Auflösung Preußens.

Auflösung Preußens.

Beitragvon -sd- » 03.02.2017, 16:41

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Die Zerstückelung Deutschlands.

Deutschlands Schicksal wurde durch die Konferenzen der amerikanischen, britischen
und sowjetischen Staatsmänner in Jalta (Februar 1945) und Potsdam (Juli / August
1945) bestimmt: es hieß vorläufige Ausschaltung als selbständiger Staat. Das ganze
Reichsgebiet wurde von den Armeen der Sieger besetzt. Die Grenzen wurden zunächst
auf den Stand von 1933 zurückverlegt. Aber Nordostpreußen wurde sowjetisches Ver-
waltungsgebiet, das nach der Zwangsaussiedlung der deutschen Bevölkerung mit rus-
sischen Siedlern besetzt wurde; Königsberg wurde Kaliningrad. Südostpreußen kam
unter polnische Verwaltung, ebenso das große Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie.
Obwohl erst ein späterer Friedensvertrag über dies Gebiet entscheiden sollte, wurde
es bald von den Polen als ihr ureigenes Gebiet erklärt und in übersteigertem Tempo
polonisiert. Mecklenburg, Pommern, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Sachsen-
Anhalt wurden sowjetische Besatzungszone. Das deutsche Gebiet westlich davon kam
unter die Aufsicht der Westmächte, wurde britische, amerikanische und französische
Besatzungszone. Auch norwegische und dänische Truppen wurden zur Besetzung heran-
gezogen. Das Saargebiet wurde wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen. Deutsch-
lands Hauptstadt Berlin wurde in vier Sektoren aufgeteilt, sie wurde eine "Viermächte-
Stadt". Der Staat Preußen als die "Wiege des deutschen Militarismus" wurde aufgelöst.

Die erste Aufgabe der Besatzung war die "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung"
unseres Landes. Nationalsozialistische Partei-, Staats-, Heer- und Wirtschaftsführer,
soweit sie den Zusammenbruch noch überlebt hatten, wurden in Nürnberg vor einen
internationalen Gerichtshof der Siegermächte gestellt und der Anzettelung von An-
griffskriegen und des vielfachen "Verbrechens gegen die Menschlichkeit" angeklagt.
Ein Teil von ihnen wurde zum Tode, ein anderer zu langjährigen Freiheitsstrafen ver-
urteilt. Ein kleiner Teil wurde freigesprochen. Zum ersten Male wurde hier der Grund-
satz aufgestellt, daß die Vorbereitung und Anstiftung von Kriegen ein todeswürdiges
Verbrechen sei und daß Verstöße gegen die Menschlichkeit auch im Leben der Völker
strafrechtlich geahndet werden müssen - nur richtete sich dieser Grundsatz hier allein
gegen die Deutschen, und die bisherigen Gegner stellten zugleich Ankläger und Richter
dar.

Der Entmilitarisierung diente die planmäßige Wegnahme, das Verbot und die Zerschla-
gung aller Einrichtungen und Organisationen, die dem Kriege gedient hatten: der Wehr-
macht, der gesamten Kriegs- und Handelsflotte, der in Deutschland errichteten Kriegs-
und Verteidigungsbauten, aller Fertigungen und Werke, die irgendwie als Kriegs- und
Rüstungsindustrie angesprochen werden konnten. Die "Demontage" vernichtete nicht
nur die Möglichkeiten künftiger Kriegsführung, sie betraf zum Teil auch Einrichtungen,
mit denen wertvolle Friedensarbeit geleistet werden konnte.

Wie auch nach dem vorigen Weltkriege wurden alle Auslandsguthaben enteignet -
jetzt trat die planmäßige Beschlagnahme aller deutschen wissenschaftlichen, techni-
schen und wirtschaftlichen Erfindungen, der Patente usw., hinzu. Eingehende Vor-
schriften regelten bis ins einzelne, was Deutschland hinfort erzeugen, ein- und aus-
führen, handeln und verbrauchen durfte.

Ein alliierter Kontrollrat in Berlin sollte die Richtlinien für die Maßnahmen in allen
Besatzungszonen einheitlich festlegen, bis man endgültig Frieden schloß. Im Laufe
des Jahres 1946 wurden in Paris und New York die Friedensverträge mit der Tschecho-
slowakei und den ehemaligen Verbündeten Deutschlands - Finnland, Ungarn, Rumä-
nien, Bulgarien, Italien - festgelegt. Für Deutschland und Österreich kam es bis zum
Jahre 1952 zu keiner endgültigen Regelung, da sich die ehemaligen Alliierten, die
demokratischen "Westmächte" und das sowjetische Rußland, inzwischen wieder weit-
gehend entzweit hatten. Zwischen Japan und den Westmächten kam es dagegen 1951
zu einem Friedensvertrag.

Quelle: Hans Ebeling 'Deutsche Geschichte'.
Weltgeschichte der neuesten Zeit. Das Zeitalter der Weltkriege. 1952.

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Das Verbrechen von Potsdam.

