschlands.

Beitragvon -sd- » 14.03.2024, 11:04

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Seit 1950 berichtet die in Köln erscheinende Zeitschrift
'SBZ-Archiv' auf Grund von Quellenmaterial über die
Verhältnisse in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ)
Deutschlands. Seit 1952 befaßt sich der 'Forschungs-
beirat für Fragen der Wiedervereinigung beim Bundes-
ministerium für gesamtdeutsche Fragen' mit der Ent-
wicklung der mitteldeutschen Wirtschaft und erarbeitet
Richtlinien, um in der Übergangszeit nach der Wieder-
vereinigung die Versorgung der Bevölkerung, die Produk-
tion und die Arbeitsplätze zu sichern.

Quelle: Walter Tetzlaff 'Über die Spaltung Deutschlands'.
1954 herausgegeben von der Niedersächsischen Landes-
zentrale für Heimatdienst.


Bodenreform.

Unter der Parole "Junkerland in Bauernhand !" wurden
in Mitteldeutschland in den Jahren 1945/46 alle, über
7.000, Gutsbesitzer mit mehr als 100 ha Land ohne Ent-
schädigung enteignet (Gesamtfläche: 2,5 Millionen ha).
Von den Empfängern des Bodens waren über 210.000
Neubauern - die durchschnittlich 8 ha Land erhielten -,
von ihnen waren 91.000 Heimatvertrieben ("Umsiedler").
Weiter waren noch über 4.000 Grundbesitzer mit weniger
als 100 ha als sogenannte Kriegs- oder Naziverbrecher
enteignet worden (Gesamtfläche: 0,1 Millionen ha).

Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG).

Im Jahre 1952 begann man in Mitteldeutschland, die Land-
wirtschaft durch Gründung von LPGs zu kollektivieren. Im
Jahre 1956 waren 1,5 Millionen ha = 23 Prozent der Nutz-
fläche zu über 6.000 LPGs zusammengefaßt. Fünf Millionen
ha = 69 Prozent wurden immer noch privatwirtschaftlich
genutzt. Der Rest (0,5 Millionen ha = 8 Prozent) entfiel auf
volkseigene oder öffentliche Betriebe.

In einer LPG sind durchschnittlich rund 20 Einzelbetriebe
zu gemeinsamer Bewirtschaftung und Nutzung zusammen-
geschlossen.

Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS),

anfangs Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS) genannt,
bestehen in Mitteldeutschland seit 1945. Im Jahre 1956
besaßen die rund 600 MTS mit ihren über 2.000 Stütz-
punkten rund 34.000 Traktoren (Schlepper), über 14.000
Mähbinder, über 9.000 Dreschmaschinen und viele andere
Maschinen.

Seit 1952 erhielten die MTS zusätzlich die folgenden poli-
tischen Aufgaben:
1) Ideologische Ausrichtung der Landbevölkerung,
2) Verwirklichung der führende Rolle der SED,
3) Festigung der LPG und
4) Organisierung des kulturellen Lebens auf dem Dorfe.

Gewerbliche Wirtschaft.

In der gewerblichen Wirtschaft sind den Machthabern in
Mitteldeutschland tiefer einschneidende Veränderungen
gelungen als in der Landwirtschaft. Eine Ausnahme bildet
das Handwerk, das im Jahre 1956 noch zu 99 Prozent
privat betrieben wurde. Die angestrebten Produktions-
genossenschaften des Handwerks haben sich nicht durch-
gesetzt. Dagegen betrug der Anteil der Privatbetriebe am
gesamten Bruttoprodukt in der Industrie nur noch 12 %,
im Handel 18 %, in der Verkehrswirtschaft 11 % und in
der Bauwirtschaft 44 Prozent (Statistischer Jahrbuch der
DDR, S. 5). Erreicht wurde dieser Stand insbesondere
durch Enteignung der "Kriegs- und Naziverbrecher".

