Spätverschollene der Jahre 1947 bis 1953.

Überwiegend ostpreußische Landsleute, die nach sowjetischer Gefangenschaft im Grenzdurchgangslager Friedland eintrafen. Quelle: Ostpreußenblatt 1954 und 1955.

Spätverschollene der Jahre 1947 bis 1953.

Beitragvon -sd- » 09.04.2017, 08:06

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Heimkehrertransport aus der Sowjetunion.

Der letzte große Heimkehrertransport aus der Sowjetunion traf im Mai 1950 ein;
es waren 2.004 Kriegsgefangene. Dann gab es eine lange Pause, und nur im April
1951 wurden noch einmal 103 Heimkehrer gezählt. Dann war nichts mehr zu hören
von irgendwelchen Freilassungen.

Vor einigen Wochen gab dann die Grotewohl-Regierung bekannt, die Sowjet-
Regierung habe ihr die Entlassung "fast aller noch in der Sowjetunion zurück-
gehaltenen deutschen Kriegsgefangenen" zugesichert. Insgesamt würde die
Sowjetunion, so besagte diese Mitteilung, 12.750 ehemalige Wehrmachts-
angehörige entlassen, die von Militärgerichten zu hohen Zwangsarbeitsstrafen
verurteilt worden waren. Nach einer Erklärung der sowjetrussischen Nachrichten-
agentur Tass vom 4. Mai 1950, die vor kurzem im gleichen Wortlaut wiederholt
wurde, sollen 9.717 Deutsche als Kriegsverbrecher verurteilt worden sein,
außerdem sollen 3.815 Gefangene zurückgehalten werden, weil die sowjeti-
schen Behörden feststellen wollen, ob diese Menschen Kriegsverbrechen
begangen haben oder nicht. Insgesamt sollen sich also in der Sowjetunion
13.532 "Kriegsverbrecher" oder eines Kriegsverbrechens verdächtige Deutsche
befinden.

Bisher 4.500 Heimkehrer.

Am 26. September 1953 nun traf der erste Transport von Heimkehrern bei Herles-
hausen an der Grenze zwischen der Sowjetzone und der Bundesrepublik und
kurz darauf im Heimkehrerlager Friedland bei Göttingen ein; weitere folgten bald
darauf. Der letzte Transport, der am Montag dieser Woche im sowjetzonalen
Entlassungslager Fürstenwalde eintraf, umfaßte etwa tausend ehemalige Kriegs-
gefangene, von denen achthundert nach Eisenach, der "Umkleidestation" der
Sowjetzone und von dort zur Zonengrenze weitergeleitet werden. Diese Heim-
kehrer kommen aus einem Sammellager in Stalingrad. Die Gesamtzahl der nach
dem 26. September 1953 aus der Sowjetunion zurückgekehrten ehemaligen Ge-
fangenen erhöht sich mit dem neuen Transport auf etwa 4.500.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 10. Oktober 1953

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Rußlandheimkehrer berichten. Erleichterungen für die Gefangenen. Noch Tausende in Lagern.

36 Gefangene sind jetzt aus der Sowjetunion im Lager Friedland eingetroffen. Sie berichteten,
die Behandlung der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion habe sich in den letzten Monaten
in Bezug auf Verpflegung, Bekleidung, Unterkunft und Umgangsformen erheblich gebessert.

Die Heimkehrer kamen aus den Entlassungslagern Potma und Bykowo. Sie teilten ferner mit,
daß sich bei ihrer Abfahrt in Potma noch 18 Deutsche aufhielten, mit deren Eintreffen in der
Bundesrepublik in etwa drei bis sechs Wochen gerechnet werden könne. In den sieben Lagern,
aus denen sie nach Potma zusammengezogen worden seien, befänden sich noch etwa 7.000
bis 8.000 Reichsdeutsche. Viele von ihnen seien deprimiert, weil sie nicht entlassen werden,
obwohl sie ihre Strafzeit abgebüßt haben.