Zehn Jahre sind vergangen seit auf der Konferenz von Potsdam die Zerstückelung
Deutschlands beschlossen und die Austreibung Millionen deutscher Menschen
sanktioniert wurde. Ein Viertel des deutschen Reichsgebietes wurde durch den
Spruch von Potsdam fremder Verwaltung unterstellt und ein Siebentel der Gesamt-
deutschen Bevölkerung mußte Haus und Hof verlassen. Weitere Millionen deutscher
Menschen, die in Westpreußen und Posen, in Böhmen und Mähren, in Polen, Ungarn
und Jugoslawien schon seit Generationen gelebt und mit Fleiß und Treue den
Staatswesen ihrer Wahlheimat gedient hatten, wurden durch den Rechtsspruch
von Potsdam in völlige Rechtlosigkeit gestoßen. In Potsdam entstand der unselige
Begriff "Oder-Neiße-Linie" ein Begriff, der zum Symbol für Deutschland und zum
Schicksal aller Heimatvertriebenen werden sollte.

Die "großen Drei", die sich vor zehn Jahren im Cecilienhof in Potsdam, der ehema-
ligen Residenz des deutschen Kronprinzen, an den Konferenztisch setzten, hatten
sich leicht auf die alte Soldatenstadt geeinigt. Verband man doch mit dem Namen
Potsdam zugleich das Wesen des "preußisch-deutschen Militarismus", der hier nun
auch symbolisch für alle Ewigkeit begraben und an dessen Stelle ein neuer Geist von
Potsdam gesetzt werden sollte.

Wir wissen heute, daß diese Einigkeit recht oberflächlicher Natur war und nicht über
den Konferenzort hinausging, daß tiefe Gegensätze unter den Alliierten gerade in
den wichtigsten Punkten bestanden. Stalins Versuch, die von Hass erfüllte Konferenz-
Atmosphäre von Teheran und Yalta auch auf die Potsdamer Konferenz zu übertragen,
scheiterte an seinen beiden Partnern. Wenn Stalin allein zu entscheiden gehabt haben
würde, dann würde es heute kaum noch ein freies Deutschland geben. So hatte Stalin
die Frage nach dem Umfang des deutschen Territoriums dahin beantwortet, daß das
deutsche Gebiet dasjenige sei, was von Deutschland nach Befriedigung der alliierten
Wünsche übrig bleiben werde.

Die historische Forschung hat die Hintergründe über die Entstehung der Potsdamer
Protokolle weitgehend aufgehellt. Dabei steht fest, daß die "Verwaltungslinie" an der
Oder und Neiße keineswegs der Anerkennung etwaiger Annexionen der jenseitigen
ostdeutschen Gebiete gleichkommt. Im Gegenteil ! Es wurde ausdrücklich vorgesehen,
daß diese Linie nur bis zur endgültigen Regelung im Friedensvertrag befristet und die
eigentliche Grenzfestlegung bis dahin zurückzustellen sei, wie es in Artikel IX des
Potsdamer Protokolls ausdrücklich lautet. Trotz dieser Vereinbarung schlossen die
Satelitenregierungen von Pankow und Warschau im Sommer 1950 ihre sogenannten
Grenzverträge ab, gegen die die USA, Großbritannien und Frankreich protestierten
und unter ausdrücklichem Hinweis auf das Potsdamer Abkommen ablehnten.

Wir wollen nicht verkennen, daß sich in Potsdam die Westmächte gegenüber der Ex-
pansionspolitik der Sowjetunion energisch zur Wehr setzten. Sie vermochten sich aber
gegenüber den Sowjets und ihrer "Politik der vollendeten Tatsachen" nicht durchzu-
setzen. Sie konnten nicht verhindern, daß die erzwungene Hinnahme des fait accompli
zu einer Anerkennung wurde. Sie sind deshalb mitschuldig an dem Todesurteil, das
über Ostdeutschland in Potsdam gefällt wurde.

Längst hat man seitens der Westalliierten die "Fehler von damals" erkannt, und in der
ganzen westlichen Welt mehren sich die Stimmen, die das Unrecht an Deutschland
brandmarken und auf seine Beseitigung dringen. So schreibt die in Südamerika, in
deutscher Sprache erscheinende, Zeitschrift 'Tatsachen' in diesem Sinne: "Die Tatsache,
daß auf den erschreckendsten Krieg der Geschichte der erschreckendste Friede der
Geschichte folgte, läßt sich weder vertuschen noch totschweigen" und fordert dann
den Mut zur Erkenntnis und den Mut zum Handeln, damit endlich das Recht wieder
zu seinem Recht komme.

Und ein anderer Rufer, nach dem Recht in einer rechtlosen Zeit, ist der Professor
Austin J. App, aus Philadelphia. Ihm als Christen ist es Pflicht, sich im Namen des
Rechts und der Menschlichkeit gegen all das aufzulehnen, was an Ungerechtigkeit
und Unmenschlichkeit in Kriegs- und Nachkriegszeit den Menschen widerfahren ist.
Hier sei nur eine Probe aus seinem neuesten Buch 'Wir, die Alliierten' zitiert:

"Wir, die Alliierten, sind keine Ungeheuer" ... , sagte Churchill im Jahre 1945 den
Deutschen. Und was folgte ...? 12 Millionen oder mehr Menschen wurden unter un-
menschlichen Bedingungen von Haus und Hof vertrieben. Ganze Provinzen wurden
entvölkert und geraubt. Christen gaben Hunderttausende von Frauen und Mädchen
dem asiatischen Antichrist zur Schändung preis. Millionen von Männern wurden zu
langjähriger Sklavenarbeit willkürlich testgehalten. Durch eine Hungerblockade
wollte man das deutsche Volk systematisch dezimieren. Produktionsstätten wurden
demontiert, der Handel nach Übersee unterbunden. Das Recht zur käuflichen Ware
gemacht ... Man kann auch schwerlich behaupten, daß der Morgentau-Plan ein
Ausdruck christlichen Geistes war." App geht aber noch weiter. Er bezeichnet das
Versailler Diktat von 1919 als die Wurzel allen Unrechts, das ihm folgte. Die darin
festgelegten territorialen Ungerechtigkeiten, lösten den zweiten Weltkrieg mit aus.
Und was geschah danach ?

