Kleine Betrachtung über ostpreußische Familiennamen.

Woher stammt mein Name ?

Kleine Betrachtung über ostpreußische Familiennamen.

Beitragvon -sd- » 19.12.2016, 07:34

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Kleine Betrachtung über ostpreußische Familiennamen.

Unter dieser Überschrift erfreute uns Dr. Lau in seinem neuesten Bändchen
"Ei kick dem !" mit einem launigen Gedicht über unsere Familiennamen. In
dieser Fülle der typisch ostpreußischen Namen unserer Freunde, Bekannten
und Verwandten steigt die Heimat wieder vor uns auf mit ihrer ganzen bunten
Sprachenvielfalt. Einige wenige Namen sind die Reste einer untergegangenen
Sprache, nämlich die der alten Preußen oder Pruzzen. Diese Namen ragen
besonders als einsame Sprachdenkmäler einer längst vergangenen Zeit in die
unsrige hinein. Es macht dem Sprachforscher immer wieder Freude, auf solche
Kleinodien zu stoßen und ihre Herkunft und Bedeutung zu ergründen.

In unserem Gedicht sind es vier solcher Namen: Kerwien, Quedenau, Raudschus
und Romeike. Sie sind schon von den alten Pruzzen Kerwe, Kwedenowe, Raude
und dem Adligen Romeike als Vornamen und hernach als Stammesnamen getra-
gen worden.

Die meisten der im Gedicht angeführten Familiennamen verdanken wir dem
Brudervolk der Pruzzen, den Litauern. Auch sie gehen zum größten Teil auf
Vornamen zurück:

Albat — Abwandlung des lit. Männernamens Albas;
Albien — der kleine Albas;
Adomeit — Adamssohn (Adomas, Adam);
Baltruschat — Bartels Sippe (Baltras Bartholomäus);
Bartoleit — Bartelssohn;
Brassat — Brosius (aus Ambrassat Ambrosius);
Endrissat — Heinrichs oder Heinrici (lit. Endrysas);
Enderweit — Heinrichorter (aus Endrius Heinrich und wietas Ort);
Jessat – Abwandlung des Männernamens Gesse (auf Deutsch: Schal);
Lukat — Lukas;
Laurinat — Lorenz; Abwandlung vom lit. Liaurynas;
Tobien — Tobias (vielleicht auch von tubinis = etwas von Filz Gemachtes
oder pruzzischen Ursprunges);

Rudat — Abwandlung des lit. Männernamens Rudaites
(vielleicht aber auch von rudà = Erz, also Erzarbeiter);

Petereit — Peter mit der lit. Endung "eit".

Vom pruzzisch-litauischen Kultus haben wir die Namen erhalten:
Perkuhn — Gott des Donners (merkunos),
Padeffke — Abgott, Götze (padieèwis).

Viele Namen gehen auf Tätigkeiten zurück. So bedeuten:
Bittihn — Bienenzüchter (bitè = Biene);
Krapat — Krauter (krapas = Kraut);
Kadereit — Lumpenmann (kadariai = Lumpen);
Keiluweit — Kürschnerorter (kailius = Kürschner und wietas = Ort);
Kinat — Schweineknecht (kinis = Schweinelager);
Krauledat — Aderlasser (krauleidys = zur Ader lassen);
Oschkenat — Ziegenfleischer (oßkiena, Ziegenfleisch);
Podschus — Töpfer (pudzius);
Schneidereit — Schneider mit der lit. Endung „eit";
Tolksdorf — Dolmetscherdorf (tolk = Dolmetscher);
Uredat — Amtmann (uredas = das Amt);
Wartat — Wächter (wartas).

Wie alle anderen Völker haben auch die Litauer ihre Nachbarn mit
Eigenschaften bedacht, die als Namen an ihnen hängen geblieben sind:
Domscheit — 'Kluge's Sohn (dumzius, kluger Denker, Ratsherr);
Duscheleit — des Dicken Sohn (duzas, dick);
Kemsies — Vielfraß (kemßu = stopfen);
Karalus — der König (karalius);
Naujoks — Neuling (naujokas);
Padubrin — Filzhaar-Schopf (patubis = Filzhaar; czubrine = Schopf);
Preugschat — Bräutigam; auch zweiter Ehemann (preikßas);
Paprotta — Gewohnheit (paprotys)
oder auch Farnkraut nach dem polnischen paproc;
Quoß — unbedacht (kwosus);
Rimkus — ruhig (rimoju);
Supply — Abgerissener (suplyßelis);
Smelkus — fein, stolz (smulkas);
Uschkoreit — 2. Ehemann; eigentlich Aufbauer,
Anzünder als Scherzwort gebraucht (ußkuraitis, ußkurys);

Weikies — schnell, flink (waikas, waikus);
Zipplies — Gaffer (zioplys = wer Maulaffen feilhält);
Beyrau — schimpfen (bariau) ?
Rinnau — schlucken (rynu) ?
Schlobies — ersticken (slobiu) ?