Eine frühere Ordonnanz aus dem Generals- und Stabsoffizierslager Woykowo in der Nähe von
Moskau berichtete, daß sich dort noch 160 bis 170 deutsche Generale und Stabsoffiziere be-
fänden, denen es, besonders durch Paketsendungen aus der Heimat, verhältnismäßig gut gehe.
In dem Lager lebe auch noch der frühere Olympiasieger im Pistolenschießen, General Heinz
Hax, bei Kriegsende Kommandeur der 8. Panzerdivision.

Unter den Heimkehrern befand sich der frühere Legationsrat im Auswärtigen Amt, Dr. Franz
Beer, der zuletzt in der Strafanstalt Alexandrowskije inhaftiert war. Er berichtete, in dieser
Anstalt hätten sich zahlreiche Ausländer, aber nur wenige Deutsche befunden.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 20. August 1955

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Heimkehrertransporte laufen.

Sowohl im sowjetzonalen Entlassungslager Fürstenwalde als auch direkt
in Herleshausen und Friedland trafen in der vorigen Woche eine Reihe
neuer Transporte von Heimkehrern ein. Bei Redaktionsschluß dieser Aus-
gabe sind noch einige weitere Transporte unterwegs. Heimkehrer, die am
letzten Freitag in Friedland ankamen, berichteten, daß ihnen die sowjeti-
schen Bahnbeamten erzählt hätten, es seien neben ihrem Transport noch
drei weitere Züge mit Heimkehrern, ehemaligen Soldaten und Zivilinter-
nierten im Anrollen. Bereits am Mittwoch war in Fürstenwalde ein Trans-
port von 150 früheren Soldaten und rund 340 Zivilinternierten eingetroffen.
Diese berichteten, daß während der siebenwöchigen Unterbrechung der
Entlassungsaktion im Lager Swerdlowsk noch fünf Gefangene gestorben
sind. 155 Heimkehrer aus diesem Transport begaben sich nach Herles-
hausen und Friedland, 94 direkt nach Westberlin. Bei diesem Transport
befand sich auch Generalvikar Dr. Aloys Marquardt vom Bistum Ermland.
Die Namen der inzwischen eingetroffenen ostpreußischen Heimkehrer
bringen wir, soweit sie bisher festgestellt werden konnten, in dieser Folge.
In einem Transport von 608 ehemaligen Soldaten und Zivilinternierten,
der in Friedland empfangen wurde, befanden sich u. a. der frühere Luft-
hansadirektor Luz, der 1945 in Berlin verhaftet wurde, ferner der spani-
sche Kapitän Roca, der nach seinen Angaben der letzte Angehörige der
spanischen Blauen Division war, der noch in sowjetischer Gefangenschaft
weilte. Zum Empfang dieser Heimkehrer hatte sich unter anderen der
päpstliche Nuntius Erzbischof Muench eingefunden, der den Heimkeh-
renden die besonderen Glück- und Segenswünsche auch des Papstes
übermittelte. Einige Heimkehrer erklärten, zum Jahresende sei auch mit
der Rückführung von mehreren hundert Gefangenen zu rechnen, die die
Sowjets als sogenannte "Schwerkriegsverbrecher" bezeichneten und die
sie nicht formell entlassen wollten, sondern der Bundesregierung zur
Überprüfung der Fälle übergäben.

Der Suchdienst des Roten Kreuzes hat inzwischen mitgeteilt, daß er
lange Listen der sogenannten Spätverschollenen zusammengestellt hat.
Hier handelt es sich um jene Gefangenen, die in den Jahren 1947 bis
1953 ihren Angehörigen noch geschrieben hätten oder die von Kame-
raden in dieser Zeit nachweislich noch gesehen wurden. Man hoffe,
daß nicht alle von ihnen ums Leben gekommen seien. Es solle alles
geschehen, um auch jene Deutschen wieder in die Heimat zurückzu-
führen, bei denen die Sowjets die Staatsangehörigkeit bezweifelten
und die zunächst als Sowjetbürger behandelt wurden. Eine Reihe der
in Rußland Zurückgebliebenen wohnte wohl auch so verstreut, daß sie
keine Möglichkeit gehabt hätten, sich irgendwie zu melden. Zurzeit sind
beim Roten Kreuz nahezu hundert geschulte Kräfte damit beschäftigt,
diese menschlich so wichtige Aufgabe zu lösen.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 24. Dezember 1955

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Die letzten Wochen.

