Neue Heimat für die Salzburger im nordöstlichen Ostpreußen.

Neue Heimat für die Salzburger im nordöstlichen Ostpreußen.

Beitragvon -sd- » 23.12.2018, 22:24

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Die Salzburger Einwanderer erhielten vom preußischen Staat Höfe und Häuser.
Ein Handwerkerhaus hatte drei Stuben und drei Kammern neben der Küche.
Zum Hause gehörten ein Garten und ein halber Morgen Land. Der Preis betrug
hundert Taler, die innerhalb von vier Jahren abgezahlt werden mußten. —
Gumbinnen hatte 1732 nur 104 Häuser und 108 Handwerker. Nach dem Einzug
der Salzburger nahm die Zahl der Häuser und der Handwerker zu; sie stieg in
wenigen Jahren auf mehr als das Doppelte.

Als Friedrich Wilhelm I. auf Grund des Patents vom 2. Februar 1732 rund 17.000
Salzburgern besonders im nordöstlichen Ostpreußen eine neue Heimat gab,
setzte eine großzügige staatliche und private Hilfe ein, da die meisten Vertriebe-
nen nur über geringe Mittel verfügten und in einem Gebiet angesetzt wurden,
in dem zwei Jahrzehnte vorher die Pest gewütet hatte und in dem trotz der sofort
einsetzenden Wiederbesiedlung durch Pfälzer, Nassauer, Schweizer u. a. noch
weite Strecken wüst lagen.

Was hat man damals getan, um den vertriebenen Salzburgern zu helfen ? —
Zuerst achtete man darauf, daß Handwerker und Gewerbetreibende in Städten,
die Bauern aber auf dem flachen Lande angesetzt wurden. Für die Kranken und
Schwachen gründete man in Gumbinnen das Salzburger Hospital, das bis zu
unserer Vertreibung dort bestanden hat. Die neuen städtischen Einwohner er-
hielten zum größten Teil freie, aus staatlichen Mitteln gebaute Häuser mit Garten
und Acker und dazu das Recht, Handel zu treiben oder ihrem Gewerbe nachzugehen.

Durch die Geschicklichkeit und den Fleiß dieser aus ihrer Heimat vertriebenen
Salzburger erhielten die durch die Pestjahre arg mitgenommenen Städte einen
besonderen Auftrieb. Handel und Wandel belebten sich; besonders Gumbinnen,
Memel, Tilsit, Insterburg, Goldap, Darkehmen u. a. wurden zu wirtschaftlichen
Mittelpunkten ihrer weitreichenden ländlichen Umgebung. Der weitaus größte
Teil der Salzburger Kolonisten kam auf das Land. Die höchsten Personenzahlen
erreichten z. B. folgende Ämter: Gerskullen 552, Szirgupönen 528, Kiauten 435,
Georgenburg 425, Lappönen 395, Bredauen 385, Kattenau 369, Budweitschen 350,
Stannaitschen 342, Dörschkehmen 341, Brakuponen 312. Viele andere Ämter
standen diesen nur wenig nach, während für die Städte selbst folgende Zahlen
überliefert sind: Gumbinnen 237 Memel 158, Tilsit 141, Insterburg 130, Goldap
117, Darkehmen 108 u. a. m. In Königsberg blieben 715 Salzburger.

Da man mit einem solchen Einwandererstrom nicht im Geringsten gerechnet
hatte, ergaben sich, zumal auf dem Lande, mancherlei Schwierigkeiten. Nur den
ersten Tausenden konnte man ein fertiges Dach über dem Kopf bieten, die anderen
wurden hier und dort einquartiert und auf Staatskosten mit der Urbarmachung
besonders wüst liegender Landbetriebe beauftragt. Sie mußten anfänglich in Zelten
hausen. Für den Winter hatte jeder Eingesessene, diese aus ihrer Bergheimat
Vertriebenen, nach Vermögen aufzunehmen. Ein solcher Bauer erhielt pro Familie
zwei Taler, während die Kolonisten Geld zur Verpflegung oder Naturalien bekamen.
Es ist verständlich, daß das rauere Klima manche Opfer forderte. Im Jahre 1773
aber konnte die Ansiedlung dann vollständig durchgeführt werden, denn es gab
genügend wüstes Land. Die Regierung bildete daraus Grundstücke für Vollbauern
mit zwei Hufen, für Halbbauern mit einer Hufe (zu 30 kulmischen Morgen), Kossäten-
grundstücke für Halbhufner (15 kulmische Morgen, sowie Gartenland (2 Morgen)
für die "Gärtner" auf den königlichen Ämtern.