Nach der Lage des Hauses entstanden Namen wie:
Gallinat — der Letzte in der Reihe (galinis);
Susat – der Nachbar (susedas) ?
Weschkalnies — Am Bergpfad (wèzas = Abweg; kalninis = zum Berge gehörig).

Von Gegenständen des täglichen Lebens mögen die Namen herrühren:
Besmehn — Schnellwaage (bezmènas);
Dirschus — Riemen (dirzas);
Maguhn — Schlafbank (maigunas);
vielleicht auch Abwandlung des pruzzischen Männernamens Mage;

Krakuhn — Schwarzspecht (krakis) ?

Auch Teile des Körpers mußten als Namen herhalten:
Pakschies — Nacken (pakaßis);
Pannapies — Fingerkuppe (panages).

Die Siedler aus den deutschen Stammlanden brachten Namen mit wie:
Engelien — Englein (mittelhochdeutsch: engelin);
Gutzeit — Gute Zeit;
Trostmann — Bürge, Helfer
(mittelhd.: tròst = Vertrauen, Mut, Hilfe, Bürgschaft);
Weller - 1. Former; der durch Wellen mit der Hand eine weiche Masse
bleistiftförmig gestaltet (althochd.: wellan = wälzen; mittelhd.: wolgern);
2. Wähler (mhd.: welaere von wellen, welen = erwählen);
Krispien — Krauskopf (lat.: geht auf den Hl. Crispien zurück,
den Schutzpatron der Schuhmacher).

Von den Salzburger Einwanderern erzählen folgende Namen:
Embacher, Hofer, Meyhofer, Obersteller, Obgartel, Polfner, Riedelsberger,
Sinnhuber, die einer späteren Betrachtung vorbehalten bleiben mögen.

Die Aufnahme der Hugenottenflüchtlinge bereicherte unsere Sprache
auch noch um solche Familiennamen französischen Ursprungs:
de la Chaux — von Kalkstein;
Fornacon — Kalkbrenner;
Genée — gequält (génée);
Jeett – Hannchen (Jeanette);
Du Maire – von Meier;
Venohr - Jäger (vom lat. venator, bzw. venari = jagen);
Mattern — mütterlich (vom latein. maternus);

Naturgemäß fanden viele Namen der polnischen und russischen Nachbarn
Eingang, mit denen die Litauer und später die Deutschen dauernd zu tun
hatten, sei es im Krieg oder sei es in Friedenszeiten. Auch diese Namen
gehen auf Vornamen, Tätigkeiten, Eigenschaften und Dinge des täglichen
Lebens und der Natur zurück:
Adamczik — Adamsohns;
Bernatzki — Böttcher (bednarz) ?
Chlupka - Bäuerlein (clop, bzw. chlopek);
Dorka — Pferdedecke (derka);
Gemballa - Mündchen, Mäulchen (gebula);
Grabowski — Grab, Weißbuche;
Guttowski — fertig, bereit (gotow);
Gramattke — Grammatiker, Gelehrter (gramatyk) ?
Jankowski — Johann (Janko, Jan);
Jakubzig — Jakobsohn;
Juschka — Josef ?
Kaminski — Stein (kamen);
Kempa — kleines Werder;
Kornatz — Borkenkäfer (kornik) ?
Koslowski — Bock;
Kowalewski — Schmied (kowal = Schmiede);
Kulinna — Schneeballstrauch (kalina);
Konopatzki — kalfatern (konopaczyc. Fugen an Holzschiffen abdichten;
griech.- ital.- niederländ. Ursprungs);

Laskowski — Wäldchen (lasek);
Milewski — lieb (mily);
Majewski — Plage, schwere Arbeit russisch: maja) ?
Mrowka — Ameise (mrówka);
Nadolny — Unterländer (nadolny);
Odloschinski — Brachfeld (odlug) ?
Opalka — Korb;
Puzicha — Pausbacke (puca) ?
Piontek — Freitag;
Philippzig — Philippsohn;
Potrek — Peterchen (Piort = Peter ?
Rogowski — Horn (rog);
Rogalski — Hörnchen (rogal);
Salewski - Schierling (russ.: salew);
Wieczorrek — Abendgesellschaft;
Woytewitz — Dorfschulze (wojt);
Wessolowski — lustig, fröhlich (wesoly);
Willimzig - Wilhelmsohn;
Mazannek — dürfte das litauische mazynikas = klein, sehr klein
im polnischen Gewande sein, ebenso wie der polnische Name.

Gromelski — das litauische gromuliuju = wiederkäuen, enthalten mag.

So hat der heimatbesessene Etymologe sich redlich bemüht, die Rätsel
um alle angeführten Familiennamen zu lösen und hofft, damit einen
bescheidenen Teil zum Verständnis unserer Heimatsprache beigetragen
zu haben. Susanne Gissing

Quelle: OSTPREUSSEN-WARTE, August 1959
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