"Dort, wo einzelne territoriale Ungerechtigkeiten den Zweiten Weltkrieg auslösten,
haben die "großen Drei" ein ganzes Feld territorialen Unrechts angelegt. Wie hätten
sich die Amerikaner verhalten, wenn im Falle eines Sieges der Achsenmächte Texas
an Mexiko und Kalifornien und Alaska an Japan übergeben und die ansässige Bevöl-
kerung aus den Städten und von den Farmen verjagt worden wäre ? Wir, die Ame-
rikaner, hätten dies für ein unmögliches Unrecht angesehen. Eben dasselbe haben
wir sanktioniert, als es in Potsdam darum ging, deutsche Provinzen unter fremde
Verwaltung zu stellen. Wobei nicht vergessen werden darf, daß Ostpreußen schon
ein deutsches Land und Königsberg eine deutsche Stadt war, bevor überhaupt
Amerika entdeckt wurde."

Wir wollen uns über jede Stimme freuen — und die beiden zitierten sind glücklicher-
weise nicht die einzigen — die die Mauer des Schweigens, die Amerika um den vor
zehn Jahren begangenen Fehler errichtete, — durchbricht und die aus Leidenschaft-
lichem Herzen den Weg zur Wahrheit und Gerechtigkeit weist.

Nach dem verhängnisvollen Irrtum von Potsdam hat die Politik der Westmächte
nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie in der Oder-Neiße-Linie
nur ein vorläufiges Provisorium sieht. Sie wiesen deshalb auch die sowjetische
Interpretation, daß es sich bei einer Friedenskonferenz nur noch um Einzelheiten
bei der technischen Festlegung der Oder-Neiße-„Grenze“ handeln würde, mit aller
Entschiedenheit zurück.

Potsdam, das schmerzlichste Kapitel der deutschen Geschichte, wurde zugleich
zu einem der neuralgischsten Punkte der Weltpolitik. Bald nach der Konferenz
setzte bereits eine Umkehr auf dem politischen Irrweg ein, den die Westmächte
beschritten hatten. Das berechtigt uns immerhin zu einer gewissen Hoffnung,
daß das allerletzte Wort in der Frage der deutschen Ostgrenze noch nicht ge-
sprochen wurde, zumal die Genfer Konferenz eine freundlichere Atmosphäre
der gegenseitigen politischen Beziehungen eingeleitet zu haben scheint. Unsere
Hoffnung gründet sich auch auf den weisen Ausspruch des großen amerikanischen
Staatsmannes und Politikers Abraham Lincoln: "Nichts ist endgültig geregelt, was
nicht gerecht geregelt ist." W.M.L.

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, August 1955

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Preußen und die Neugliederung.

Im Zusammenhang mit der Frage der Neugliederung des Bundesgebietes sind im
Bereich der Bundesrepublik in verschiedenen alten Ländern die notwendigen
Unterschriften für die Durchführung von Volksbegehren zur Frage der künftigen
Gliederung der Bundesländer
gesammelt worden. Einen vom Heimatbund Baden
eingebrachter Antrag auf ein Volksbegehren über die Zugehörigkeit des historischen
Landes Baden hat Bundesinnenminister Dr. Schröder mit dem Hinweis zurückge-
wiesen, daß vor der Bildung des neuen Südweststaates Baden-Württemberg bereits
eine Abstimmung stattgefunden hat.

Auch in der früheren Hansestadt Lübeck sind genügend Unterschriften für ein
Volksbegehren gesammelt worden. Die Lübecker Bürgerschaft hat einstimmig den
Senat beauftragt, alle erforderlichen Schritte zur Durchführung des Volksbegehrens
in die Wege zu leiten. Das bedeutet nun nicht, daß alle Abgeordneten in Lübeck
nun auch das Ziel dieses Volksbegehrens, nämlich die Lösung Lübecks aus dem
Lande Schleswig-Holstein und die Wiederherstellung des alten Status als Freie
und Hansestadt nach dem Muster Hamburgs und Bremens bejahen.

Ein drittes Volksbegehren ist im einstigen Land Oldenburg zu erwarten, das nach
dem Zweiten Weltkrieg dem Lande Niedersachsen angeschlossen wurde. Da Olden-
burg viele Jahrhunderte hindurch Großherzogtum und später selbständiger Frei-
staat war, haben viele Bürger dieses alten Landes den Zusammenschluß mit
Niedersachsen bis heute nicht gebilligt.