Zu den bäuerlichen Grundstücken gehörten das Wohnhaus und die Stallungen.
Das Inventar wurde den neuen Ansiedlern unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Im Allgemeinen war der Bauer für drei Jahre abgabefrei. Man nahm aber auf die
Güte seiner Stelle Rücksicht. Die erste Ausstattung war durchaus freigebig zu nennen.
So erhielt z. B. ein Vollbauer zur Bewirtschaftung seiner sechzig Morgen vier Pferde,
drei Kühe, einen Wagen, einen Pflug, eine Egge, eine Sense und Sielenzeug für zwei
Gespanne; zur Aussaat wurden gegeben sechzig Scheffel Roggen, achtzehn Scheffel
Gerste, vierzig Scheffel Hafer und zwei Scheffel Erbsen. Der Halbbauer bekam für
seine dreißig Morgen durchschnittlich die Hälfte. Um bei den Abgaben keine Über-
vorteilungen oder Härten aufkommen zu lassen, setzte die Gumbinner Regierung
durch einen Kommissar schon bei der Austeilung des Landes einen Preis fest, der der
Bodengüte entsprach.

Der preußische Staat gab den vertriebenen Salzburgern eine neue Heimat. Die Hilfs-
bereitschaft aber war allgemein. Manche deutschen Länder wetteiferten förmlich,
um den Salzburgern ihr Los zu erleichtern. Selbst das Ausland fehlte nicht. Um die
Not zu mildern oder einen wirtschaftlichen Anfang zu ermöglichen, erließ als erster
der dänische Körnig ein zur Kollekte aufforderndes Patent. Die Königin von England
folgte in ähnlichem Sinne mit dem Zusatz, daß ihr Aufruf von der Kanzel immer mit
den Worten erfolge: „Niemand solle verschont bleiben“. Die Prediger hatten alle,
die nichts gaben, der Obrigkeit zu melden. Selbst die Fremden sollten herangezogen
werden. Besondere Hilfen kamen aus den Niederlanden, aus Schweden, Mecklenburg
und den sächsischen Ländern. Andere Staaten und Städte blieben gleichfalls nicht
zurück; von den Städten sind besonders Hamburg, Frankfurt und Nürnberg zu nennen,
sowie fast alle Ortschaften, die von den Trecks berührt wurden. Nach amtlichem Ver-
zeichnis kamen aus den Niederlanden 401.928 Gulden, von holländischen Juden
20.091, aus England 280.224, aus Hannover 90.000, aus Dänemark 57.825, aus
Hamburg 28.441 und aus Nürnberg 9.899 Gulden. Bei der Emigrantenkasse in
Regensburg gingen auch aus ferneren Ländern Beiträge ein, u. a. auch aus Asien
über Venedig.

Es erübrigt sich, an dieser Stelle zu betonen, welchen Segen die vertriebenen Salz-
burger dem nördlichen Ostpreußen gebracht haben, gab es doch bis zu unserer
Vertreibung 1945 dort kaum einen Menschen, der nicht einen Tropfen Salzburger-
Blut in seinen Adern hatte. Andererseits war das "Retablissement" ein Werk des
Königs, dem die Begriffe Pflicht und Sparsamkeit obenan standen, der sich hier als
ein weitblickender und wahrhaft königlicher Volkswirt erwies und aus christlichem
Verantwortungsgefühl handelte. Dr. Kirrinnis

Quelle: OSTPREUSSENBLATT, 20. Mai 1951

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