Der Löwenanteil am Gesamtprodukt entfällt also auf den
sogenannten sozialistischen Sektor, d. h. auf volkseigene
Betriebe und Genossenschaften. Wegen der großen
Bedeutung der volkseigenen Wirtschaft muß ihr Anteil
besonders herausgestellt werden: Er betrug in der Indu-
strie 85 Prozent, im Handel 39 Prozent, in der Verkehrs-
wirtschaft 89 Prozent und in der Bauwirtschaft 56 Pro-
zent. Schließlich muß man noch beachten, daß der Groß-
handel seit 1949 fast völlig verstaatlicht worden ist und
daß sämtliche Banken und Versicherungen bereits im
Jahr 1945 verstaatlicht worden sind.

Ein besonderes Kapitel ist die schlechte Qualität vieler
Industrieerzeugnisse der Sowjetzone. Im Jahre 1956
teilte Ulbricht selber mit, daß 75 Prozent der Werkzeug-
maschinen und 70 Prozent der Radiogeräte Mitteldeutsch-
lands qualitativ unter Weltniveau liegen. Auch Bekleidung
und Schuhwerk in der Sowjetzone fallen durch schlechte
Qualität auf.

Arbeits- und Sozialrecht.

Das Arbeitsrecht hat sich in beiden Teilen Deutschlands
so weit auseinanderentwickelt, daß es kein Gesetz mehr
gibt, das in ganz Deutschland gilt !

Koalitions- und Vertragsfreiheit.

In der Sowjetzone geht man von der Fiktion aus, es gebe
keinen Interessengegensatz zwischen dem meist staat-
lichen Arbeitgeber und den Arbeitnehmern. Es gibt daher
weder das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber,
Organisationen zu bilden (Koalitionsfreiheit), noch gibt
es Tarifverträge (die Arbeitsbedingungen werden durch
Gesetz geregelt), noch gibt es ein Mitbestimmungsrecht
der Arbeitnehmer oder das Streikrecht, die ebenfalls
für eine freiheitliche Sozialordnung unentbehrlich sind.
Die Staatsgewerkschaft (FDGB = Freier Deutscher Gewerk-
schaftsbund) sind typische Arbeitgeberaufgaben über-
tragen, z.B. für die Erfüllung und Übererfüllung der staat-
lichen Wirtschaftspläne und Arbeitsnormen, für die Stei-
gerung der Arbeitsproduktivität und für die Senkung der
Selbstkosten zu sorgen. Die Betriebsräte wurden ab 1948
durch die Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) ersetzt.

Sozialleistungen.

Die Sozialleistungen sind in der Sowjetzone teils besser,
meist aber schlechter als in der Bundesrepublik. Günsti-
ger sind in Mitteldeutschland die Leistungen bei Krank-
heit des Arbeiters: Die Sozialversicherung zahlt Kranken-
geld (= 50 Prozent des Nettolohns), und der Betrieb
zahlt weitere 40 Prozent des Nettolohns (Lohnausgleich).
In Mitteldeutschland gibt es einen gesetzlichen Jahres-
mindesturlaub, wenn auch nur von zwölf Arbeitstagen.
Frauen erhalten die Altersrente der Sozialversicherung
für Arbeiter und Angestellte bereits mit 60 Jahren.

Außerdem gibt es im Gegensatz zur Bundesrepublik
Beihilfen bei der Geburt des ersten Kindes von 500 DM,
für das zweite Kind 600 DM, für das dritte Kind 700, für
das vierte Kind 850 DM und für jedes weitere Kind 1000
DM.

Justiz.

In der Sowjetzone sind 96 Prozent der Richter und 99
Prozent der Staatsanwälte keine Volljuristen mehr. Der
juristische Vorbereitungsdienst und das große Staats-
examen sind seit 1951 weggefallen. Richter werden
nicht auf Lebenszeit, sondern auf drei Jahre ernannt.
Durch "Instrukteure" werden den Richtern Weisungen,
auch für Einzelentscheidungen, erteilt. Das Justizminist-
erium erließ 1950 eine Rundverfügung an alle Gerichte,
daß das Oberste Gericht immer dem Antrag des Staats-
anwalts entspricht.

Verfassungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte
gibt es im Gegensatz zu Westdeutschland nicht.

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