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Was sind Totenzettel ?
Totenzettel im strengen Sinn sind nur jene Personaldokumente Verstorbener,
denen eine längerwirkende Intention innewohnt, indem sie bei Hinterbliebenen
und Freunden die Erinnerung an den Verstorbenen wach halten wollen und "dero
abgeleibte Seel dem Christlichen Leser in das Heilige Meß-Opffer und andere
Andachten inständigst empfohlen wird". Diese Art der Totenzettel wurde in der
Regel erst in der Totenmesse oder später verteilt. Im weiteren Sinn versteht man
aber unter Totenzetteln auch Todesnachrichten, die im Ort verteilt oder versandt
wurden. Ihrem Zweck nach waren sie jenen ähnlich, die man auch heute noch
benützt, um das Ableben eines Menschen den Verwandten, Freunden, Bekannten
oder der Öffentlichkeit mitzuteilen, zur Beerdigung einzuladen, aber auch, um das
Gedenken im Gebet zu erbitten (in Österreich Parten oder Partezettel genannt).
In einem fließenden Übergang entstehen solche Totenzettel oder Totenbriefe in
der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bei den Totenzetteln der Freunde Mainfränki-
scher Kunst und Geschichte sind beide Arten ohne Separierung zusammengefaßt
und seit langem mit diesem Terminus belegt. Es erschien daher tunlich, die
Sammlung zusammen zu lassen und mit einem einzigen Namen zu versehen.
Die weitaus meisten Totenzettel sind gedruckt. Viele Verstorbene waren offenbar
Mitglied des Leichen-Kassa-Vereins, der ab 1843 augenscheinlich den Druck des
jeweiligen Totenzettels in die Wege leitete und dies durch Beifügung seines
Namens auch zum Ausdruck brachte. Bei einigen wenigen Exemplaren wurden
in einen Vordruck handschriftlich die Daten des Verstorbenen eingetragen.
Wieder andere sind handschriftlich abgefaßt und dann vervielfältigt.
Die Totenzettel konnten respektable Maße annehmen. Manche sind 42 cm hoch
und 58 cm breit und besitzen damit das Format eines kleineren Plakats. Mitteilung-
en von Bruderschaften allerdings sind wesentlich kleiner, hier waren 11 cm mal 9
cm oder ähnliche Maße üblich. Sie konnte man ohne Schwierigkeiten ins Gebetbuch
legen. Viele Exemplare nähern sich dem Format DIN A 4. Man muß allerdings
hinzufügen, daß die Ränder der gedruckten Exemplare häufig beschnitten wurden,
so daß sich der nämliche Totenzettel mit unterschiedlichen Maßen vorfinden kann.
Die Qualität der Papiere schwankt. Es finden sich verschieden starke Hadernpapiere
bis hin zum Karton; im 19. Jahrhundert wird das Papier immer dünner, ähnlich dem
heutigen Schreibmaschinenpapier. Ein Totenzettel ist auf Seide gedruckt. Auch die
Drucktypen folgen dem Trend der Zeit. Fraktur- und Kurrentschrift sind ebenso ver-
treten wie Antiqua oder andere im Laufe der Zeit aktuell gewordene Drucktypen.
Zierbuchstaben bilden ebenso wie farbig oder golden hervorgehobene Namens-
lettern ein zusätzliches Schmuckelement.
Der inhaltliche Umfang dieser Totenzettel, die gelegentlich als 'Leichenzettel', in
einigen Gebieten als Grab- oder Sterbzettel, Sterbe- oder Leidbildchen bezeichnet
werden, hat sich den Gewohnheiten der jeweiligen Zeit angepaßt. Zu Ende des
17. und vor allem im 18. Jahrhundert ließ man auf vielen Totenzetteln das Leben
des Verstorbenen Revue passieren, vermerkte wichtige Ereignisse und pries die
religiöse Prägung des beendeten Lebenslaufes. Es bedarf eigentlich keiner beson-
deren Betonung, daß dabei nur positive Formulierungen verwendet wurden. Beglei-
tend konnten Trost spendende Zitate biblischer, patristischer oder sonstiger Her-
kunft abgedruckt sein, manchmal in lateinischer Sprache sowie in der deutschen
Übersetzung. Man wollte des Verstorbenen gedenken, ihn loben und ihm durch
Gebete Hilfe angedeihen lassen.
Die Würdigung vor allem von hoch gestellten Persönlichkeiten aus dem kirchlichen
Bereich konnte einschließlich eines verkürzten Lebenslaufs bisweilen erheblichen
Umfang annehmen. Nicht selten werden dabei unter Verwendung diverser Bibel-
zitate wahre stilistische Kunstwerke verfaßt. Sie sind oft mit aufwendiger Todes-
symbolik geschmückt, mit einer entsprechenden Bordüre umrandet und teilweise
mit Trauerdevisen versehen. In der Art eines Altarprospektes können Heiligen-
figuren die Todesnachricht begleiten, es wurden aber auch Tempelkulissen
geschaffen, die von Trauersymbolen umgeben sind.
Je weiter man sich dem 20. Jahrhundert nähert, desto mehr verknappt sich der
Umfang der Totenzettel auf einige wenige Lebensdaten des Verstorbenen und
desto mehr vereinfacht sich der Bildschmuck. Es bleibt oft praktisch nur der
Trauerrand. Der Wunsch, der Verstorbene möge die ewige Ruhe erlangen und
die an die Hinterbliebenen gerichtete Bitte um ein Gebet für den Verstorbenen
gehören zum unverzichtbaren Bestandteil der Totenzettel. In diesem Zusammen-
hang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß nur bei einer geringen Anzahl der
Totenzettel Hinterbliebene namentlich aufgeführt werden. So sind insbesondere
beim Tode eines Angehörigen aus dem Adel die Überlebenden mit Namen und Titel
auf dem Totenzettel zu finden. In den übrigen Fällen taucht selten ein konkreter
Hinweis auf die Angehörigen bzw. Freunde auf, wenn man einmal von den "tief-
trauernden Hinterbliebenen", der "tiefbetrübten Witwe" und ähnlichen Formulier-
ungen absieht.
Diese Art der Totenzettel bildet die überwiegende Mehrheit. Daneben werden unter
den Begriff Totenzettel auch Trauermeldungen von Behörden oder Firmen,
Mitteilungen von religiösen Bruderschaften, Todesnachrichten bzw. Danksagungen
aus Zeitungen, Verlautbarungen des Domkapitels oder bischöflicher Dienststellen
(Ordinariat, Generalvikariat), Auszüge aus dem Geburts- oder Sterberegister oder
entsprechende handschriftliche Mitteilungen eingereiht. Sie sind keine Totenzettel
im eingangs beschriebenen Sinn, befinden sich aber bei den einzelnen Sammlungen.
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Den vorstehenden Text verdanke ich meinem am 3. September 2012 verstorbenen
Namensvetter Dieter Sommerfeld, Wolfsburg (DS).
Leider (noch) ohne Quellenangabe. (-sd-)