Es muß bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen werden, daß die am 25. Februar
1947 durch Kontrollratsgesetz verfügte Auflösung des historischen Landes Preußen
heute nicht geregelt werden kann, da wichtigste Gebiete Preußens entweder in der
Sowjetzone liegen oder von der Sowjetunion und von Polen besetzt sind. Es sei in
diesem Zusammenhang an die Ausführungen erinnert, die der verstorbene Bundes-
tagspräsident Dr. Ehlers 1953 auf einer Kundgebung machte. Er sagte damals:
"Ob das Reich noch einmal von Preußen her Gestalt gewinnt, mag der Zukunft
überlassen bleiben. Daß es, wenn es denn seine Funktion in diesem Raum der
Deutschen noch einmal erfüllen sollte, nicht ohne zahlreiche der preußischen
Staatstugenden auskommen wird, die es mit gebildet und getragen haben, ist sicher.
Jedenfalls aber, wie die Geschichte auch laufen mag, werden wir auch das preußische
Selbstbestimmungsrecht so ernst zu nehmen haben, dass den Menschen des Landes,
das einst Preußen war, insbesondere im deutschen Osten, die Entscheidung darüber,
in welcher staatlichen Form sie leben wollen, ausschließlich vorbehalten bleiben
muß. Niemand kann diesen Menschen diese Entscheidung abnehmen, keiner darf sie
ihnen, aus welchen Gründen auch immer, präjudizieren. Die einzigen legitimen
Richter über das preußische Land um Magdeburg und in der Mark, in Pommern,
Schlesien und Preußen (Dr. Ehlers meinte in diesem Zusammenhang hier mit Preußen
naturgemäß Ost- und Westpreußen) sind die Menschen, die ein Recht auf ihre Heimat
haben."

Wir wünschen nichts sehnlicher, als daß wir bald vor diese Entscheidung gestellt
werden mögen. Denn das würde bedeuten, daß nach der Wiedervereinigung ein
Gesamtdeutschland geschaffen worden ist, wie wir es verstehen, — ein Deutschland,
das auch unsere ostpreußische Heimat umfaßt.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 14. Februar 1956

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Es geht auch um Preußen !
Ostdeutschland und die Neugliederung des Bundesgebiets
.


Am 28. Dezember 1956 wurde das 'Gesetz über Volksbegehren und Volks-
entscheid bei Neugliederung des Bundesgebiets' verkündet
.

Als Vertriebener wird man geneigt sein, dieses Gesetz als uninteressant
beiseite zu legen, weil es einem Vertriebenen, der sich in Westdeutschland
nur als Gast fühlt oder wenigstens fühlen sollte, gleichgültig sein kann,
wie die westdeutschen Volksstämme ihren Siedlungsraum in Länder auf-
gliedern. Wer so denkt, ist sich über die Tragweite dieses Gesetzes vom
28. Dezember jedoch nicht voll im Klaren. Es geht in diesem Gesetz nicht
nur darum, ob im Wege des Volksbegehrens und der nachfolgenden Volks-
abstimmung die Oldenburger sich wieder als selbständiges Land aus Nieder-
sachsen ausgliedern, ob die Pfälzer das von den Franzosen gebildete Land
Rheinland-Pfalz sprengen und sich Bayern oder Baden-Württemberg an-
schließen, wodurch dann zwangsläufig die Regierungsbezirke Koblenz und
Trier wieder zu Nordrhein-Westfalen und die Regierungsbezirke Rheinhessen
und Montabaur zu Hessen zurückkehren würden, und ob die Badener einen
neuen Versuch unternehmen, ihre Ehe mit den Württembergern zu lösen.
Es geht bei diesem Volksbegehrensgesetz auch um die — bisher kaum
erkannte — Frage, ob das Land Preußen wiederhergestellt werden soll.
An dieser Frage sind jedoch die Ostpreußen und die anderen altreichs-
deutschen Vertriebenen sehr stark interessiert. Schließlich war Ostpreußen
die Keimzelle des preußischen Staates.

Das Land Preußen wurde am 25. Februar 1947 durch Kontrollratsgesetz für
aufgelöst erklärt
. Abgesehen davon, daß dieses Kontrollratsgesetz gegen die
Haager Landkriegsordnung und damit gegen das Völkerrecht verstieß, wonach
die Besatzungsmacht keine Staatsgrenzen zu ändern berechtigt ist, hat das
Auflösungsdekret ohnehin nur (wenn auch wegen der Völkerrechtswidrigkeit
eine zweifelhafte) für das preußische Gebiet westlich der Oder-Neiße-Linie
Rechtswirksamkeit, denn für die Gebiete ostwärts von Oder und Neiße besitzt
der Kontrollrat keine Rechtssetzungsbefugnis. Im Zusammenhang mit dem
Volksbegehrensgesetz geht es jedoch nur um das Preußen westlich der
Oder-Neiße-Linie. Der Wortlaut des Gesetzes lässt es zu, daß von den ehemals
preußischen Gebieten der Bundesrepublik ein Antrag auf Wiederherstellung
des Landes Preußen gestellt wird (ob den Schöpfern dieses Gesetzes klar war,
daß das Gesetz eine solche Möglichkeit schafft, sei dahingestellt).

Von den Gebieten im Westen waren 1944 preußisch das ganze Land Schleswig-
Holstein, vom Land Niedersachsen sämtliche Gebiete mit Ausnahme der Bezirke
Oldenburg und Braunschweig und des Kreises Schaumburg-Lippe, vom Lande
Nordrhein-Westfalen das gesamte Gebiet mit Ausnahme der beiden ehemals
lippischen Kreise, vom Lande Hessen die Regierungsbezirke Kassel und Wies-
baden, vom Lande Rheinland-Pfalz die Regierungsbezirke Trier, Koblenz und
Montabaur, vom Lande Bremen der Gebietsteil Wesermünde und vom Lande
Baden-Württemberg das Gebiet Hohenzollern.

Der gesamte nördliche Teil der Bundesrepublik könnte sich, also wieder zu einem
Lande Preußen zusammenschließen. Es kann heute nicht beurteilt werden, ob
die ehemaligen preußischen Staatsbürger Westdeutschland nach den Schmähun-
gen Preußens während der letzten zehn Jahre noch so viel preußische Staatsgesin-
nung besitzen, daß sie die Wiederherstellung des Landes ihrer Väter begehren.
Soweit es an den Vertriebenen und an den Ostpreußen im Besonderen liegt, wird
es an ihrem Bekenntnis zu Preußen nicht fehlen.