Wieder steht Friedland im Mittelpunkt des Geschehens. Am 20. Oktober
dieses Jahres war auf einen sowjetischen Befehl hin die angelaufene Groß-
aktion zur Rückführung der letzten deutschen Gefangenen und Zivilver-
schleppten aus der Sowjetunion urplötzlich abgebrochen worden. Ver-
zweifelt warteten die Angehörigen auf ihre Heimkehrer, die ihre Rückkehr
teilweise bereits durch Telegramme angekündigt hatten.
Noch verzweifelter waren allerdings die Heimkehrer selbst, die bereits seit
Tagen in ihren Güterzügen auf dem Weg in die Heimat rollten und dann
plötzlich, gänzlich unerwartet, gestoppt und auf ein Abstellgleis geschoben
wurden. Oder die zur Abfährt bereit standen, die man schon zu "freien
deutschen Bürgern" erklärt hatte, die ohne Bewachung ausgehen durften,
und die man nun wieder in Lager einsperrte und zurückhielt.

Als am 13. Dezember innerhalb von zwölf Stunden zwei Transporte aus
der Sowjetunion in Friedland ankamen und als damit endlich das Wieder-
anlaufen der Entlassungsaktion begann, da erfuhren die Tausende, die
sich trotz eisiger Kälte zum Empfang eingefunden hatten, daß diese letzten
acht bis neun Wochen die schwerste Zeit der über zehnjährigen Gefangen-
schaft für die Heimkehrer gewesen sind.

Die 597 ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen, die am 13. Dezember
überglücklich in Friedland eintrafen — inzwischen sind es viel mehr
geworden —, waren bereits am 10. Oktober 1955 aus dem Entlassungs-
lager 5110/22-28 Swerdlowsk abgefahren. Nach vier Tagen, als der Trans-
port bereits 120 Kilometer westlich von Moskau war, kam der zunächst
noch gar nicht faßbare Befehl, den Transport sofort zu stoppen. Auf der
Station Moschajsk war die Fahrt in die Heimat zu Ende. Als die deutschen
Landser dann ihre wenigen Habseligkeiten zusammenpacken mußten, als
sie noch schlaftrunken aus ihren molligwarmen Waggons mit überheizten
Öfen in die Nacht hinaustorkelten und sich dann in einem gerade von
sowjetischen Frauen geräumten Barackenlager, das mit Stacheldraht um-
geben war und von Posten mit Hunden bewacht wurde, wiederfanden, da
kam ihnen so recht zum Bewußtsein, wie sehr sie der Freiheit, der Heimat,
dem Zuhause entgegengefiebert hatten.

Warum durften sie, die doch "freie Bürger" waren, nicht nach Hause fahren ?
Warum wurde der Transport so plötzlich gestoppt ? Immer wieder fragten
sie es sich, immer wieder verlangten sie Aufklärung von den sowjetischen
Dienststellen. Ein Vertreter des sowjetischen Innenministeriums erklärte
ihnen dann, Adenauer habe die seinerzeit in Moskau eingegangenen Ver-
pflichtungen nicht eingehalten.

Die nervöse Spannung, die fieberhafte Unruhe unter den Heimkehrern blieb
auch, obwohl sie keine Kriegsgefangenenverpflegung, sondern russische
Militärverpflegung erhielten, obwohl sie die Möglichkeit hatten, täglich
im Lager Kinovorstellungen zu besuchen, obwohl sie äußerst vorsichtig
behandelt wurden und obwohl man ihnen versicherte, der einmal vom
Obersten Präsidium der Sowjetunion gegebene Befehl würde unbedingt
eingehalten werden.