Es ist noch nicht zu übersehen, ob von irgendeiner Seite her der Aufruf zu einem
Volksbegehren auf Wiederherstellung des preußischen Staats kommen wird. Die
Frist zur Beantragung eines Volksbegehrens läuft am 5. Februar dieses Jahres ab.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, Folge 03, 1956

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Auflösung Preußens.

Zehn Jahre ist es her, daß am 25. Februar 1947 der Alliierte Kontrollrat durch
Gesetz Nr. 46 die Auflösung des Staates Preußen verkündete. Damals hatte diese
Maßnahme bei den Betroffenen selbst nicht allzu viel Aufsehen erregt. Man hatte
andere Sorgen. Man kämpfte um sein kärglich Brot, die Vertriebenen aus den
preußischen Kernlanden um ein Dach über dem Kopf, und allzu viele derer, die
sich noch aus preußisch-deutscher Haltung heraus an der Front bewährt hatten,
schmachteten in Gefangenenlagern. Man lebte unter der Willkürherrschaft der
Besatzungsmächte, man war schon an vieles gewöhnt und schließlich auch auf
alles gefaßt.

So kam es dazu, daß ohne viel Aufhebens ein Schlußpunkt gesetzt wurde unter
die Entwicklung eines Staatswesens, das 700 Jahre lang in die Weltgeschichte
hinein gewirkt hatte, das vom Kaiser Friedrich II. mit der Schöpfung des Ordens-
landes durch die Goldene Bulle von Rimini 1226 ins Leben gerufen wurde, und
im König Friedrich II., der später von Dichtern schlechthin der König genannt
wurde, seine strahlendste Personifizierung erfuhr und das mit Namen wie
Marienburg und Hohenfriedberg noch weithin in die fernste Geschichte
leuchten wird.

Freilich, im Ausland hat man vor zehn Jahren "vom Tode Preußens" sehr viel
mehr Notiz genommen als in Deutschland selbst. Dabei kann es kaum verwun-
dern, daß die Kommentare meist ebenso hämisch wie triumphierend waren:
hat es doch seit 150 Jahren kaum einen Begriff gegeben, der in planmäßiger
Propaganda so verzerrt und karikiert worden ist wie gerade Preußen. Immerhin
verdient es festgehalten zu werden, daß damals die Londoner 'Times' eine
rühmliche Ausnahme machten, wenn sie an Preußen doch noch einige gute
Haare ließen und gewisse Qualitäten des preußischen Ethos wie Sparsamkeit,
Unbestechlichkeit und Pflichterfüllung als beispielgebend hinstellten.

Heute, zehn Jahre nach dem staatlichen Ende Preußens, haben auch wir wieder
Abstand genug von den Dingen, von den turbulenten Nachkriegsjahren, um das,
was Preußen in der Geschichte dargestellt hat, in reinerem Licht zu sehen, um
Wahrheit und Karikatur zu unterscheiden und die billige Identifizierung von
'Preußentum und Militarismus' als zweckbedingte Propaganda zu durchschauen.
Und um auch an dem, was nun nicht mehr ist, zu ermessen, was es einst war.
Denn wenn etwas gewiß kein Zufall ist, dann dieses: daß mit dem staatlichen
Dahinschwinden Preußens nicht, wie der Welt versprochen worden war, der
ewige Friede über die Menschheit gekommen ist, sondern die mitteleuropäische
Klammer, eine Brücke zwischen Ost und West zerbrach, nicht nur Deutschland,
sondern die Welt in zwei Teile zerfiel und die Menschheit in den "Kalten Krieg"
stürzte. Denn Preußen war nicht, wie es hieß, der Störenfried der Welt, sondern
zutiefst im Geistigen wie im Politischen der Mittler zwischen Westeuropa und
dem Slawentum.

Wie der jähe Abgrund zwischen Ost und West wieder einmal überbrückt werden
kann und wird, ist heute noch nicht abzusehen. Aber der zehnte Jahrestag der
Auflösung Preußens sollte Anlaß sein, im Getriebe unserer Zeit einen Augenblick
innezuhalten und in der Rückschau das Vergängliche staatlicher Formen vom
Bleibenden ethischer Werte zu trennen. Einen preußischen Großstaat als ge-
fürchtete oder befürchtete Vormacht innerhalb Deutschlands wird es nicht mehr
geben, wohl aber wird auch und gerade ein kommendes Gesamtdeutschland der
sittlichen Werte Preußens nicht entbehren können, will es zwischen Ost und West
bestehen. Insofern wird man getrost sagen dürfen: Der Staat mag tot sein, der
Geist aber lebt !

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, März 1957

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Auflösung Preußens.

Beitragvon -sd- » 30.05.2019, 19:53

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25. Februar 1947: Das Aus für Preußen.

„Preußen ist“, so betonte der britische Premierminister Winston Churchill bereits 1943,
„die Wurzel allen Übels in Deutschland“. Am 25. Februar 1947 bekräftigte der Alliierte
Kontrollrat, das oberste Organ der vier Besatzungsmächte, nochmals diese Ansicht. Im
Gesetz Nr. 46 hieß es: „Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und
der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört.“
Das Ende Preußens, seiner Regierung und Behörden war somit besiegelt. Die westlich
der Oder-Neiße-Grenze verbliebenen preußischen Provinzen wurden teils in kleinere,
selbständige Länder zerschlagen, teils gingen sie in bereits bestehenden Bundesländern
auf. Neben der territorialen Neugliederung war die Auflösung Preußens aber auch poli-
tisch symbolträchtig. Von der Armee Wilhelms II. über die Reichswehr zur Wehrmacht
schien sich eine kontinuierliche Linie zu ziehen. Erst die Beseitigung der militaristischen
und obrigkeitsstaatlichen Strukturen, so hieß es bei den Alliierten, garantiere ein demo-
kratisches Deutschland und ein friedliches Europa. Preußen – ein Hort reaktionärer und
allzeit kriegsbereiter Herrscher oder eine Stätte liberalen Reformeifers, religiöser Toleranz
und bedeutender Wissenschaftsleistungen ? Auch die nachfolgenden Generationen taten
sich schwer mit einer angemessenen Deutung. Preußen ruft noch immer Bewunderung
und Kritik hervor.

Quelle: DAMALS.de

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Fünf Jahre nach der Zerschlagung Preußens.

Es sind in diesen Tagen gerade fünf Jahre her, seit in Berlin am 25. Februar 1947 ein
Gesetz des Kontrollrats verkündet wurde, dessen Einleitung mit den Worten begann:

„Der Staat Preußen, der seit jeher der Träger des Militarismus und der Reaktion in
Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört“. Nach dem Artikel 1
des Gesetzes waren „der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten
Behörden" aufgelöst.

Es war damals, vor fünf Jahren, eine immer noch recht bewegte Zeit, die Kohlennot und
die tägliche Jagd nach den einfachsten Bedürfnissen des Lebens ließen den Deutschen
kaum zur Ruhe kommen. Und so konnte es geschehen, daß das ungeheuerliche Feind-
gesetz, das in erschreckender geschichtlicher Unkenntnis mit einem einzigen Machtwort
einem großen, Jahrhunderte alten, bodenständigen Staatswesen ein Ende machte, damals
gar nicht den Widerhall fand, der solch einem Ereignis gebührte. Und auch heute werden
sich viele dieses folgenschweren Tages und seiner Tragweite kaum erinnern, obwohl
Gedenktage von weit geringerer geschichtlicher Bedeutung in Rundfunk und Presse immer
wieder stark herausgestellt werden.

Wir Ostpreußen aber wollen sehr bewußt dieses Tages gedenken. Denn mit dem Auslöschen
Preußens ist uns mehr verschwunden als ein bloßer Name. Uns ist damit etwas entrissen,
was jeder von uns — ganz gleich, zu welcher Partei er sich rechnet — bewußt oder unbe-
wußt von Jugend auf im Herzen trug. Wie sehr es der Fall war, das ist manchem erst nach
der Vertreibung aus unserer Heimat deutlich geworden.

Ostpreußen und Preußen waren nun einmal unauflöslich miteinander verbunden. Ostpreußen
gab dem brandenburgischen Staat Krone und Namen, aus seinem Ordenswappen gab es ihm
die schwarz-weißen Landesfarben, von seiner Hauptstadt Königsberg aus nahm vor 250 Jahren
der junge Staat seinen Anfang. Das war — nebenbei bemerkt — immerhin fast ein Jahrhundert
früher als die Vereinigten Staaten von Nordamerika ins Leben traten. Und nicht zuletzt war es
unser Land, das den preußischen Staat und später das Reich noch Osten hin als weit vorsprin-
gende Bastion schirmte, und dessen Bewohner oft genug im Gang der Geschichte Blut und Gut
dafür hingaben. Obwohl Amerika und England heute genauso handeln würden angesichts der
sowjetischen Drohung wie einst im Februar 1947 ?

Alle diese Werte, die wir in unserm Herzen mit uns trugen, hat man vor fünf Jahren zerschlagen
„im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker sowie erfüllt von
dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demo-
kratischer Grundlage zu sichern“. Und der Erfolg dieser angeblich von so menschenfreundlichen
und vernünftigen Motiven diktierten Maßnahmen ? Wo bleibt trotz aller Versprechungen die
Sicherheit, wo ist der Frieden ? Wo zeigt sich angesichts der gewaltsam unterdrückten sowje-
tisch besetzten Zone, die doch den größten Teil des alten Preußens umschließt, eine wahrhaft
demokratische Grundlage ?

Vieles ist gerade uns Ostpreußen von unseren Gegnern vorgeworfen worden. Bei den Verneh-
mungen in den britischen Gefangenenlagern wurden Ostpreußen, besonders Offiziere, von vorn-
herein stets mit besonderem Mißtrauen bedacht. Bei den Amerikanern soll es ähnlich gewesen
sein; der Ostpreuße galt ohne weiteres als Kriegshetzer. Die Franzosen haben mehr als einmal
in Wort und Schrift erklärt, Ostpreußen sei stets „die Wiege des Militarismus" gewesen.

Haben wir Ostpreußen in unserer Geschichte denn jemals einen Krieg vom Zaun gebrochen oder
jemals zum Kriege gehetzt ? Zu oft sind Ostpreußens blühende Fluren zu Schlachtfeldern geworden,
als daß gerade wir nach Kriegen gedürstet hätten. Man hat auch wohl noch nie gehört, daß ein
landwirtschaftlich betontes Land besonders kriegslüstern sei, — das Gegenteil ist weit eher der Fall.
Und hat nicht Ostpreußens größter Sohn, Immanuel Kant, schon vor 150 Jahren in Königsberg auf
der Grundlage seines besten und edelsten Menschentums seine weltbekannte Abhandlung
"Über den ewigen Frieden" geschrieben ?