Niemand arbeitete im Lager, die Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Alle hofften, hofften. Die Tage wurden zur Ewigkeit, bis endlich, endlich am
8. Dezember die Fahrt in Richtung Westen fortgesetzt wurde. Vier Kameraden
blieben in letzter Minute zurück, einer mußte zur Operation, die drei anderen
sollten noch einmal "überprüft" werden. Es war ein erschütternder Abschied
von ihnen.

Dann ging es ohne Pause gen Westen. Tränen der Rührung und der Freude
standen den leidgeprüften Männern in den Augen, als sie auf dem großen
Lagerplatz in Friedland das erste Vaterunser voll Inbrunst beteten und aus
überglücklichem, dankbarem Herzen sangen: „Nun danket alle Gott."

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 24. Dezember 1955

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Die Zahl der in Rußland noch zurückgehaltenen Deutschen beziffert der Heimkehrerverband
auf mehr als achtzigtausend. Nach seiner Ansicht befinden sich auch noch einige tausend
von den Russen verurteilten deutsche Soldaten in der Sowjetunion.

Quelle: OSPREUSSENBLATT, 19. Januar 1957

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Über dreihundert Rußlandheimkehrer sind bis Ende Mai 1958 in Friedland eingetroffen.

Auf Grund der deutsch-sowjetischen Heimführungsvereinbarungen sind bis Ende Mai 1958
im Lager Friedland über dreihundert Deutsche aus der Sowjetunion, aus Lettland, Estland,
Litauen und den sowjetisch besetzten Teilen Ostpreußens eingetroffen. Alle kommen als
Einzelreisende, ohne größeres Gepäck, meist nur mit kleiner, persönlicher Habe, die nach
dem zur Bezahlung der Reisekosten notwendig gewordenen Verkauf des Mobiliars übrig-
geblieben ist. Zurzeit treffen täglich durchschnittlich vier bis sieben Heimkehrer ein, von
denen im Allgemeinen alle in der Bundesrepublik Verwandte haben, zu denen sie nach der
Registrierung im Lager Friedland sofort weiterreisen können.

Die Aussiedler berichten, daß ihnen die Sowjetrussen bei der Erteilung der Ausreisegeneh-
migung keinerlei Schwierigkeiten bereitet haben, soweit der Nachweis der deutschen
Staatsangehörigkeit einwandfrei zu erbringen war. Auch die Beschaffung der deutschen
Reisepässe bzw. der Paßbescheinigungen, verbunden mit der Erteilung der Durchreise-
devisen durch Polen und die Sowjetunion, sei allgemein recht rasch gegangen. Alle aus
der Sowjetunion eintreffenden Deutschen erklären, daß es in ihrer näheren und weiteren
Umgebung noch recht viele Landsleute gebe, die sich gleichfalls um eine Ausreisegeneh-
migung bemühen. Trotz allem aber ist die Lagerleitung Friedland bis heute nicht in der
Lage, eine halbwegs verläßliche Zahl über die Gesamtsumme der zu erwartenden Aus-
siedler aus der Sowjetunion zu nennen. Man meint lediglich, daß die einmal vom Sonder-
botschafter Dr. Lahr genannte Zahl von neuntausend wahrscheinlich zu niedrig sein wird.

Der Gesundheitszustand der in Friedland eintreffenden Deutschen ist im Durchschnitt gut.
Die älteren Personen sprechen alle noch fließend Deutsch, unter den Kindern aber gibt es
etliche, die ihre Muttersprache nicht mehr voll, bzw. überhaupt nicht mehr beherrschen,
da sie oftmals getrennt von den Eltern unter russischen Arbeitern untergebracht waren
und keine Gelegenheit hatten, die deutsche Sprache zu erlernen und zu üben. Alle Aus-
siedler aber sind überglücklich, endlich wieder in der Heimat zu sein.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 7. Juni 1958

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