Preußen ist äußerlich tot, aber Geschichte kann man nun einmal trotz aller Bemühungen nicht
ausradieren. Und was ohne unsern Willen nie sterben wird, das ist das Preußentum in bester
Gestalt, wie es ja gerade in unserm alten Ostpreußen so stark lebte, — die Pflichttreue und
Zuverlässigkeit, der Sinn für Ordnung und Sparsamkeit, die Sauberkeit innen und außen, die
Verachtung aller hohlen Phrasen und Schlagworte. Das Preußentum war nicht immer sehr modern
und bequem, aber es glich nach Bismarcks drastischem Wort einer wollenen Unterjacke, die zwar
manchmal kratzt, aber in jedem Falle warm hält: "Jedem das Seine, jedem sein Recht", war ein
preußischer Grundsatz, der nicht nur auf dem geduldigen Papier stand. Wir Heimatvertriebenen
Ostpreußen wissen um die Bedeutungen dieses Wortes. Dr. Walther Grosse

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 15. Februar 1952

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Die großen Drei in Teheran.

Beitragvon -sd- » 24.10.2019, 21:00

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Wie sie den Sieg verspielten. Die großen Drei in Teheran.

Im Verlag Kurt Vowinckel erschien Peter Kleists Buch 'Auch du warst dabei', das
den Versuch unternimmt, die Zeit von 1933 bis 1945 so zu schildern, wie ein jeder
sie miterlebt hat. Das Buch, das manches Ärgernis erregen wird, will als eine
Warnung an die Gegenwart verstanden sein, aus den Fehlern der Vergangenheit
zu lernen. Mit freundlicher Erlaubnis des Verlages bringen wir im Folgenden zwei
Auszüge aus dem Kapitel über Teheran und die 'Befreiung' 1945.

Es ist nicht einfach, die Konferenz von Teheran mit ruhigem Blut zu schildern.
Roosevelt und Churchill, die Verteidiger des Christentums in der Welt, die Anwälte
der individuellen Freiheit und der Demokratie, finden sich mit Stalin zu einem Bünd-
nis der Weltherrschaft zusammen, dem wiederum Roosevelt unbefangen seinen
Inhalt gibt, indem er von sich und seinen Bundesgenossen als den großen "Welt-
polizisten" im Aufbau der Nachkriegsordnung spricht... Die drei Staatsmänner ...
verhandeln und handeln in Teheran darum, ob man Deutschland nach dem Siege
in zwei oder drei oder fünf Staaten zerschlagen soll.

Roosevelt genügen die sieben Staaten nicht. Er zieht schließlich einen Plan aus
der Tasche, der im Osten und Westen, im Süden und Norden einige tüchtige
Amputationen vorsieht, um den Rest in fünf Staaten und drei internationalisierte
Gebiete zu zerschneiden.

Churchill hat auch seinen Plan. Preußen muß verkleinert und isoliert werden.
Bayern, Württemberg, die Pfalz, Sachsen und Baden sind auszuscheiden und
zu einer Donau-Konföderation zu schlagen. Preußen muß streng angefaßt werden,
die weniger wilden übrigen "Völker" sollen ein erträgliches Leben führen, dann
würden sie nach einem Menschenalter gezähmt sein.

Stalin gefällt keiner der beiden Pläne. Er macht nicht so feine Unterschiede wie
Churchill zwischen wildesten und weniger wilden "Völkern". Sein Anliegen ist es
erstens, das ganze Deutschland mit größter Härte zu behandeln und zweitens,
die eigene und seines polnischen Nachbarn Grenze so weit wie möglich nach
Westen vorzuschieben. Er setzt die Curzon-Linie mit Wilna und Lemberg auf
seiner Seite als sowjetische Westgrenze durch, die — nach Churchill — "sich
nicht auf Gewalt, sondern auf Recht" gründet. Er nennt ohne ernstlichen Wider-
spruch seiner beiden Partner die Oder als Westgrenze Polens, obgleich den Polen
selbst diese Wahnsinnsforderung zu weitgehend erscheint. Der letzte Minister-
präsident der Londoner polnischen Exilregierung, Arciszewski, sagt damals in
einem Interview: "Wir haben unsere Forderungen gegen Deutschland vorgetragen
und die Eingliederung Ostpreußens, Oberschlesiens und von Teilen Pommerns
verlangt ... Aber wir wünschen nicht, unsere Grenzen nach dem Westen so weit
auszudehnen, daß sie acht oder zehn Millionen Deutsche einschließen. Das heißt
also, wir wünschen weder Breslau noch Stettin. Wir beanspruchen lediglich die
ethnischen und historischen Gebiete Polens, die unter deutscher Herrschaft stehen."

Mit anderen Worten: Polen begnügt sich mit vier bis fünf Millionen Deutschen statt
acht bis zehn Millionen, Polen begnügt sich mit 50.000 Quadratkilometern deut-
schen Bodens statt mit 94.000 — ungerechnet das, was es 1918 schon bekam.

So wird über ein lebendes Volk, dessen Bedeutung für das Abendland in das Buch
der Geschichte eingetragen ist, wie über ein Stück Vieh verhandelt, das in Fetzen
gerissen und nach den Launen der Sieger verteilt werden soll. Doch lassen wir die
moralische Entrüstung, sie steht uns nicht zu, sie hat auch seit 1918 keinen Platz
mehr in den Taten der Politiker und muß sich darauf beschränken, in ihren Worten
ein Scheindasein zu fristen. Was an Teheran erschütternd wirkt, ist die gänzliche
Unberührtheit Roosevelts und Churchills von den Erfahrungen des vergangenen
Weltkrieges, ist die Ahnungslosigkeit greiser Staatsmänner über die Grundgesetze
des historischen Ablaufs und seiner psychologischen Voraussetzungen, ist schließ-
lich die naive Vertrauensseligkeit in ihren Partner, über den jeder Berliner Droschken-
kutscher sie eines Besseren hätte belehren können.

So verspielen sie mitten im Kriege noch ihren Sieg aus den gleichen Gründen,
die Hitler den Krieg verspielen lassen . . .

Der Geist von Teheran beschwingt auch die "Tischgespräche" in der persischen
Hauptstadt. Generalissimus Stalin erhebt auf dem Abschiedsbankett sein Glas
zu folgendem Toast: „Ich fordere Sie auf, mit mir auf die denkbar weiteste Gerechtig_
keit gegenüber den Kriegsverbrechern zu trinken — eine Gerechtigkeit, die Erschies-
sungskommando heißt. Ich trinke auf unseren gemeinsamen Willen, sie so schnell
als möglich zu erledigen, und zwar fünfzigtausend mindestens."

Churchill empört sich gegen solchen summarischen Vorschlag: "Dieser Vorschlag ist
mit unserem britischen Gerechtigkeitssinn unvereinbar.". Er wird sich später für die
kalte Methode entscheiden und dem Morgenthau-Plan zustimmen.

Der Todesmarsch von Bromberg im Beginn dieses Krieges war nur ein Vorspiel für
das blutige Drama, das jetzt anhebt. In Prag befiehlt Herr Benesch: "Nehmt den
Deutschen alles, was sie haben, und laßt ihnen nur ein Taschentuch, in das sie
hineinweinen können-" Ungehemmt bricht eine sadistische Vernichtungswut herein
über alles, was deutsch ist, über alles, was deutsche Uniform trägt. Die Estnische
Legion, die in Böhmen liegt, geht durch ein Martyrium, das nie ein Menschenmund
in seiner ganzen Schrecklichkeit wird schildern können, das aber auch niemals
vergessen werden wird. 800.000 Tote zählen die Sudetendeutschen, 800.000 nach
dem Kriege, 800.000 Tote der "Befreiung".

700.000 Frauen werden als Beute nach Osten verschleppt, Hunderttausende von
ihnen kehren nicht wieder zurück, sie sterben an Seuchen und an Entkräftung,
geschändet an Leib und an Seele. Vier und eine halbe Million Deutsche gehen
nach dem Krieg zugrunde, die meisten von ihnen als Opfer der „ordnungsgemäßen
und humanen Umsiedlung" aus den Ostgebieten, wie es in dem Protokoll von
Potsdam heißt. Vier und eine halbe Million Menschen sterben nicht in den Gas-
kammern geheimer Vernichtungslager, sie werden auf den Straßen von Prag und
Brünn, von Breslau, Posen und Danzig unter dem Gebrüll der Massen zu Tode
geprügelt.

Aber nicht nur die Deutschen oder die Träger deutscher Uniformen werden zu Opfern
dieses Terrors. Niemand kann je die Slowaken und Ungarn zählen, die von den
Tschechen hingemetzelt werden. Ungezählt bleiben auch die Esten, Letten, Litauer,
die Polen, Ungarn und Bulgaren, ungezählt die Ukrainer und Russen, Kaukasier und
Tataren, die nach Deutschland flüchteten und nun von der "Befreiung" überrollt werden.

Das geschieht im Osten. In Westeuropa aber kehren die Regierungen aus ihren Asy-
len zurück, machen aus ihrer Flucht eine Heldentat und stempeln die, die blieben, zu
Verrätern. 125.000 Holländer werden in Kerker geworfen, in denen viele von ihnen unter
Martern umkommen ... In Frankreich toben sich die kommunistischen Elemente der
Resistance in einer Orgie der Vergeltung aus. Der erste Innenminister der provisori-
schen Regierung, Tixier, beziffert die summarischen Exekutionen mit 105.000. Der
Tenor Robespières sei ein "Kinderspiel" dagegen, bekennt Justizminister Teitgen
1947 vor der Kammer. Diese 105.000 Toten sind fast ein Drittel der nationalen
Franzosen, die von kommunistischer Seite als Hindernis zur Errichtung einer Volks-
republik östlichen Musters bezeichnet wurden. Weitere Hunderttausende von Fran-
zosen werden mit Enteignung bestraft, Zehntausende zu Freiheitsstrafen verurteilt,
120.000 Beamte degradiert, entlassen oder der Pension für verlustig erklärt. Mit rück-
wirkender Kraft wird die Regierung des Marschalls Pètein zu einer "Unrechtsregierung"
erklärt, obgleich die überwältigende Mehrheit der Nationalversammlung sie bestätigt
hat. Die Mitglieder seiner Regierung, Laval, de Brinon und Darnand, fallen unter den
Schüssen der Hinrichtungskommandos.

Vergleichsziffer: Vor der Niederlage Frankreichs bis zur Befreiung durch die Alliierten
wurden von der deutschen Besatzungsmacht in Frankreich 498 Geiseln und 254 Sühne-
personen erschossen.

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 12. Oktober 1952.

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